Ist Künstliche Intelligenz ein Jobkiller? Sybille Reiß im Interview

„Will AI Kill Thousands of Jobs?“ – oder eröffnet künstliche Intelligenz neue Chancen für sinnstiftende Arbeit? In dieser Podcastfolge spricht Timothea Imionidou, Podcast Producerin der PlattesGroup, mit Sybille Reiß, Personalvorständin der TUI Group. Als Verantwortliche für über 70.000 Mitarbeitende bei einem der größten Touristikunternehmen der Welt gilt sie als Fürsprecherin einer Arbeitswelt, die Innovationen nicht nur als Floskel sieht.
Sybille Reiß teilt ihre Einschätzung, wie KI den Arbeitsalltag verändert, welche Jobs verschwinden, welche neu entstehen und warum Qualifizierung und lebenslanges Lernen der Schlüssel für Beschäftigungsfähigkeit sind.
Die Folge beleuchtet auch, wie Unternehmen die Angst vor Automatisierung nehmen und ihre Mitarbeitenden befähigen können, Technologien selbst auszuprobieren. Reiß erklärt, wie sie bei TUI mit Betriebsräten, HR-Teams und Technologieexperten zusammenarbeitet, um eine positive, zukunftsorientierte Haltung zu schaffen – und welche Erwartungen sie an Führungskräfte in einer digitalen, flexiblen Arbeitswelt hat.
Sybille Reiß war Referentin beim 8. Wirtschaftsforum NEU DENKEN. Sie wollen 2026 dabei sein? Hier geht's zur Anmeldung.
PlattesGroup auf Social Media
Die PlattesGroup ist neben TikTok auch auf LinkedIn vertreten. Außerdem posten wir aktuelle News sowie Reels und Shorts auf Instagram und Youtube Shorts.
Darüber hinaus sind wir mit unseren Podcasts auf allen gängigen Plattformen zu finden, wie Spotify und Apple Podcasts.
Unsere Podcasts gibt es nicht aber nur zum Anhören, sondern auch zum Ansehen, und zwar auf unserem Youtube-Kanal.
Zusammenfassende Informationen erhalten Sie darüber hinaus im Zwei-Wochen-Rhythmus in unserem kostenlosen Newsletter, der Mandantendepesche.
Timothea Imionidou
Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge unseres Podcasts. Mein Name ist Timothea Imionidou, ich bin Podcast-Producerin bei der PlattesGroup.
Heute habe ich eine besondere Gesprächspartnerin, die sich mit der Arbeitswelt von morgen bestens auskennt: Sybille Reiß, Personalvorständin der TUI Group, einem der größten Touristikunternehmen der Welt. Sie verantwortet über 70.000 Mitarbeitende und gilt als klare Stimme für eine moderne, flexible Arbeitswelt.
Unser Thema: die Auswirkungen von künstlicher Intelligenz auf unsere Jobs. „Will AI Kill Thousands of Jobs?“ – oder eröffnet KI vielmehr neue Chancen für Arbeit, Sinn und Gestaltung?
Herzlich willkommen, Frau Reiß! Ich freue mich sehr, dass Sie heute mein Gast sind. Der Titel ist ja bewusst provokant: „Will AI Kill Thousands of Jobs“. Wie begegnen Sie als Personalvorständin diesem Spannungsfeld zwischen Automatisierung, KI und Arbeitsplatzsicherheit?
Sybille Reiß
Dieses Spannungsfeld existiert, keine Frage. Ich bin überzeugt, dass KI eine enorme Chance darstellt, auch wenn sie Jobs verändern wird. KI wird in alle Arbeitsbereiche Einzug halten – und das ist positiv. Wer heute WhatsApp oder Social Media nutzen kann, wird auch KI bedienen können. Es geht nicht mehr nur um Technologie, sondern um die Frage: Wie mache ich sie nutzbar? Aus HR-Perspektive sehe ich darin eine große Chance. Natürlich wird es Jobs in der heutigen Form künftig nicht mehr geben, aber es entstehen neue Möglichkeiten.
Sybille Reiß
Wenn ich an meine Arbeit vor 20 Jahren denke, war vieles repetitiv. Diese Aufgaben gibt es so nicht mehr – zum Glück. Heute können sich meine Kolleginnen und Kollegen komplexeren und kreativeren Themen widmen. Das ist eine enorme Chance, die wir nutzen sollten.
Timothea Imionidou
Aber besteht nicht auch die Gefahr, dass KI irgendwann auch kreative Jobs übernimmt?
Sybille Reiß
Sicher wird KI immer mehr können. Aber Persönlichkeit, das Menschliche, kann sie nicht ersetzen. Ich sehe es als meine Aufgabe, Mitarbeitende zu befähigen, KI selbst auszuprobieren. Natürlich gibt es Ängste: „Nimmt mir KI meinen Job? Mache ich mich arbeitslos?“ Darauf geben wir eine klare Antwort: Wir qualifizieren und befähigen – nicht, um Jobs abzuschaffen, sondern um die Menschen auf die Veränderungen vorzubereiten, die Fortschritt und Produktivitätszuwachs mit sich bringen.
Es geht darum, interessantere – wenn auch andere – Jobs zu schaffen.
Timothea Imionidou
Veränderung ist also nicht unbedingt etwas Negatives.
Sybille Reiß
Genau. Niemand steht morgens auf und bittet um Veränderung. Aber wichtig ist, sich ihr ohne Angst zu stellen. Das war mir ein Anliegen: den Stecker der Angst bei den Themen KI, Automatisierung und Machine Learning zu ziehen.
Timothea Imionidou
Die Angst um den Arbeitsplatz ist ja sehr präsent.
Sybille Reiß
Richtig. Wir haben diese Angst gemeinsam mit den Betriebsräten adressiert. Wir setzen Leitplanken, lassen aber bewusst Raum zum Ausprobieren. Das schafft Lust, senkt Hemmschwellen und führt oft zu der Frage: „Warum nutzen wir nicht noch mehr KI, wenn sie meinen Job erleichtert?“
Wir sehen drei Typen von Mitarbeitenden: Die Verantwortungsliebenden, die gerne delegieren – auch an KI. Die, die sich in ihre Arbeit vertiefen und Störfaktoren abgeben. Und die Entlastungssuchenden – zu denen zähle ich mich selbst – die sagen: „Warum muss ich das machen, wenn es jemand oder etwas besser kann?“
Timothea Imionidou
Wie schaffen Sie es, bei all den technischen Innovationen den Menschen im Mittelpunkt zu halten?
Sybille Reiß
Indem wir Technologie und Arbeitswelt gemeinsam denken. Mein Kollege, der CIO, und ich haben früh damit begonnen, Technologie nutzbar zu machen.
Wir haben ein eigenes Labor gegründet, probieren Neues aus, und ich lasse mich regelmäßig technologisch auf den neuesten Stand bringen.
So entsteht eine echte Symbiose. Wir treten gemeinsam auf, sind glaubwürdig – und überzeugen so unsere Mitarbeitenden, mitzuziehen.
Timothea Imionidou
Das Verständnis von Arbeit hat sich stark verändert. Was wünschen sich Mitarbeitende von morgen?
Sybille Reiß
Die Wünsche sind klar: Beschäftigungsfähigkeit sichern und sich weiterentwickeln können. Qualifizierung ist entscheidend. Wir wollen, dass Mitarbeitende sich entwickeln können und ihr Potenzial ausschöpfen. Das ist ein wichtiger Grund, warum Menschen im Unternehmen bleiben. Ein weiteres Thema ist Flexibilität: Arbeitszeit und private Zeit müssen miteinander vereinbar sein. Gerade in der Touristik ist das nicht immer einfach – denken Sie an Piloten, Reisebüro- oder Hotelmitarbeitende. Aber wo Flexibilität möglich ist, soll sie auch genutzt werden. Sie ist unsere „Währung“ in der Touristik.
Timothea Imionidou
Flexibilität muss also auch vom Arbeitgeber gelebt werden.
Sybille Reiß
Genau. Führungskräfte müssen das vorleben. Mit Digitalisierung und Flexibilisierung steigt der Anspruch an Führung: Nähe zu den Mitarbeitenden schaffen, viel kommunizieren, auch über Distanz ein Gefühl von Zugehörigkeit – ein „Belonging“ – herstellen. Wir zeigen, dass internationale Zusammenarbeit erfolgreich funktioniert und Identität stiften kann – digital ebenso wie persönlich.
Timothea Imionidou
Was sagen Sie jungen Menschen, die fragen: „Lohnt es sich überhaupt noch, das zu lernen, wenn KI bald alles übernimmt?“
Sybille Reiß
KI wird nie alles übernehmen. Sie wird Arbeit verändern und erleichtern. Wichtig ist, zu verstehen, was Technologie kann und wie man sie nutzen kann. Adaptierbarkeit und lebenslanges Lernen sind der Schlüssel, um Veränderungen nicht nur zu meistern, sondern ihnen voraus zu sein. Das Angebot zur Qualifizierung kommt vom Arbeitgeber, aber die Verantwortung, es zu nutzen, liegt bei jedem einzelnen Mitarbeitenden.
Timothea Imionidou
Vielen Dank, Frau Reiß, für dieses inspirierende Gespräch.
Sybille Reiß
Sehr gerne. Vielen Dank für die Einladung!
Autorin: Timothea Imionidou / Mitarbeit: C. Schittelkopp