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"Jeder hat eine Verantwortung für das Gemeinwesen"

Der Hamburger Unternehmer Michael Otto machte den Otto-Versand zu einem Weltkonzern. Beim Wirtschaftsforum NEU DENKEN bekam er dafür – und für sein gesellschaftliches Engagement – eine Ehrung. Die Mallorca Zeitung sprach mit ihm.

19. Juni 2025

Michael Otto könnte als Prototyp des hanseatischen Kaufmanns durchgehen. Der 82-jährige Ehrenvorsitzende des Aufsichtsrats der Otto Group – jenes Unternehmens, das mit dem Otto-Katalog berühmt wurde – gilt als geradlinig, verlässlich, mit hohen ethischen Ansprüchen und stark ausgeprägtem ökologischem Gewissen. Dafür wurde der Unternehmer jetzt beim Wirtschaftsforum NEU DENKEN der PlattesGroup im Castillo Hotel Son Vida geehrt.

Sie haben gerade in Ihrer Danksagung ein eindrückliches Bild benutzt. Die Natur muss genau wie die Demokratie gepflegt werden, sonst stirbt sie ab. Sind Naturschutz und die Bewahrung der Demokratie die großen Herausforderungen unserer Zeit?
Es ist entscheidend, dass wir erkennen, wie wichtig Vielfalt ist. Sowohl für eine funktionierende Demokratie als auch für die Biodiversität. Das Artensterben hat ein beachtliches Tempo aufgenommen. Da müssen wir dagegenhalten. Das Gleiche gilt für die Demokratie. Wir müssen wieder versuchen, offene Diskurse zu pflegen. Wir müssen sprechen und zuhören. Man muss die Meinung des anderen nicht übernehmen, aber man sollte bereit sein zu akzeptieren, dass es andere Sichtweisen gibt. Das muss wieder auf breiter Basis geschehen.

Beim Wirtschaftsforum war viel die Rede von Donald Trump. Sehen Sie sich als einen unternehmerischen Gegenentwurf zu Trump?
Wir sehen, dass Herr Trump, und das ist beachtlich für eine einzelne Person, eine ganze Weltstruktur erschüttern kann. Dass er Institutionen, die die USA mitgegründet und -entwickelt haben, mit einem Federstrich streicht und Mitarbeiter entlassen werden. Dass er das Welthandelssystem völlig durcheinanderbringt, sich nicht mehr an Regeln hält. Das ist eine bedenkliche Entwicklung – in der größten und mächtigsten Demokratie der Welt. Bei der Sustainability Conference in Hamburg Anfang Juni war der Globale Süden stark vertreten. Ich habe dort mit vielen Vertretern gesprochen und den Eindruck gewonnen, dass sie die Auffassung vertreten, jetzt muss dagegengehalten werden. Wir müssen gerade jetzt nachhaltig wirtschaften und Regeln einhalten. Denn nur wenn wir feste Regeln haben, investiert auch die Privatwirtschaft. Ich habe den Eindruck, da gibt es eine richtige Gegenbewegung zu Trump.

Haben Sie das Gefühl, Sie als Unternehmer müssen Verantwortung übernehmen, wo gerade in der Politik einiges aus dem Ruder läuft?
Ich glaube, jeder hat eine Verantwortung für unser Gemeinwesen. Unternehmer haben mehr Möglichkeiten und damit mehr Verantwortung. Erfreulicherweise gibt es eine ganze Menge Unternehmerinnen und Unternehmer, die sich engagieren. Man kann nur hoffen, dass es immer mehr werden und dass wir vom Reden ins Handeln kommen und so auch Druck auf die Regierungen ausüben können, damit die Rahmenbedingungen stimmen.

An welchem Punkt steht Deutschland da mit der neuen Regierung?
Im Koalitionsvertrag sind einige Dinge gut und richtig angesprochen worden: vom Energiepreis bis zum Bürokratieabbau und der Beschleunigung von Genehmigungen. Auf dem Papier geht vieles in die richtige Richtung. Es muss nun schnell umgesetzt werden, denn die Menschen müssen sehen, dass sich etwas tut.

Wie kann in diesen Zeiten die soziale Marktwirtschaft verteidigt werden?
Vor allem durch fairen Wettbewerb. Und hier wurde in den USA zumindest unter Herrn Biden begonnen, die großen Digitalkonzerne, die teilweise Monopolposition haben, einzudämmen und gegebenenfalls zu zerschlagen. Jetzt wird man sehen, wie das unter Trump weitergeht. Diese Konzerne buhlen ja mit großen finanziellen Geschenken um ihn. Entscheidend aber ist der Wettbewerb. Monopole müssen vermieden werden, es braucht faire Wettbewerbsbedingungen für alle. Das gilt in Europa vor allem im Hinblick auf die chinesischen Anbieter. Ich denke da an Shein und Temu. Wenn die unsere Sicherheitsstandards nicht einhalten – bei Elektrogeräten, bei gefährlichen Chemikalien in Spielwaren oder Kinderkleidung –, dann muss dagegen gehandelt werden. Das kann man nicht nur zur Kenntnis nehmen und bedauern. Sonst kriegen wir eine Wettbewerbsverzerrung, die vielen kleinen Einzelhändlern Probleme bereitet bis hin zum Konkurs. Standards, die für europäische Unternehmen gelten – keine Kinderarbeit und keine Sklavenarbeit –, müssen auch dort gelten.

Sie haben 1972 den Bericht des Club of Rome über die Grenzen des Wachstums gelesen und haben recht schnell Umweltkriterien in Ihrem Unternehmen eingeführt. Wie war das damals?
In den 1970er-Jahren wurde ich von Unternehmerkollegen belächelt als grüner Spinner. Heute machen sich tatsächlich viele Unternehmer Gedanken über nachhaltiges Wirtschaften. Man muss eben erklären, dass wir unsere Lebensgrundlage beschädigen, wenn wir die Biodiversität nicht erhalten.

Klimawandel und Artensterben schreiten dennoch rasant voran. Wie behalten Sie Ihren Optimismus nach 50 Jahren Engagement?
Man braucht viel Geduld, auch wenn man nah am Verzweifeln ist. Es ist ein Bohren dicker Bretter, aber es hat sich vieles zum Guten entwickelt. Weltweit hat sich die Armut in den vergangenen 50 Jahren halbiert. Das Fischesterben ist nicht nur gestoppt, sondern die Bestände nehmen wieder zu. Auch an den blauen Himmel über dem Ruhrgebiet oder dass Flüsse wieder sauberer werden, hat niemand geglaubt.

Bei einem Online-Versandhandel fällt einem nicht zuerst das Stichwort Nachhaltigkeit ein. Man denkt landläufig, die Paketzustellung ist wenig nachhaltig. Wie sehen Sie das?
Wenn viele Menschen zu einem Einzelhändler fahren, ist das deutlich umweltschädlicher. Es gibt Studien dazu, die das zeigen. Da hat man teilweise nicht einmal eingerechnet, dass ein stationärer Laden auch gebaut und mit Energie versorgt werden muss.

Was tun Sie, um die vielen Rücksendungen zumindest einzudämmen?
Das beginnt bei einer guten und passgenauen Beschreibung des Produkts, der Abbildung. Das geht heute technisch sehr gut: das Kleid von allen Seiten sehen, mit Zoom heranholen, das Gewebe anschauen. Es ist, als ob man es anfasst. Die Fragen beantworten. Und Anreize schaffen dafür, dass es keine Retouren gibt. Da gibt es eine Reihe von Maßnahmen. Gleichzeitig ist es wichtig, dass die Käufer die Möglichkeit haben, ein Stück zurückzugeben. Das geht ja im stationären Geschäft auch. Die Waren sollten aber nur bei echten Problemen zurückgeschickt werden dürfen.

Bei NEU DENKEN ist viel von Impact Investment die Rede. Vereinfacht gesagt geht es dabei darum, mit finanzieller Rendite in das Allgemeinwohl zu investieren. Wie stark ist die Otto Group auf diesem Feld engagiert?
Wir haben bereits vor 15 Jahren den ersten Startup-Fonds gegründet, mit dem wir heute in fünf Ländern vertreten sind. Und wir haben Project A in Berlin ins Leben gerufen, das im Tech-Sektor in frühe Gründerphasen investiert.

Warum ist Impact Investment Ihrer Meinung nach die Zukunft?
Es sind zwei Dinge: Man kann damit gutes Geld verdienen. Das Zweite ist, dass wir damit die Probleme schneller lösen. Deshalb sollte auch die öffentliche Hand viel mehr mitmachen. Aber wenn ein Unternehmen nicht die passende Performance hatte in den letzten fünf Jahren, kriegt es bei einer Ausschreibung von vornherein gar keinen Auftrag. Das ist falsch, gerade Start-ups brauchen häufig Hilfe.

Welche Beziehung haben Sie zu Mallorca?
Mein Vater hatte ein Haus auf Mallorca, aber das haben wir mittlerweile verkauft. Wir haben auf Ibiza eine Finca. Die Insel kenne ich seit Ende der 50er-Jahre. Mallorca ist landschaftlich die schönere, Ibiza für mich aber die persönlichere und charmantere Insel. Ich habe erst dieser Tage eine dreistündige Wanderung gemacht und keine Menschenseele getroffen außer einem Bauern.

Mallorca Zeitung, Ausgabe: 19. Juni 2025. Das Interview führt MZ-Redakteur Johannes Krayer

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