Oliver Bierhoff kommt zum Wirtschaftsforum NEU DENKEN
16. Mai 2024Sein Golden Goal sicherte Deutschland 1996 den dritten EM-Titel. Mit ihm als Teammanager wurde die Nationalmannschaft 2014 Weltmeister. Seit seinem DFB-Aus 2022 widmet sich der studierte Diplom-Kaufmann verstärkt dem Thema Finanzen. In der kommenden Woche nimmt der 56-Jährige am Wirtschaftsforum NEU DENKEN der PlattesGroup teil. Dort vertritt er das im vergangenen Jahr von ihm und dem Multi Family Office Finvia gegründete Finanzunternehmen Finvia Sports. Die Mallorca Zeitung sprach mit Oliver Bierhoff per Videoanruf.
Seit Ihrem DFB-Aus sind Sie nicht mehr ins Fußballgeschäft zurückgekehrt. Haben Sie damit abgeschlossen?
Das weiß man im Fußball nie. Nach 17 Jahren als Profi und 18 Jahren beim DFB habe ich mir Gedanken über die Zukunft gemacht. Da ich eine dritte Karriere angehen wollte, habe ich zunächst ein Engagement bei einem Verein ausgeschlossen. Daran wird sich in den nächsten Monaten nichts ändern. Wenn aber eine interessante Aufgabe mit interessanten Menschen kommt, kann ich mir auch ein Job bei einem Verein vorstellen.
Die „Sportbild“ hat Sie als Kandidat für den Posten des Sportvorstands beim HSV ins Spiel gebracht. Ist da was dran?
Das steht momentan nicht zur Debatte, da ich erst einmal meinen Weg in der Welt der Sportfinanzen weitergehen möchte.
Die deutsche Nationalmannschaft hat durch die zwei Länderspielsiege zuletzt wieder Euphorie bei den Fans entfacht. Ist die Durststrecke nun beendet?
Das hoffe ich natürlich. 2023 war ein schwieriges Jahr mit schlechten Ergebnissen. Durch den Schwung hat man nun Begeisterung und Hoffnung geweckt, die bestenfalls bis zur EM anhalten. Die Mannschaft hat hoffentlich verstanden, worauf es ankommt. Neben der individuellen Klasse sind mannschaftliche Geschlossenheit, Disziplin und Wille notwendig.
Was fehlt noch zum Sommermärchen?
2006 lässt sich schlecht wiederholen. Zumal eine EM noch einmal etwas anderes als eine WM ist. Der Grundstein ist aber gelegt. Fehlt nur noch das gute Wetter. Ein erfolgreiches Turnier schlägt sich dann auf die Stimmung im Lande um.
Sehen Sie Deutschland als Titelkandidaten?
Das wäre überzogen. Allerdings sehe ich keinen Favoriten. Deutschland hat alle Möglichkeiten und muss sich nicht verstecken. Frankreich, England, Spanien und Belgien sind mit international erfolgreichen Spielern gespickt und die großen Konkurrenten.
Eine derartige Euphorie bei den Fans fehlte zum Ende Ihrer Amtszeit beim DFB. Gibt es etwas, was Sie aus heutiger Sicht anders machen würden?
Ich hätte die generelle Vermarktungsmaschinerie der Nationalmannschaft herunterfahren müssen. Das wollte ich damals machen, habe es aber nicht konsequent genug durchgezogen. Es war auch schwer, weil es gleichzeitig finanzkräftige Sponsoren gab.
Stört so eine Vermarktung nicht die Konzentration einer Mannschaft?
Nein. Ich war seit 1996 bei allen großen Turnieren dabei. Für den Erfolg muss eine Mannschaft widerstandsfähig sein. Dann kann man auf einem Acker spielen und im Zelt schlafen. Und trotzdem würde man gewinnen. Nationalspieler müssen Widerstände überstehen können. Wenn der Erfolg aber ausbleibt, werden überall Ausreden und Erklärungen gesucht, die von den Medien weit hergeholt werden. Die Geschichte um Campo Bahía bei unserem WM-Sieg 2014 in Brasilien klänge ganz anders, wenn wir im Viertelfinale ausgeschieden wären. Dann war es eine Schnapsidee, viel zu weit weg, eine Stunde zum Flughafen, dann noch mit der Fähre, überhaupt zu viel Ablenkung, Unfälle beim Trainingslager. Wir wurden Weltmeister, und plötzlich redeten alle von einer tollen Atmosphäre.
Die Fußballer bekommen Millionen Euro hinterhergeworfen. Warum verarmen trotzdem immer wieder Spieler nach Karriereende?
Hinterhergeworfen finde ich keine passende Bezeichnung. Es gibt aber eine einfache Erklärung: keine Einnahmen, hohe Ausgaben. Manche Profis schaffen den Übergang in ein normales Berufsleben nicht. Die Jungs haben 15 Jahre nur Fußball gespielt. Sie sind das Leben als Profifußballer gewöhnt und womöglich nicht bereit, für ein normales Gehalt zu arbeiten. Viele Profis haben auch keinen Überblick über ihre Finanzen und wissen nicht, was auf dem Konto gerade los ist. Mit Finvia wollen wir den Sportlern bewusster machen, was mit ihrem Vermögen passiert.
Verdienen Fußballer nicht viel zu viel?
Kein Spieler geht mit der Pistole in eine Gehaltsverhandlung. Es sind Marktmechanismen. Sicherlich kann man das schlecht mit anderen Leistungssportlern oder anderen Berufen vergleichen. Auf der anderen Seite lockt der Fußball die Zuschauer und Sponsoren an. Und die Spieler sind die Hauptprotagonisten.
Zu welchen Investitionen raten Sie Sportlern?
Ich bin kein Anlagenberater und darf das daher nicht. Jeder Sportler hat seine Präferenzen und unser Ansatz ist, individuelle Lösungen zu präsentieren. Wichtig ist es, einen Überblick über den Ist-Zustand zu haben und zu wissen, wo die Reise hingehen sollte. Da wollen wir den Sportler an die Hand nehmen.
Gerade hier auf Mallorca investieren viele in Immobilien. Wären nicht auch Unternehmen eine Option? Rafa Nadal beispielsweise investiert in seine Tennisakademie und Hotels.
Die Grundregel ist, nicht alle Eier in ein Nest zu legen, sondern auf mehrere Strategien zu setzen. Manch einer bevorzugt Immobilien, ein anderer Aktien. Alternative Anlageklassen wie Private Equity sind ebenfalls interessant, oder auch Gold. Im Idealfall hat man eine gute Streuung. Wo Sie Nadal ansprechen: Es ist tatsächlich so, dass Sportler immer mehr unternehmerisch tätig werden. Da die Spitzenathleten in den vergangenen Jahren immer mehr verdienten, haben sie mehr Kapital zur Investition zur Verfügung.
Finvia bietet gleichzeitig anderen Anlegern an, in das Sportgeschäft zu investieren.
Sport wird immer mehr zu einem Asset, zu einer Kapitalanlage. Die US-Amerikaner sind Vorreiter. Finvia bietet die Anlagen etwa in Spielertransfers institutionellen Investoren an, will sie gleichzeitig aber auch anderen Anlegern öffnen.
Mit US-amerikanischen Investoren haben wir hier bei Real Mallorca schon Erfahrungen.
Nicht nur dort. In Italien gehören mittlerweile 40 Prozent der italienischen Vereine US-Amerikanern. Die sehen den Sport als Chance und investieren frühzeitig.
Was erhoffen Sie sich vom Wirtschaftsforum NEU DENKEN?
Ich habe immer Spaß daran gehabt, Menschen aus verschiedenen Branchen kennenzulernen. Ich habe gehört, es ist ein illustrer Kreis. Wenn man sich in solchen Sphären bewegt, erfährt man, wohin sich die Welt entwickelt.
Schauen Sie sich bei der Gelegenheit vielleicht auch nach einem Haus auf Mallorca um?
Ich kenne viele Leute, die das schon getan haben, und es wäre wahnsinnig schön. Allerdings habe ich schon ein zweites Haus in den Bergen.
Sie sind als Berater des American-Football-Teams New England Patriots tätig. Warum greift der Hype in Deutschland nicht auf die europäische Liga über?
Man will natürlich die großen Stars, die Helden sehen. Der Hype wird immer größer. Selbst mein Umfeld erzählt mir immer öfter, dass es sonntags die Spiele schaut. Im Endeffekt ist der Football in Europa noch nicht etabliert. Das ist vergleichbar mit dem Fußball in Saudi Arabien. Qualitativ können die mit der zweiten oder dritten Liga in Deutschland mithalten. Mit der Stimmung aber nicht.
Das Interview führten Ciro Krauthausen und Ralf Petzold von der Mallorca Zeitung.