Entscheidend für den wirtschaftlichen Austausch
Das Treffen des Bundeswirtschaftssenats Ende September hallt immer noch positiv nach. Vor allem das Networking zwischen der deutschen und mallorquinischen Wirtschaft hat die Teilnehmer nachhaltig beeindruckt. Auch Thorsten Gareis von der Firma Innoproc aus Lichtenfels war dabei. Er lobt die Innovationskraft Mallorcas, zeigt sich aber auch im Talk mit Willi-pedia Podcast-Creator Jörg Jung besorgt angesichts vieler Hürden, die der deutsche Mittelstand im eigenen Land zu bewältigen hat ...
Jörg Jung
Der Bundeswirtschaftssenat traf sich auf Mallorca. Wir haben jetzt schon sehr oft gehört, es waren sehr intensive, sehr positive Gespräche, auch Connections und natürlich sehr, sehr spannende Menschen, die da auch auf Mallorca zu Gast waren. Einer davon, mit dem reden wir jetzt. Und zwar mit Thorsten Gareis. Er ist von Innoproc. Hallöchen Herr Gareis, ich grüße Sie.
Thorsten Gareis
Hallo und vielen Dank für die Einladung.
Jörg Jung
Ja, gerne, gerne. Wir haben ja ein sehr, sehr spannendes Thema, über das wir jetzt reden dürfen. Denn ich habe mich da mal jetzt reinlesen dürfen. Innoproc, also bevor ich nach den ganzen Erfahrungen und Eindrücken aus Mallorca frage, muss ich natürlich jetzt erstmal fragen, Innoproc, was ist das überhaupt? Beschreiben Sie mal Ihr Unternehmen. Das ist ja der absolute Wahnsinn, was Sie hier so treiben aus Lichtenfels heraus.
Thorsten Gareis
Sehr gerne. Ja, wir sind seit zehn Jahren ein sogenannter "Procurement as a Service"-Dienstleister und bieten Lösungen für die Herausforderungen der Beschaffung in CAPEX-Projekten. Jeder, der schon mal gebaut hat oder bauen möchte, ist irgendwann mit der Komplexität von Lieferantenbeziehungen und mit technischen Anforderungen und Spezifikationen konfrontiert oder mit der Lieferantenauswahl und Bewertung, mit dem Risikomanagement etc. Und wir wollen als "Procurement as a Service"-Dienstleister von der Machbarkeitsstudie den Bauherren über das Vergabeverfahren während der Bauausführung bis hin zur Abnahme kommerziell, sprich aus Sicht der Beschaffung betreuen. Und das ist bis dato einzigartig. Ich habe mir hier dazu vor einigen Jahren die HOAI-Leistungsphase 7 zugrunde gelegt und habe versucht, die weiterhin zu professionalisieren, weil ich glaube, dass in solchen Investitionsprojekten der Wertbeitrag des Einkaufs eben nicht nur in Preisvergleichen und Vertragswesen zu sehen ist, sondern über den gesamten Bauprozess eben von der Machbarkeitsstudie bis hin zur Abnahme. Und das machen wir seit vielen Jahren. Und unsere Kunden kommen aus der Chemiebranche, aus der Pharmabranche, aus der Logistikbranche, sind überwiegend die Bauherren, aber gerne auch der Projektentwickler an sich.
Und ja, wir haben uns relativ klassisch mittelständisch entwickelt. Wir haben pro Jahr ein Vergabewolumen von ca. 950 Millionen Euro. Aus den Kostengruppen 200 bis 800. Da sind natürlich dann alle Baugewerke mit dabei, alle TGA-Gewerke, Infrastruktur etc. und sind tatsächlich hier Nischeanbieter im Bereich der Beschaffung und haben natürlich integrierte Beschaffungslösungen zusätzlich noch entwickelt, die das Leben in der Beschaffung von Baugewerken etwas einfacher machen.
Jörg Jung
Jetzt lese ich bei Ihnen das Stichwort Lieferketten. Da klingeln bei mir diverse EU-Verordnungen. Also sind Sie da auch mit tangiert mit Lieferketten-Gesetzen? Also wie strukturiert sich das bei Ihnen denn?
Thorsten Gareis
Ja, das Thema Lieferkettengesetz ist noch ein bisschen außen vor, weil wir überwiegend unsere Vergaben an deutsche Bauunternehmen vergeben. Lieferketten insoweit, als dass wir Materialien aus Asien beziehen. Ja, das ist natürlich ein Thema, gerade wenn es darum geht, das Thema resiliente Lieferketten zu thematisieren oder eben auch Klimaresilienz. Ja, ich hatte dazu kürzlich referiert, da trifft Bürokratie auf Mittelstand, das mal so zu formulieren. Wenn man bedenkt, dass wir, wenn man auf die Lieferketten-Thematik, Klimaschutz mal eingeht, über das Pariser Klimaabkommen, über den Europäischen Green Deal, Fitfor 55 Paket, das Lieferketten-Sorgfalts-Pflichtengesetz, deren Namen schon ein Zungenbrecher ist, diskutieren muss. Dann ist das für den Mittelstand oder für Bauherren etc. natürlich sehr bürokratisch und langwierig, sich mit diesen Themen zu befassen, vor dem Hintergrund, dass Mittelständler in der Regel keine Abteilung an sich besetzen, die sich mit diesem Thema beschäftigt.
Jörg Jung
Jetzt sind Sie Mittelstand, Sie arbeiten mit dem Mittelstand, das sind Ihre Kunden. Dann natürlich auch die Frage an Sie, wie geht es denn dem deutschen Mittelstand?
Thorsten Gareis
Ja, ich würde mal sagen, durchwachsen. Man muss schon etwas differenzieren. Ich tue mich da immer ein bisschen schwer, den pauschalen Ansatz zu fahren. Es ist wohl so, dass die wirtschaftliche Situation in Deutschland zwischen 2021 und 2024, würde ich mal in den Raum stellen wollen deutliche Unterschiede zwischen den Ballungsräumen und den ländlichen Gegenden darstellt. Wir haben beispielsweise Städte wie Berlin oder München und Hamburg, die haben sich nach dem pandemiebedingten Einbruch relativ schnell erholt, unterstützt durch Digitalisierung und technologischen Fortschritt. Allerdings ist es auch da so, dass hohe Energiepreise und gestiegene Lebenshaltungskosten ab 2023 gefühlt das Wachstum reduziert hat. Das Thema Arbeitslosigkeit würde ich als niedrig einschätzen wollen. Dort wird auch in Infrastruktur, was uns natürlich als Innoproc wichtig ist, auch investiert. Ländliche Gegenden wiederum haben natürlich mit den negativen wirtschaftlichen Entwicklungen zu kämpfen. Die steigenden Kosten durch die Inflation, auch die Energiepreise, landwirtschaftliche Betriebe, energieintensive Betriebe, eine geringe Digitalisierung verschärfen natürlich die wirtschaftliche Ungleichheit zwischen Stadt und Land. Wenn ich weiter ausführen darf, es ist dringend an der Zeit ein vollumfängliches Wirtschaftspaket zu verabschieden, um die hohen Energiekosten, die durch die Energiewende und den Ausstieg aus der Kernenergie und den fossilen Brennstoffen verursacht wurden, zu beheben. Ja, wir benötigen dringend Investitionen in erneuerbare Energien, ja, und in die entsprechenden Technologien wie beispielsweise Wasserstoff. Und ich glaube, wir brauchen auch eine Reform des erneuerbaren Energiegesetzes zur Stabilisierung der Strompreise.
Den Mittelstand treibt natürlich immer das gleiche Thema. Das sind das ist einmal der Bürokratieabbau, die Vereinfachung von Genehmigungsverfahren, die auch uns betreffen in der Investitionsgüterbeschaffung, wenn wir bedenken, wie viele Jahre die Realisierung eines Baus benötigt, beispielsweise in Hamburg, da gibt es eine spezielle Brücke, die neu gebaut werden soll. Fertigstellung 2046. Und man fragt sich, wie Deutschland aus dieser Krise herauskommen soll, wenn denn vereinfachte Genehmigungsverfahren nicht realisierbar sind, wenn denn Fachkräfte fehlen, wenn denn Bildungsreformen nicht umgesetzt werden. Wenn dann keine, eben keine Zuwanderung qualifizierter Arbeitskräfte aktuell möglich ist in Bezug auch auf die Anerkennung von Abschlüssen. Wir reden viel in der Politik. Ich habe das Gefühl, dass wir wenig auf die Bahn bringen, verabschieden, tun. Allerdings bin ich natürlich auch nur Mittelständler, der in seiner Welt aktiv ist. Allerdings spüre ich nichts von dem vermeintlichen Fortschritt und von dem Breitbandausbau und Digitalisierung und etc. Vielleicht irre ich mich da aber auch.
Jörg Jung
Aber die anschließende Frage ist natürlich die, wie jetzt der klassische Mittelständler zum Beispiel, wie Sie auch die aktuelle politische Situation sieht. Wir haben ja ordentlich Treiben. Eine Grünen-Spitze tritt zurück. Wir haben einen Kanzlerkandidaten der Union, er heißt Friedrich Merz. Man weiß nicht, wie es so richtig weitergeht. Mit welchen Gefühlen schauen Sie denn aktuell die politischen Nachrichten in Deutschland?
Thorsten Gareis
Mit großer Sorge und großer Unsicherheit. Ich möchte mich nicht in die Diskussion bringen. Es ist, glaube ich, momentan wichtig, die tatsächlichen Probleme zu sehen und die auch anzugehen und zu treiben. Meine Sorge, die ich habe, dass die Abwanderung, die tatsächlich stattfindet, die vielleicht zu wenig medial aufgearbeitet wird, die findet statt. Und meine Sorge ist, dass die weitergeht. Wir haben nach wie vor in den letzten Monaten einen Anstieg der Insolvenzen zu verzeichnen. Wir brauchen Sicherheit. Der Mittelstand braucht Sicherheit. Das ist Aufgabe der Politik, die zu schaffen. Das Thema Wirtschaft erledigt der Mittelstand.
Jörg Jung
Jetzt kommen wir nach Mallorca, das ist natürlich aus Deutschland heraus. Anschließende Frage natürlich. Wird die Internationalität für den deutschen Mittelstand entsprechend auch immer wichtiger?
Thorsten Gareis
Ja gut, Internationalität für den deutschen Mittelstand war immer wichtig. Politisch heißt es diversifizieren aufgrund beispielsweise geopolitischer Risiken. Wir wissen aber alle und auch die entsprechende Politik, dass wir fest an die Zusammenarbeit mit Asien stehen müssen. Selbst die Chef-Diplomaten im Außenwirtschaftsministerium der vergangenen Jahre sind mit offenen Armen und offenen Händen in die entsprechenden Länder gereist und haben Partnerschaften gegründet, besiegelt, vorangetrieben. Und das hat Deutschland stark gemacht. Und das hat auch den deutschen Mittelstand getrieben, in dem man eben mit Ländern aus Asien, mit Südamerika, mit Afrika und so weiter Business getrieben hat. Und es ist tatsächlich meine Sorge, dass Diversifizierung als Abgrenzung gesehen wird und wir unter uns Europäern zukünftig und stärker aufstellen sollen / müssen, vor allen Dingen, wenn man überlegt, wer das letzten Endes bezahlt. Ich bekomme für unsere Dienstleistung den Euro eben nicht mehr, nur weil wir unsere NAP-unternehmer in Europa beauftragen, für Materiallieferungen beispielsweise. Und es ist immer eine Frage des Geldes. Umso schneller wird auch eine Diversifizierung beispielsweise funktionieren.
Jörg Jung
Jetzt kommen wir natürlich nach Mallorca. Es gab ja das Treffen des Bundeswirtschaftssenats. Sie waren da auch mit dabei. Wie effektiv ist denn zum Beispiel dann so ein Treffen auf Mallorca, wo man auch die mallorquinische Wirtschaft mal kennengelernt hat, wo man sich auch untereinander besser verknüpfen wollte? Also kleines Fazit von dem BWS-Wochenende auf Mallorca für Sie.
Thorsten Gareis
Ja, also solche Veranstaltungen sind natürlich ganz hervorragende Möglichkeiten, um zu netzwerken. Vor allen Dingen, wenn Herr Plattes die Senatsmitglieder und die Auslandsrepräsentanten des deutschen Mittelstandes nach Mallorca einlädt, dann stehen natürlich da 100 Unternehmer zusammen, Wirtschaftsakteure und gehen in den Austausch von Ideen und fördern Projekte. Und es ist natürlich ein absolutes Highlight gewesen, dass auch der mallorquinische Wirtschaftsminister zugegen war und auch der Tourismusvorsitzende der Regierung in seiner Ansprache auch betonte, dass der Tourismus nach wie vor die treibende Kraft der Inselwirtschaft ist und natürlich auch gleichzeitig Wert auf die einzigartige Landschaft von Mallorca als zentrale Bedeutung wertet. Und das zeigt die Verantwortlichkeit und die Verantwortung, die aktuell die Regierung auf Mallorca übernimmt und das zeigt auch der Technologie-Park ParcBit, zu dem wir mit einem Bus gefahren sind und wo wir von Herrn Gonzalez empfangen worden sind, wo uns einfach auch die Innovationskraft Mallorcas auch gezeigt wird und ich für mich habe festgestellt, dass das auch eine ganz andere Welt, eine unbekannte Welt war von Mallorca, die ich so noch nicht kannte. Mallorca kennt man als Insel, als Urlaubsinsel, Kultur, Natur, aber eben nicht als Innovationszentrum. Und da hat sich meine Meinung tatsächlich etwas geändert. Und natürlich sind solche Treffen dann immer entscheidend, um sich auszutauschen wirtschaftlich, über die Politik zu sprechen etc.
Jörg Jung
Dann bedanke ich mich recht herzlich bei Thorsten Gareis, spannendes Themenfeld. Ich bedanke mich recht herzlich.
Thorsten Gareis
Vielen Dank und Grüße zurück nach Mallorca.
Autor: Jörg Jung /Mitarbeit: C. Schittelkopp
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