IKS | Internes Kontrollsystem - Konflikt mit dem Strafrecht
In den USA hat der Sarbanes Oxley Act zur verpflichtenden Einrichtung von internen Kontrollsystemen geführt. Ausschlaggebend waren Skandale rund um große Unternehmen wie Enron und Worldcom, die ihre Bilanzen nicht mit der gebührenden Ehrlichkeit erstellt hatten. Viele Praktiken in – auch internationalen – internen Kontrollsystemen (IKS) sind von den in den USA gesetzlich vorgeschriebenen Anforderungen des Sarbanes Oxley Act abgeleitet. Auch in Deutschland gibt es Gesetze, die ein IKS zwar nicht explizit benennen, aber die Effekte und Praktiken eines solchen Systems fordern. Zu nennen wären beispielsweise § 315 Abs. 2 HGB, mehrere Paragrafen des Aktiengesetzes (§ 91 Abs. 2, § 93 Abs. 1, § 107 Abs. 3), § 91 Abs. 2 KonTraG oder § 25a KWG.
Internes Kontrollsystem im Detail
Das Bundesfinanzministerium hat mit Veröffentlichung des Anwendungserlass zu § 153 AO die Diskussion über Bedeutung beziehungsweise Indizienwirkung regelkonformen Verhaltens auch im steuerlichen Bereich weiter angeregt. Der Anwendungserlass (AEAO) zu § 153 AO v. 23. Mai 2016 besagt wörtlich: „Hat der Steuerpflichtige ein innerbetriebliches Kontrollsystem eingerichtet, das der Erfüllung der steuerlichen Pflichten dient, kann dies ggf. ein Indiz darstellen, das gegen das Vorliegen eines Vorsatzes oder der Leichtfertigkeit sprechen kann, jedoch befreit dies nicht von einer Prüfung des jeweiligen Einzelfalls.“ Allerdings hat das BMF offen gelassen, was man unter einem „innerbetrieblichen Kontrollsystem“ (IKS) versteht.
Erstmals hat der deutsche Gesetzgeber mit der seit dem 01.01.2020 geltenden GoBD eine Definition für ein IKS geliefert. Die Einrichtung eines IKS liegt in der Organisationsverantwortung der Geschäftsleitung, denn diese trägt die straf-, ordnungswidrigkeits- und zivilrechtliche Verantwortung für das rechtmäßige Verhalten der Gesellschaft (Legalitätspflicht). Nach der Rechtsprechung hat die Geschäftsleitung den Betrieb daher in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Rahmenbedingungen zu organisieren, um sich nicht dem Vorwurf eines Organisationsverschuldens, d. h. eines Unterlassens gebotener Handlungen, auszusetzen. Es ist mittlerweile gängige Rechtsprechung, dass die Geschäftsleitung seiner Organisationspflicht bei entsprechender Gefährdungslage nur genügt, wenn es eine auf Schadensprävention und Risikokontrolle angelegte Compliance-Organisation errichtet.
Unterlässt sie dies, sieht sie sich nicht nur der permanenten Gefahr ausgesetzt, persönlich für Steuern haften zu müssen, sondern darüber hinaus auch aufgrund einer Aufsichtspflichtverletzung zu einem Bußgeld nach § 130 OWiG herangezogen zu werden. Von der Gesellschaft droht ihr aufgrund eines Organisationsverschuldens eine Inanspruchnahme auf Schadensersatz. Erstmalig hat der Gesetzgeber mit den GoBD die Forderung für die Installation eines internen Kontrollsystems beschrieben und die Rechtsunsicherheit gemildert:
Für die Einhaltung der Ordnungsvorschriften des § 146 AO hat der Steuerpflichtige Kontrollen einzurichten, auszuüben und zu protokollieren. D.h., dass außersteuerliche Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten, die für die Besteuerung von Bedeutung sind, auch für steuerliche Zwecke zu erfüllen sind.
Hierzu gehören beispielsweise:
- Schutzmaßnahmen gegen die beabsichtigte und unbeabsichtigte Verfälschung von Programmen, Daten und Dokumenten
- Zugangs- und Zugriffsberechtigungskontrollen auf Basis entsprechender Zugangs- und Zugriffsberechtigungskonzepte
- Funktionstrennungen
- Abstimmungskontrollen bei der Dateneingabe
- Verarbeitungskontrollen
- Erfassungskontrollen (Fehlerhinweise, Plausibilitätsprüfungen)
Die konkrete Ausgestaltung des Kontrollsystems ist abhängig von der Komplexität und Diversifizierung der Geschäftstätigkeit und der Organisationsstruktur sowie des eingesetzten IT-Systems. Im Rahmen eines funktionsfähigen IKS muss auch anlassbezogen (z. B. Systemwechsel) geprüft werden, ob das eingesetzte IT-System tatsächlich dem dokumentierten System entspricht. Die Beschreibung des IKS ist Bestandteil der Verfahrensdokumentation. Soweit eine fehlende oder ungenügende Verfahrensdokumentation die Nachvollziehbarkeit und Nachprüfbarkeit nicht beeinträchtigt, liegt kein formeller Mangel mit sachlichem Gewicht vor, der zum Verwerfen der Buchführung führen kann.
Aufgrund der signifikanten Auswirkungen für die tägliche Arbeit bedarf es der Erläuterung der erweiterten Mitwirkungspflichten bei Unternehmen, die grenzüberschreitende Geschäftsbeziehungen unterhalten.
Steuerpflichtige, die grenzüberschreitende Geschäftsbeziehungen zu nahe stehenden Personen im Sinne von § 1 Abs. 2 AStG unterhalten, unterliegen im Hinblick auf Art und Inhalt der Geschäftsbeziehungen bzw. der damit in Zusammenhang stehenden Sachverhalte und Vorgänge einer besonderen Dokumentationspflicht. Sie ist Bestandteil der erhöhten Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen nach § 90 Abs. 3 Satz 5 AO. Art, Inhalt und Umfang der Aufzeichnungen werden durch die Gewinnabgrenzungsaufzeichnungsverordnung (GAufzV) geregelt. Sie gilt auch für Geschäftsvorfälle zwischen Stammhaus und Betriebsstätte und für die Gewinnermittlung von Personengesellschaften, an denen Steuerpflichtige beteiligt sind.
Es muss ersichtlich sein, welche Sachverhalte im Einzelnen verwirklicht wurden und ob bzw. inwieweit den Geschäftsbeziehungen Bedingungen (einschließlich Preise) zugrunde liegen, die dem sog. Fremdvergleichsgrundsatz entsprechen. Die Aufzeichnungen müssen das ernsthafte Bemühen des Steuerpflichtigen erkennen lassen, dass er seine Geschäftsbeziehungen unter Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes gestaltet (hat). Dazu sind neben einer anzufertigenden Funktions- und Risikoanalyse auch die gewählte Verrechnungspreismethode zu dokumentieren und um relevante Markt- und Wettbewerbsverhältnisse sowie Vergleichsdaten zu ergänzen.
Falls eine Dokumentation fehlt, verspätet eingereicht wird oder aus nicht verwertbaren Aufzeichnungen besteht, gilt sie als nicht erstellt! Damit wird widerlegbar zu Lasten des Steuerpflichtigen vermutet, dass seine im Inland steuerpflichtigen Einkünfte höher als die von ihm erklärten sind. Soweit es zu einer Schätzung der Besteuerungsgrundlagen durch die Finanzbehörden kommt, kann diese den gesamten Schätzungsrahmen zu Ungunsten des Steuerpflichtigen ausschöpfen.
Die Verletzung von steuerlichen Pflichten kann verschiedene Sanktionen auslösen, wie:
- Zuschläge für die verspätete Abgabe von Steuererklärungen (§ 152 AO)
- Zuschläge bei fehlender oder verspäteter Vorlage einer Verrechnungspreis-Dokumentation im Sinne des § 90 Abs. 3 AO (§ 162 Abs. 4 AO),
- Zuschläge bei verspäteter Zahlung (Säumniszuschläge gemäß § 240 AO)
- Erhebung eines Verzögerungsgelds gemäß § 146 Abs. 2b AO
- Schätzungen von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 162 Abs. 1 und 3 AO
- Nachzahlungszinsen gemäß §§ 233a, 235 AO, • Zwangsgelder gemäß § 328 AO.
Adressat dieser Sanktionen ist mit Ausnahme von Zwangsgeldern, die sich auch gegen den gesetzlichen Vertreter eines Unternehmens direkt richten können, nur das steuerpflichtige Unternehmen selbst. Ziel muss es daher sein, die sanktionierten Pflichtverletzungen durch entsprechende Maßnahmen und Prozesse zu vermeiden.