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"Die Playa de Palma ist generell nicht im besten Zustand!"

Der Bausachverständige Oliver Girharz über den Terrassen-Einsturz und neue Baugesetze auf Mallorca.

Auf Mallorca überschlagen sich momentan die Ereignisse! Zum einen der tragische Einsturz einer Dachterrasse an der Playa de Palma, zum anderen hat die Balearen-Regierung neue Baugesetze verabschiedet. Jörg Jung im Talk mit dem Bausachverständigen Oliver Girharz von Matrol Bauprojekt-Management über die Bausubstanz an der Playa de Palma und die neuen Regelungen bei Immobilien im ländlichen Bereich ...

Jörg Jung: 
Da ist ja einiges los seit ein paar Tagen auf Mallorca. Unter anderem auch sehr dramatische und tragische Ereignisse. Wir reden darüber mit dem, der sich wirklich auskennt. Und zwar von Matrol Bauprojekt-Management, Oliver Girharz. Grüße dich, lieber Oliver.

Oliver Girharz: 
Hallo lieber Jörg, grüß dich!

Jörg Jung: 
Ja, wir müssen jetzt natürlich zuerst mal, da du ja Bauprojekt-Manager bist und dich damit auskennst, auf dieses Thema Playa de Palma eingehen. Terrasseneinsturz erste Linie Playa de Palma. Es gibt Spekulationen. Es gibt Aussagen eines Palma Bürgermeisters. Was sagt der Baugutachter zu solch dramatischen Ereignissen?

Oliver Girharz: 
Also erst mal, ist es wirklich dramatisch und es sind halt Existenzen zerstört worden. Ist sind Leben zerstört worden. Ich würde aber jetzt nicht hingehen und würde jemandem die Schuld geben, weil im Moment reden wir alles nur von Vermutungen dabei. Ich war aber gestern halt mit der Presse noch mal an der Playa de Palma und wir haben uns noch ein bisschen angeguckt. Ich bin selber von Haus aus anerkannter Sachverständiger auf den Balearen, muss mich also ab und an mal mit solchen Sachen auseinandersetzen. Und ganz ehrlich gesagt, die Playa de Palma ist im Generellen nicht unbedingt im besten Zustand. Ohne jetzt zu sagen, was die Ursache des Einsturz ist, weil wie gesagt, das sollen nachher diejenigen aussagen, die halt die Untersuchungen leiten. Aber ich glaube, die Playa de Palma verlangt und fordert eine Sanierung in einigen Bereichen.

Jörg Jung: 
Ich sage das jetzt von meiner Seite als Laie subjektiv, wenn man da so Richtung Balneario 1, 2, 3 unter anderem da so lang läuft...

Oliver Girharz: 
...und noch weiter...

Jörg Jung: 
Dann denkst du aber schon bei einigen Gebäuden, mein lieber Mann, sieht aus wie ein Kartenhäuschen! Also ist es tatsächlich die Realität, dass da bausubstanztechnisch da wirklich so viel gemacht werden muss?

Oliver Girharz: 
Die Bausubstanz ist grundsätzlich bei diesen Objekten in erster Linie, sagen wir mal vorsichtig, nicht gut. Das bedeutet aber nicht, dass jedes Haus das Probleme hat mit korrodierten Betonbalken oder Feuchtigkeitsschäden da oder hier, einsturzgefährdet ist. Das ist ja eher die Ausnahme, als es die Regel. Also in 99,9999 % passiert ja gar nichts, sondern es sind oftmals optische Mängel oder es fällt halt ein Stück Putz von der Decke oder auf die Straße, irgendetwas anderes von dem Bauteil, aber nicht, dass das ganze Gebäude kollabiert. Das ist also nicht die Regel. Aber wenn man sich die Substanz da vorne anschaut, wenn man sieht, wie viele Risse verschiedene Bauwerke haben, wie die Fassaden aussehen und es gibt da noch ein paar dramatischere Sachen, die wir gesehen haben, aber wo jetzt kein Haus drauf ist- und zwar schon beim Ballermann sechs, wie man so schön sagt, beim Balneario sechs, da ist Handlungsbedarf angesagt!

Jörg Jung: 
Wow. Also starke Worte. Hoffen wir, dass jetzt was passiert. Weil wir haben es gemerkt, am Ende sind es Menschenleben, die sogar einfach vernichtet werden und ausradiert werden und da muss dann wirklich was getan werden und man soll sich dann auch wenigstens an die Genehmigungen halten und gucken, dass da alles stimmt. Das gehört ja auch mit dazu.

Oliver Girharz: 
Ja, ich weiß worauf du hinaus willst. Es ist ja festgestellt worden, steht heute auch noch mal in der spanischen Presse, dass genau diese betroffene Terrasse anscheinend ohne eine Genehmigung umgebaut worden ist. Das wurde schon 2013 festgestellt. Wohl 2020 wurden dazu die Strafen ausgesprochen. Ob aber jetzt das halt die Ursache dieses Zusammenbruchs ist, weiß ich nicht, aber es ist sicherlich so, dass legalerweise diese Terrasse hätte wohl nicht so genutzt werden dürfen und hätte man sich dran gehalten, dass sie nicht genutzt wird, können wir wahrscheinlich davon ausgehen, dass wahrscheinlich dann auch nichts passiert wäre.

Jörg Jung: 
Sagt der anerkannte Bausachverständige hier auf den Balearen. Das müssen wir dazu sagen. Jetzt kommen wir zu einem ganz anderen Thema, das zwar damit zusammenhängt. Es gab dann aber auch noch in dieser Woche neue Gesetze auf den Balearen, auch hier auf Mallorca. Und das betrifft ja auch wieder die Bauwirtschaft und die Immobilien hier auf unserer Lieblingsinsel.

Oliver Girharz: 
Also es ist ein Gesetz verabschiedet worden, was im Grunde genommen jetzt nicht nur um Immobilien geht, sondern um vielfache Themen. Und das Hauptthema ist der Bürokratieabbau. Das heißt, wir sind nicht nur in Deutschland von der Bürokratie betroffen, sondern auch in Spanien. Und das hat sich in den letzten Jahren oder in den letzten zwei Jahrzehnten, seitdem ich hier bin, sehr stark weiterentwickelt. Wir haben die Deutschen irgendwo vielleicht auch sogar in dem einen oder anderen Bürokratiewahnsinn überholt. Und die Idee von der balearischen Regierung ist es ganz klar, halt hier Vereinfachungen zu machen, um auch ein bisschen die Wirtschaft anzukurbeln, um die Ämter zu entlasten und natürlich auch die ganzen Unternehmer und auch Privatpersonen. Wir beide reden heute über die Legalisierung von Objekten, Bauten im ländlichen Bereich.

Jörg Jung: 
Die ja im Prinzip jetzt etwas vereinfacht werden soll. Also: Wie habe ich das zu verstehen?

Oliver Girharz: 
Wenn man sich längere Zeit auf Mallorca aufgehalten hat oder gar eine Immobilie im ländlichen Bereich hat, wissen wir, fast alle Immobilien im ländlichen Bereich haben irgendwie ein Problem mit irgendeiner Genehmigung, mit der fehlenden oder gar keine. Oder da ist halt ein kleines Häuschen da gelandet, wo es halt nicht sein dürfte. Oder ein Schwimmbad oder ein Keller und diese ganzen Gebäude. Und wir reden hier eher nicht um die Gebäude der letzten 10, 15, 20 Jahre, sondern wir reden hier von Gebäuden, die halt schon vielleicht 40, 50, 60, 70 Jahre da sind und so ein bisschen außerhalb dieser städtebaulichen Normen stehen. Das heißt Gebäude, die nicht legalisiert sind, die einen Bestandsschutz haben, die vor sich hin rotten und die ich im Grunde genommen auch nicht sanieren oder renovieren darf, weil ich darf natürlich nichts anfassen, was rein theoretisch nicht besteht. Und da möchte die Balearenregierung – nicht zum ersten Mal, das gab es schon mal, also den gleichen Ansatz gab es schon mal, ich glaube 2012 – dafür sorgen, dass halt genau diese Bauprojekte nicht verfallen, dass man die legalisieren kann, dass man die dann auch wieder sanieren und renovieren kann. Und das betrifft allerdings nur die im ländlichen Bereich. Wenn der ein oder andere Hörer sich jetzt freut und sagt, ich habe ein Stadthaus. Nein, leider nicht. Ihr müsst noch warten.

Jörg Jung: 
Aber wie kann ich das denn, wenn ich betroffen bin in der Inselmitte, zum Beispiel im ruralen Bereich, wie kann ich das denn angehen? Also wo muss ich mich jetzt hinwenden? Was kann ich jetzt irgendwie tun?

Oliver Girharz: 
Also das Gesetz ist vorgestern veröffentlicht und abgesegnet worden, aber die Inselbehörde muss dem noch zustimmen. Ich habe heute Morgen mit dem ein oder anderen Rechtsanwalt noch mal gesprochen, der sich da vielleicht ein bisschen tiefer mit auskennt. Und ich habe gesagt, wann wird das sein? Und dann sagte man mir: Keine Ahnung, das gab es so noch nie, dass hier eine Behörde dem zustimmen musste, einem Gesetz. Man geht da zu 99,9 % von aus, dass es abgesegnet wird. Wann das so sein wird, wissen wir noch nicht. Ab dem Zeitpunkt, wenn es abgesegnet wird, können alle, die ein illegales Bauwerk auf ihrem ländlichen Grundstück haben, versuchen, dieses zu legalisieren. Ich sage jetzt mal versuchen, weil man muss natürlich noch gucken, ob man halt unterhalb dieser Konditionen ist, die man überhaupt legalisieren kann. Also nicht alles ist legalisierbar. Bin ich im Naturschutzgebiet sieht es schon wieder schwieriger aus. Geht auch unter bestimmten Umständen.

Jörg Jung: 
Anderes Thema war ja, dass irgendwann mal, da haben wir uns sogar in einer anderen Podcastfolge darüber unterhalten, dass das alles ein bisschen auch Bürokratieabbau sein soll, wenn es gerade in der Stadt um Umbauten geht, Neugenehmigungen geht, dass man da auch die ein oder andere, sagen wir mal Instanz übergehen könnte, damit das alles schneller geht. Überlegt man sich das jetzt seit 4, 5, 6 Tagen nochmal anders?

Oliver Girharz: 
Also wenn du davon sprichst, dass die Genehmigungsverfahren vereinfacht werden sollen, das ist passiert. Ich selber habe noch keine Genehmigung jetzt eingereicht mit einem vereinfachten Verfahren. Da werden wir uns auch ein bisschen zurückhalten bei, weil auch da muss man gucken, dass man da nicht in das eine oder andere Fettnäpfchen tritt. Wenn wir jetzt aber noch mal auf den ländlichen Bereich gehen, das muss man ja sagen, das Gesetz ist dafür da, den Bürokratieabbau zu machen, die Ämter zu entlasten. Wir sprechen aber hier sicherlich ein Thema an, was viele, viele, viele Leute und Eigentümer von Immobilien im ländlichen Bereichen betrifft, die das auch sicherlich wahrnehmen wollen. Und ich würde mich nicht wundern, dass die Bauämter dadurch auch wieder überlastet werden. Gerade ein paar Bauämter hier auf der Insel brauchen teilweise Jahre, um eine Baugenehmigung zu bearbeiten und zu verabschieden. Jetzt haben sie halt den Vorteil bekommen, sie müssen einige Sachen nicht mehr machen. Einfacher für das Bauamt. Jetzt kriegen sie aber eine neue zusätzliche Arbeit hintendran.

Die Legalisierung eines solchen Objektes bedeutet auch nichts anderes als eine fast eine ganz normale Baugenehmigung. Da sind viele Arbeitsschritte zu machen. Die Ämter müssen das kontrollieren, die müssen das im Grunde genommen freigeben. Jetzt haben wir da natürlich auch mal wieder ein kleines Problem, die ein oder anderen Ämter, da wissen wir, bis wir eine Antwort bekommen, dauert das nicht 1, 2, 3 Monate, sondern vielleicht ein oder zwei Jahre. Wenn ich dieses Legalisierungsprojekt dann eingereicht habe, verfällt das automatisch nach sechs Monaten. Das heißt, man geht davon aus, habe ich nach sechs Monaten keine Antwort bekommen, ist das sowas wie ein Ablehnungsbescheid. Was passiert? Ämter sind überfordert. Wird mein Projekt dann überhaupt bearbeitet oder kann ich davon ausgehen, dass sechs Monate lang keine Antwort kommt? Wir wissen es im Moment noch nicht. Ich bin sehr froh über diese ganzen Neuerungen, dass halt die Regierung hier versucht, auch der Bevölkerung ein bisschen zu helfen, diesen Bürokratieabbau zu beschleunigen. Meine Erfahrung ist leider in den letzten Jahren, was immer mal wieder passiert ist, dass man das machen wollte, dass es leider nicht so gegriffen hat, wie man sich das vielleicht wünscht. Also von daher abwarten.

Jörg Jung: 
Es klingt tatsächlich eher so: Ach ja, könnte eine Zukunftsidee sein. Es klingt aber auch so ein bisschen nach Phantom-Umsetzung. Wir haben es mal gemacht, aber die Umsetzung ist uns noch nicht so ganz klar. Also da muss noch geschraubt werden.

Oliver Girharz: 
Ja, da muss mit Sicherheit auch noch einiges geklärt werden. Ich kenne eine Menge Leute, die eine Finca rústica haben, wie man so schön sagt umgangssprachlich und die haben irgendein illegales Bauteil darauf. Die freuen sich natürlich, die wollen nachher auch legal verkaufen können, die wollen umbauen können, renovieren können, ohne dass man die Angst hat, dass im nächsten Moment der Nachbar da steht, eine Anzeige macht oder die Guardia Civil vorbeikommt und mir die Baustelle still legt. Das ist natürlich erst mal hervorragend. Aber wie das halt nachher im Ablauf ist, ob noch irgendwelche Einschränkungen da sein werden. Also ich habe mich mit einem Architekten heute zum Beispiel unterhalten. Es ist im Grunde genommen alles legalisierbar, außer es ist halt eben Naturschutzgebiet.

Da gibt es dann wieder einige Anforderungen, das heißt es muss vor 1991 gebaut sein. Erfülle ich alle Sachen, ist es zum Beispiel eine Geschichte "Ich habe da noch ein kleines Häuschen, da ist eine Küche drin". Das heißt, ich habe unter Umständen zwei Küchen auf dem Hof, auf dem Grundstück in meinem Objekt. Darf ich an sich nicht haben. So, was bedeutet das? Darf ich legalisieren, wie hier drinsteht gegen alle Baunormen? Oder muss ich die Bewohnbarkeitsrichtlinie trotzdem einhalten? Also es sind noch Erfahrungen, die uns fehlen. Da gehen die Anwälte jetzt gerade hin, versuchen das halt abzuklären. Da sind eine ganze Menge an Anwälten mit beschäftigt und ich hoffe, dass wir in den nächsten 1, 2, 3 Wochen mehr Infos dazu haben.

Jörg Jung: 
Wir sind sehr gespannt, was die Politik sich dann noch einfallen lässt, inklusive der Tatsache, dass es auf Mallorca gerade überall an allen Ecken brodelt und köchelt, auch mit Massenprotesten. Also wir sind sehr gespannt, was sich da noch ergibt. Vielen Dank erstmal Dir, Oliver Girharz, für diesen aktuellen Stand der Dinge, den wir jetzt von Dir bekommen haben. Und wir blicken da natürlich auch weiter spannend drauf auf diese Geschichte.

Oliver Girharz: 
Sehr gerne.

Autor: Jörg Jung / Mitarbeit: C. Schittelkopp

31. Mai 2024

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