Der Wendepunkt in der weltweiten Vermögensmigration! #1
Eine aktuelle Untersuchung des Beratungsunternehmens Henley & Partners zeigt: Im Jahr 2023 haben 128.000 Millionäre ihren Wohnsitz in ein anderes Land verlagert – eine historische Entwicklung in der globalen Vermögensmigration. Vor dem Hintergrund geopolitischer Spannungen, wirtschaftlicher Unsicherheiten und gesellschaftlicher Veränderungen suchen vermögende Privatpersonen zunehmend nach sicheren Standorten für ihre Vermögenswerte und strategischen Familien- und Unternehmensinteressen. Doch welche Antworten sollten Deutschland und Europa darauf geben?
In insgesamt zwei Teilen beleuchten Willi Plattes, CEO der PlattesGroup, gemeinsam mit Christian Kempges und Jens Bindung von Grant Thornton die deutsche Wegzugsteuer sowie attraktive steuerliche Anreize im Ausland.
Jörg Jung:
Ja, ein Private-Clients-Thema, die immer stärker werdende internationale Mobilität, aber teilweise auch mit vielen Kontroversen, vor allem was die deutsche Politik angeht. Wohin steuert Deutschland? Wohin steuert diesbezüglich Europa? Was müsste unternommen werden? Wir reden darüber. Unter anderem natürlich mit Willi Plattes, dem CEO der PlattesGroup, hier mit im Studio. Und zwei Gesprächspartnern von Grant Thornton, denen wir in den letzten Podcastfolgen auch sehr interessiert zugehört haben.
Zum einen unter anderem Jens Binding, Rechtsanwalt und Steuerberater bei Grant Thornton. Hallo Herr Binding und wieder einmal der Senior Manager von Grant Thornton, Christian Kempges. Stichwort eben schon erwähnt, Internationale Mobilität der Private Clients. Das ist ja fast ein Trend, aber Deutschland macht es sehr, sehr schwer. Deutschland hat Probleme. Nicht nur ganz Deutschland redet darüber, sondern auch das internationale Ausland. Und irgendwas muss ja passieren, weil die internationale Mobilität, sie wird ja immer mehr und wird ja auch immer umfangreicher, gerade auch in Europa und aus Europa hinaus.
Willi Plattes:
Auf alle Fälle lieber Jörg, wir haben eine Studie vorliegen und diese Studie sagt zum Beispiel etwas über die Mobilität von Millionären im Jahr 2023. Nicht nur reine Zahlen. Lieber Jens, könntest du dazu eine zusammenfassende Beurteilung mal machen, was das alles zu bedeuten hat, was für Gründe vorliegen wegen der Mobilität und wie sich die auswirkt?
Jens Binding:
Also was aus der Studie hervorgeht, ist natürlich und da sind wir alle sehr froh auch drüber, dass Deutschland noch von der Millionärsdichte her unter den Top drei steht auf der Welt. Das ist eine sehr gute Nachricht. Das sagt nämlich auch, dass das, was ja manchmal noch häufiger gesagt wird, dass alle weggezogen sind. Das ist eine Nachricht, die anscheinend nicht so ganz zutrifft. Sonst wären wir vielleicht von der Millionärsdichte über den USA und China gewesen, was ich von der Einwohnerzahl her, glaube ich, nicht vermuten würde. Dennoch muss man sehen natürlich, Internationale Mobilität, insbesondere bei unserem Mittelstand, ist ein sehr wichtiges Thema. Die Punkte der Geschäfts- und Investitionsmöglichkeiten, zum Beispiel mach ich einen neuen Geschäftsbereich auf, gehe ich in die USA, gehe ich in den Nahen Osten, gehe ich nach Asien in den Bereich. Gehe ich wahrscheinlich als Geschäftsführer auch mit, weil ich ja die Neuentwicklung mit begleiten will und schon das Thema Mobilität da, weil die Anteile mir als Geschäftsführer und Eigner der Gesellschaft meistens gehören und ich dann mit meinem GmbH-Anteilen, was ja meistens der Fall ist, über die Grenze gehe. Wenn ich über die Grenze gehe, steht dann immer unser Finanzminister mit einer offenen Hand da und will schon mal einen ordentlichen Satz Steuern haben. Gerade dieser Grenzüberschritt ist natürlich der Wunsch nach politischer Stabilität und Sicherheit.
In diesem Rahmen kann man auch die wirtschaftlichen Rahmenparameter fassen. Das heißt, kann ich meine Produktion in Deutschland überhaupt noch gewinnbringend durchführen lassen oder bin ich gezwungen, damit mein Unternehmen weiterhin besteht und weiterhin Weltmarktführer in dieser Nische ist, darüber sprechen wir beim deutschen Mittelstand, in ein anderes Land bringen, wo vielleicht meine Produktionskosten gesenkt werden. Bildung und Gesundheitswesen ist ein weiterer wichtiger Punkt, weil natürlich, wenn ich ein produzierendes, ein Dienstleistungsgewerbe bin, eines der wichtigsten Dinge, die ich habe, sind meine Mitarbeiter, ist die Qualifikation meiner Mitarbeiter. Habe ich das langfristig gesichert oder gibt es vielleicht Länder, wo das etwas besser ist, wo ich mehr Mitarbeiter generieren kann? An dieser Stelle möchte ich noch mal darauf hinweisen, dass ich jetzt nicht bin wie unsere Fußballexperten im ZDF, die ja über Fußballmaterial gesprochen haben. So weit geht man nicht. Aber natürlich guckt man auf die Ressource Mensch. Das ist ja sehr wichtig. Digitalisierung und Remote-Work, ich glaube, das wissen wir alle, seit Corona mal stattgefunden hat, ist ein sehr wichtiger Punkt. Auf einmal schaffe ich es auch mal, ein Unternehmen aus einem Land, einem Land heraus zu managen. Vielleicht bin ich ja privat auch in einem anderen Land verbunden, sei es durch eine neue Liebe, sei es, dass meine Kinder dort studieren. Ich möchte in der Nähe meiner Kinder sein. Natürlich kann ich das Management meiner Gesellschaft heutzutage durch all die Technik und durch die Erziehung, die auch Corona mit sich gebracht hat, vielleicht aus einem anderen Land heraus machen. Dann gehe ich auch über die Grenze. Und last but not least, aber die Themen sind bei weitem nicht so attraktiv, wie man sich das so vorstellt, gibt es vielleicht noch den einen oder anderen, der auch über eine steuerliche Optimierung nachdenkt? Da gibt es ein paar Punkte, da können wir vielleicht später noch kurz dazu kommen, was in Europa überhaupt los ist und dann werden wir sehen, dass gar nicht mehr so viel los ist. Also dieser Punkt ist wahrscheinlich gar nicht mehr so in den Köpfen vorhanden. Es sind viel mehr die wichtigen Punkte, die ich vorher genannt habe. Wenn man da mal ein Stückchen weiter geht und das dann mal betrachtet, wie die Studie von Henley & Partners uns das mitgibt, könnte man ja meinen, dass Deutschland ein top Immigrationsland für Millionäre ist.
Als wir uns die Studie, Christian, das erste Mal angesehen haben, waren wir ein wenig überrascht tatsächlich an dem Punkt, weil wir schon das Gefühl hatten, wenn man das täglich liest und hört, dass wir ein großes Abwanderungsland sind. Aber Deutschland schafft es, obwohl es auf Platz drei ist mit der Millionärsdichte, nicht mal in die Top zehn der Immigration. Ich finde, diesen Punkt muss man mal ganz wichtig auch mit nach vorne nehmen, dass dieses Wegzugsthema eigentlich ein reines wirtschaftliches Thema ist, weil ich mich nach Rahmenparametern richten muss, aber gar nicht in der Dichte, wie es vielleicht zum Beispiel die Wegzugsbesteuerung vom Gesetzestext her so denkt, damit, wenn jemand mein Land verlässt, ich auf jeden Fall meine Steuern bekomme, bevor es woanders verkauft ist. Also von den Zahlen her gar nicht der Fall.
Willi Plattes:
Also Tendenz ist letztendlich, man will in Deutschland bleiben und der Waffenschrank, der von Christian Lindner da gefüllt worden ist, das ist gar nicht das Riesenthema. Die Angst, dass die Mittelständler abhauen, steuergetrieben abhauen, ist an sich nicht vorhanden, sondern es sind andere Faktoren, die entscheidend sind.
Jens Binding:
Ja, man muss bei diesem Gesetz, ist ja mal ganz schön beim Gesetz über die Historie betrachten, warum kam es? Diese Wegzugsbesteuerung ist eingeführt worden 1968.
Willi Plattes:
Lex Horten
Jens Binding:
Ja, Lex Horten genau. Da ist einer in die Schweiz verzogen, ist ein wunderschönes Land, hat einen sehr guten Bildungsstand, herausragendes Essen, sehr schöne Seen, sehr schöne Berge. Und in diesem Moment ist dann aufgefallen, der Schweizer hätte dann nachher die Veräußerung den Gewinn daraus besteuern dürfen. Das hat zu einem Aufschrei geführt, schon 1968. Und daraufhin hat man sich überlegt, gut, dann mache ich das jetzt anders. Dann sage ich, wenn du, lieber Unternehmer, mit deinen Anteilen über die Grenze gehst, dann will ich schon mal den Wertzuwachs, den du seit Gründung selber durch deine eigene Arbeit erreicht hast, die will ich schon mal besteuern, weil du bist ja in meiner Region groß geworden. Ich habe dir die Infrastruktur gegeben und deswegen ist es da nicht fair, wenn du einfach über die Grenze gehst und da verkaufst und dann in der Schweiz Steuern zahlst und nicht hier.
Willi Plattes:
Ja, ich glaube, das ist ja auch richtig so, weil die Wertschöpfung ist ja in Deutschland geschehen. Und wenn ich jetzt das Besteuerungsrecht verliere, dass Deutschland dann für das, was Deutschland zur Verfügung gestellt hat, um diese Wertsteigerung, diese Wertschöpfung zu erreichen, dass man da einen Anteil haben will. Also finde ich an sich gerecht.
Jens Binding:
Ich bin da völlig bei dir, weil natürlich auch das Unternehmen in einem Land groß geworden ist, was ja ein Bildungsapparat bezahlt. Wir haben immer noch sehr gut ausgebildete Kinder. Wir sind das Land der Denker und Dichter. Und ich glaube auch noch dran, dass wir dieses Land sind, auch wenn es manchmal anders dargestellt wird. Aber ich habe selber ein Kind, das geht den Kindergarten, es bringt eine super Betreuung mit sich. All das muss bezahlt werden. Und all das führt ja auch dazu, dass jemand sein Unternehmen aufbauen kann. Da bin ich bei dir, das ist völlig klar. Es gibt aber in diesem Gesetz keine Möglichkeit, auf die neuen Parameter einzugehen. Also selbst wenn ich jetzt mein Geschäft in China aufmache und nach China gehe für einige Jahre, da weiß ich nicht, vielleicht sind es mehr als sieben, vielleicht sind mehr als zwölf, vielleicht heirate ich dort, vielleicht bleibe ich etwas länger, weil meine Kinder in die Schule gehen. Diese Gründe bleiben recht unberücksichtigt, weil ich trotzdem diese Steuer zahlen muss, wenn auch abgeschichtet über sieben Jahre. Es wird aber fällig. Das heißt, ich muss Geld aus meiner Gesellschaft rausholen, was ich für die Expansion brauche oder meine Mitarbeiter zu bezahlen. Und da gibt es keine sinnvolle Lösung um das zu vermeiden, dass diese Steuer fällig wird, weil im Gegenteil, der Gesetzgeber, der hat es ja mal gesehen, der hat gesagt, ja, komm, wenn du wieder zurückkommen willst, dann kann ich dir diese Steuer, die entsteht, die musst du nicht bezahlen. Aber wenn du im Ausland bist und ich nicht weiß, was du damit machst, musst du eine Sicherheit hinterlegen. Und diese Sicherheit ist leider meistens in derselben Höhe wie die Steuer in bar zu leisten. Also ich tausche einfach nur das Kleid des Kindes aus. Es ist trotzdem in den Brunnen gefallen. Da hätte man viele Chancen gehabt, Lösungen herbeizuführen. Diese Lösung hat man alle nicht mitgenommen. Also es bleibt eigentlich dabei, dass ich für diese paar Fälle, in denen es gerechtfertigt wäre, sehr viele Fälle treffe, in dem ich eigentlich meinen Unternehmer, der wachsen will davon abhalte.
Willi Plattes:
Christian, kannst du denn bitte mal dazu kommen. Dieses Warten von Christian Lindner im Verhältnis zu Europa und zu dem Rest der Welt, denn Europa sollte ja an sich eine bestimmte Gleichstellung erreichen.
Christian Kempges:
Genau. Ich möchte noch folgende Frage auch noch vielleicht in den Raum stellen und fragen, ob die Wegzugsbesteuerung, so wie sie ist, derzeit noch zeitgemäß ist? Weil ich bin völlig dabei, der Wertzuwachs, der in Deutschland besteuert werden muss oder entstanden ist, soll auch in Deutschland besteuert werden. Aber warum nicht erst dann, wenn das Unternehmen tatsächlich veräußert wird? Weil momentan haben wir tatsächlich, ja man nennt es Dry Income, trockenes Einkommen. Ich besteuere einen Gewinn, der gar nicht da ist, die Liquidität ist ja gar nicht vorhanden, um quasi diesen Gewinn. Wir haben wir sind eine so globalisierte Welt. Wir haben, Gott weiß nicht wie viele Steuerabkommen inzwischen und auch Informationsaustauschabkommen. Es gibt so gesehen kein Land, was ich oder fast nur noch wenige, die sich tatsächlich steuerlich nicht unter die Arme greifen und halt quasi es ermöglichen, auch, dass, wenn ein Unternehmer hier zum Beispiel auf Mallorca sitzt, trotzdem in Deutschland eine entsprechende adäquate Besteuerung durchgeführt und letztlich auch im Zweifel vollstreckt werden kann. Gerade natürlich, jetzt komme ich auch auf deine Frage wieder zurück, halt das Thema Europa. Gerade in Europa ist das natürlich völlig gang und gäbe, dass man sich hier, das ist auch der europäische Gedanke letztlich, dass sich die einzelnen Länder miteinander unterstützen und auch, ja gemeinsam wirtschaftlich wachsen wollen. Und so wie es halt momentan, dieser protektionistische Ansatz, ist zu kurz gedacht. Wir wollen halt, was auch diese Zahlen der Studie noch mal zeigen, wir wollen wirtschaftlich ja Nummer eins sein auf der Welt, letztlich mit Europa. Nur um das halt zu erreichen, ist eine gewisse Migration natürlich auch erforderlich innerhalb Europa, um halt die Netzwerke aufzubauen, das Geld, quasi die Investments reinzuholen und gemeinsam halt letztlich stark zu wachsen. Und gerade Deutschland ist eines der wirtschaftlich stärksten Länder in Europa, verhindert diesen Ansatz? Müsste man sich halt auch mal kritisch an der Stelle hinterfragen, ob das so in der heutigen Zeit und vor der heutigen, ich nenne es jetzt mal etwas polemisch vielleicht, Bedrohung aus Asien letztlich, die überholen uns derzeit maßgeblich, noch zeitgemäß ist.
Natürlich gibt es auch innerhalb Europas lustigerweise verschiedene Bestrebungen, sich gegenseitig gewisse Anreize zu schaffen. Halt dass ein Unternehmer in das andere Land quasi abwandert. In Portugal ist das NHR-Regime, was vielen wahrscheinlich ja auch schon mal über den Weg gelaufen ist, die sich mit dieser Thematik auseinandergesetzt haben. Oder in Spanien die Lex Beckham und wir haben in den UK die Remote Based Taxation, also ganz viele, quasi auch Anreizsysteme, die hier geschaffen werden, wobei tendenziell überall zu beobachten ist, dass diese Systeme zurückgefahren werden, zurückgenommen werden und letztlich von allen Ländern dann doch wieder ein protektionistischer Ansatz vertreten wird, der halt innerhalb sage ich jetzt mal Europa, ich zähle jetzt mal UK mehr oder weniger noch mit dazu, letztlich dazu führt, dass wir uns selber im Weg stehen, um gerade unseren Mittelstand quasi nach vorne zu bringen.
Willi Plattes:
Was mich an der ganzen Sache erschüttert. Wir hatten ja bis 31.12.22 hatten wir ja eine Regelung, wenn der Umzug innerhalb von Europa geschieht, dass dann diese Besteuerung nicht einsetzt, sondern man hatte eine Ewigkeits-Stundung und zwar bis zu dem Tag, wo wirklich veräußert wird. Man hatte zwar dann eine Meldepflicht etc. aber das ist ja das, was Europa ausmachen sollte. Und dann hat eben Christian ab 01.01.23, ist dieses Gesetz verändert worden, das heißt also final, wenn ich von Hamburg nach München ziehe, dann habe ich keine Steuer zu zahlen als Unternehmer, will ich aber von Hamburg nach Wien oder nach Mallorca ziehe, dann löse ich diese Steuer aus oder muss sie mit Sicherheiten hinterlegen. Und das ist für meine Begriffe ein absoluter Verstoß gegen EU-Recht. Und ich persönlich sage, wenn irgendein Politiker sich da vorne noch mal hinstellt und sagt "EU, EU", das ist im Endeffekt eine Lachnummer, was da geschieht.
Jörg Jung:
Sehr, sehr spannende Diskussionsrunde bis dahin. Die Frage stellt sich ja nur, wie kann man das umgehen? Was kann man eventuell dagegen tun? Wie kann man die Politik auch wachrütteln? Welche Instrumente gibt es? Das klären wir in Folge 2 dieser kleinen Miniserie Private Clients - Internationale Mobilität und wohin steuern in diesem Zusammenhang Europa und Deutschland? Ich bedanke mich vorerst wieder einmal bei meinen Gesprächspartnern Willy Plattes, CEO der PlattesGroup sowie Jens Binding und Christian Kempges von Grant Thornton. Wir hören uns am Dienstag wieder mit Folge 2 und da auch ganz, ganz wichtige Tipps zu diesem Thema haben dir übrigens eine Willipedia News erstellt. Den Link zu dieser Nachrichtenmeldung finden Sie in den Shownotes dieser Folge. Bis Dienstag.
Autor: Jörg Jung /Mitarbeit: C. Schittelkopp
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