"Mallorca ist für mich wie ein Meeting Pot Europas"
30. Mai 2024Bereits zum siebten Mal haben der CEO der Plattes Group mit Sitz in Palma, Willi Plattes, und Sabine Christiansen mit der TV21 GmbH Dutzende hochkarätiger Redner zum „Wirtschaftsforum Neu Denken” geladen, das in diesem Jahr vom 23. bis zum 25. Mai im Castillo Hotel Son Vida tagte. Die Veranstaltung, die sich im Laufe der Jahre zu einem einzigartigen Networking-Event mit Teilnehmern aus Wirtschaft und Politik entwickelt hat, stand in diesem Jahr zum Auftakt im Zeichen des Sports und an den beiden Konferenztagen mehrheitlich der Künstlichen Intelligenz. Ersteres wurde unter anderem an den Ehrengästen deutlich, die am Eröffnungsabend auf die Bühne auf der Terrasse des Fünf-Sterne-Hotels mit traumhaftem Ausblick auf die Bucht von Palma traten. Star und Überraschungsgast am Donnerstagabend war neben dem Ex-DFB-Manager und Sport Unternehmer Oliver Bierhoff der Fußballtrainer Jürgen Klopp, der in einem braunen Jackett und weißen Sneakern mit seinem zwanglos-lockeren Auftritt für gute Stimmung bei den 250 Anwesenden sorgte. Fußball sei zwar ein kommerzielles Geschäft, so der 56-Jährige. Doch in Liverpool würde es auf eine Art und Weise gelebt, dass es echt keiner mitkriegt. Zudem werde dort mit viel Herz an das Spiel um das runde Leder herangegangen, fasste Klopp seine neunjährige Erfahrung bei dem Fußballclub im Nordwesten Englands knapp zusammen. Bei der Auftaktveranstaltung, die von einem mediterran-milden Frühlingswetter geprägt war, mischten sich ferner Fußballmanager Fredi Bobic, Sportmanager Michael Mronz, der auf Mallorca amtierende Konsul Wolfgang Engstler sowie Jan Hofer unter die illustren Gäste. Willi Plattes, einer der beiden Initiatoren des Events, sagte gegenüber MM: „Wir haben dieses Jahr wieder eine internationale Mischung von Referenten und Diskutanten. Natürlich ist auch die Politik vertreten, mehrheitlich sind jedoch Vorstände von Firmen und Familienunternehmen dabei.”
Das dreitägige Wirtschaftsforum stand unter dem Motto: „Jammern ist keine unternehmerische Aktivität.” Das spiegelte sich etwa in den Vorträgen am zweiten Tag der Veranstaltung wieder, an dem der frühere Bundesverteidigungsminister, Thomas de Maizière (CDU), auf der Rednerbühne die Frage aufgegriffen hat, wie Deutschland in der durch China und die USA dominierten globalen Dynamik schneller mitspielen kann. Mit seiner Kernaussage „Niemand ist nicht verantwortlich” appellierte der einstige Spitzenpolitiker an den einzelnen Bürger und die Macher in der Wirtschaft, noch mehr zu wagen und zu leisten, um Deutschland aus der gegenwärtigen Wirtschaftskrise heraus zu manövrieren, anstatt die Schuld an der Misere auf die große Politik abzuwälzen. Im Gegensatz zu anderen Startup-Gründern hätten Jeff Bezos (Amazon) und Mark Zuckerberg (Facebook) ihre Unternehmen nicht gleich nach den ersten Gewinnen verkaufen wollen, um Millionen einzukassieren – stattdessen hätten sie den Anspruch gehabt, weiterzuwachsen und die Nummer Eins auf dem Markt zu werden. Dieser Ehrgeiz und Hunger auf Erfolg sei Deutschland abhanden gekommen, so de Maizière. Dem schloss sich ein glänzender Impulsvortrag von Philipp Justus, Zentral-Europa-Chef bei Google, zum Thema „KI als Motor für Innovation und Wachstum” an. Gegenüber MM sagte Justus: „Wir sind ganz am Anfang der KI-Revolution und Deutschland hat all die Voraussetzungen und sehr viel Potenzial, um dabei erfolgreich zu sein. Zwar haben wir hervorragende Universitäten, die sehr gute Forschung betreiben. Doch müssen wir in der Umsetzung der Produkte und in der Anwendung wesentlich schneller werden.” Alexander Birken, CEO der Otto Group, erklärte anschließend in einer spannenden Rede, dass sein Konzern zwar durch den Versandhaus-Katalog bekannt geworden sei. Jedoch, und das sei etwas, was er von Michael Otto, dem früheren Vorstandsvorsitzenden des Unternehmens gelernt habe, sei es essenziell, sich immer auch mit den neuesten Technologien auseinanderzusetzen. Aus diesem Grund seien die Kataloge nach 68 Jahren bereits 2018 verschwunden. Und nun setze man stark auf KI-Technologien.
Wir sind am Anfang der KI-Revolution und Deutschland
hat all die Voraussetzungen und sehr viel Potenzial,
um dabei erfolgreich zu sein.
Philipp Justus, Zentraleuropa-Chef bei Google
Ein weiterer Themenblock befasste sich mit der Europapolitik und der zentralen Frage, wie man den russisch-ukrainischen Krieg stoppen kann. Zunächst ergriff diesbezüglich der frühere luxemburgische Außenminister (bis 2023) Jean Asselborn das Wort. Gegenüber MM präzisierter er die Kernaussagen seines Vortrags und sagte: „Das Blut, das die Menschen in der Ukraine vergießen, ist eigentlich das Blut der Demokratie. Denn durch ihre Verteidigung kämpfen sie auch für unsere ureuropäischen Werte.” In einer weiteren scharfsinnigen Analyse führte der frühere slowenische Staatspräsident Borut Pahor seine Sicht auf die Dinge zu dem Konflikt vor den Toren Europas aus. Wie der Sozialdemokrat anmerkte, wurde er früher, in den Jahren vor der kriegerischen Auseinandersetzung in Osteuropa, wegen seines politischen Kurses stark kritisiert. Pahor, der zu dem damaligen Zeitpunkt Putin selbst getroffen hatte, habe stets beobachtet, wie besessen der russische Machthaber von der Ukraine gewesen sei. Der Ausgang des Krieges hänge jetzt von vielen Faktoren ab, auch sei Serbien dabei ein wichtiger Player. Im letzten Teil des Tages standen die USA und die transatlantischen Beziehungen im Fokus. Neben der früheren Beraterin von US-Präsident George W. Bush, Pippa Malmgren, erörterte David Knower, Leiter der Cerberus Deutschland Beteiligungsberatung, was bei den US-Wahlen im November 2024 zu erwarten ist. Auch der frühere deutsche Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, der lange Jahre in Übersee lebte, analysierte die Chancen der drei Präsidentschaftskandidaten Robert Fr. Kennedy Jr., Joe Biden und Donald Trump. Last but not least sprachen zum Abschluss des zweiten Forumstages die Moderatoren Michael Bröcker und die Medienunternehmerin Sabine Christiansen das Wahljahr 2024 an. Prof. Carlo Masala, Gitta Connemann, Lars Brzoska, Karl Gernandt und Ralph Suikat, BSW-Schatzmeister, diskutierten das Wahljahr und hier die Frage: Wofür steht Deutschlands jüngste Partei, Bündnis Sahra Wagenknecht?
Am Samstagvormittag dominierten die Themen Künstliche Intelligenz, Quantentechnologie und Kryptowährungen die Vorträge, Panels und Diskussions- runden der Redner, darunter hochrangige CEOs, Lehrende und Spitzen-Ökonomen. Der Auftakt-Vortrag kam von der KI-Expertin Feiyu-Xu. Die deutsch-chinesische Top-Managerin war früher Leiterin des Bereichs Künstliche Intelligenz bei SAP, sitzt nun im Verwaltungs- rat von Airbus und der ZF Group. Ihr Fazit lautete: Auch wenn diese neue Technologie sich exponentiell schnell entwickele, würden viele Firmen doch erst langsam und zögerliche anfangen, KI für sich zu nutzen. Zentral war in ihren Ausführungen die Überlegung zu den beruflichen Perspektiven, die KI bietet, wobei sie die Wichtigkeit der engen Zusammenarbeit von Menschen und Maschinen betonte. Auf der inhaltlichen Agenda des diesjährigen „Neu Denkens” standen zudem neue Zukunftsmodelle der Automobilindustrie: Inwiefern halten Elektroautos vermehrt Einzug auf dem Markt? Und wie ist es um die Entwicklung fahrerloser Autos bestellt? Spannende Impulsvorträge lieferten in dieser Hinsicht zwei Repräsentanten deutscher Automobilhersteller: Uwe Holzer, der bei BMW den Verkauf an Flotten-, Direkt- und Sonderkunden im deutschen Markt leitet. Für Mercedes-Benz stand Jörg Heinermann, Vorsitzender der Geschäftsleitung des Vertriebs Deutschland, auf der Bühne. Ferner war die chinesische Automobilindustrie durch Isbrand Ho, Senior Advisor der BYD Company Limited, vertreten.
Inspirierend und neu war der Input für viele Forumsteilnehmer, den Eric Demuth, CEO der Kryptowährungsbörse Bitpanda, lieferte. Der Hamburger, der zunächst eine Ausbildung zum Schiffsmechaniker absolvierte, schaffte es innerhalb von wenigen Jahren, eines der erfolgreichsten Fintechs Europas aufzubauen, das mittlerweile eine Bewertung von 4,1 Milliarden US-Dollar erlangt hat. Mit einer selbstkritischen Ehrlichkeit und Offenheit sprach der Ex-Minister Karl-Theodor zu Guttenberg über seinen kometenhaften Aufstieg und tiefen Fall in der deutschen Spitzenpolitik und zog damit die Hörerschaft in seinen Bann. Guttenberg war bei seinem Amtseintritt 2009 der jüngste Wirtschaftsminister der Bundesrepublik, und kurz darauf der jüngste Verteidigungsminister in der Geschichte Deutschlands. 2011 führte die Plagiatsaffäre um seine Doktorarbeit innerhalb von kürzester Zeit zu seinem Rücktritt von allen politischen Ämtern. MM gegenüber erklärte der frühere CSU-Politiker: „Die Frage, etwas anders gemacht zu machen, stellt sich derzeit nicht. Man muss in der Gegenwart leben. Aber es ist immer gut, seine Fehler zu reflektieren, daraus zu lernen und sich dann irgendwann fröhlich und gelassen auf die Zukunft einzustellen.”
Sabine Christiansen, die Geschäftsführerin von TV21 und Mitinitiatorin des Forums sagte MM: „Für mich ist Mallorca heute wie ein Melting Pot Europas. Doch kommen zum Beispiel auch ein Botschafter aus Dubai und Gäste aus den USA hierher, um in einem besonderen Rahmen zu diskutieren.”