Familienvermögen in Krisenzeiten – Kapitalmarkt, Geopolitik und Lebensstandort verantwortungsvoll steuern

Willi Plattes
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe heute einen Gast aus dem etwas kälteren Deutschland: Dr. Martin Lück, einer der renommiertesten Kapitalmarktstrategen des Landes. Er verfügt über eine beeindruckende Historie. Er war Chefvolkswirt der UBS, leitender Kapitalmarktstratege bei BlackRock, dem größten Fonds der Welt, und hat sich vor einiger Zeit selbstständig gemacht. Wir freuen uns sehr, eine herausragende Persönlichkeit begrüßen zu dürfen, die am 30. und 31. Januar bei unserer Veranstaltung auf der schönsten Insel der Welt in der Motorwelt zum Thema Familienvermögen in Krisenzeiten zur Verfügung steht.
So, bis dahin ist einiges zu erwarten. Heute stehen große Entscheidungen im Bundestag an. Wie geht es weiter? Was passiert mit der NATO, Amerika, der Ukraine, China? Alles Themen, die Familienunternehmer interessieren. Ich bedanke mich sehr bei Dr. Martin Lück, dass er uns hilft, diese Entwicklungen besser zu verstehen und unsere Resilienz zu stärken. Herr Dr. Lück, herzlichen Dank für Ihre Anwesenheit und guten Tag.

Dr. Martin Lück
Hallo lieber Willi Plattes. Vielen Dank für die Einladung. Ich freue mich sehr, hier sein zu können.

Willi Plattes
Wie sollen wir loslegen? Ich würde sagen: Was bewegt die Familienunternehmer? Wir haben eine globale konjunkturelle Lage, die nicht besonders freundlich ist. Wir haben strukturelle Risiken, und international tätige Unternehmer müssen vieles im Blick behalten. Wie sieht ein Kapitalmarktstratege das aus Sicht der Familienunternehmen? Und wie sieht das Ausland Deutschland und die deutschen Familienunternehmen?

Dr. Martin Lück
Vielen Dank. Das sind einige der entscheidenden Fragen, die uns bewegen. Ich berate selbst Familienunternehmen sowie Family Offices in ihrer Vermögensdisposition und schaue daher durch diesen Blickwinkel auf die Welt.
Das Erste, was wir sehen: Das globale Wachstum verläuft schwach. In Nordamerika, Europa und Asien verlieren die Volkswirtschaften an Dynamik. In den USA schwächt sich das Wachstum ab, weil frühere Konjunkturprogramme auslaufen und die neue Administration enorme Unsicherheit verursacht. Unsicherheit ist immer Gift für wirtschaftliche Entwicklung.
Europa kämpft mit strukturellen Problemen, insbesondere Deutschland als größte Volkswirtschaft. Und in Asien, das im vergangenen Jahrzehnt die größten Wachstumsimpulse geliefert hat, schwächeln die Volkswirtschaften ebenfalls. In China fallen die Immobilienpreise weiter, was die Haushalte konsumzurückhaltend macht. Die Überproduktion chinesischer Unternehmen wird zunehmend auf internationale Märkte gedrückt, teils zu Dumpingpreisen. Das trifft exportorientierte Volkswirtschaften wie Deutschland besonders hart.
Neben der ökonomischen Großwetterlage kommen große politische Veränderungen hinzu. Viele Familien fragen sich, wohin die Entwicklung geht und wie sie ihr Familienvermögen und ihre Ressourcen ausrichten sollen. Auch Fragen zu Wohn- und Firmenstandorten spielen eine zentrale Rolle.

Willi Plattes
Zu diesen ökonomischen Fragen kommen die Themen der Familienwerte hinzu. Bildung und Ausbildung sind essenziell, denn wir erziehen unsere Kinder heute als Weltbürger. Das Bildungssystem ist ein entscheidender Faktor.
Wenn Sie Familienunternehmer beraten, wo liegen die Schwerpunkte? Persönliche Entwicklung? Familienwerte? Denn Lebens- und Firmenstandort können auseinanderfallen. Unsere Erfahrung zeigt sogar, dass das häufig der Fall ist. Das große Thema ist Mobilität – sowohl im Leben als auch bei Kapital und Vermögen. Dazu kommt die Frage, wo man eine Firewall ziehen kann, um das private Vermögen zu schützen, falls im Unternehmen etwas passiert. Eine komplexe Gemengelage. Wie kommen diese Fragen bei Ihnen an?

Dr. Martin Lück
Ich berate Familien vor allem zu Kapitalmarktfragen, also zu Anlageklassen, Gewichtungen, Risiken und beispielsweise der Frage nach Goldquoten. In Meetings mit verschiedenen Generationen bekomme ich jedoch indirekt mit, wie sehr Mobilität die Familien beschäftigt.
Gerade die junge Generation hat häufig kein gutes Gefühl bezüglich Deutschland und ihrer eigenen Zukunft. Bildung ist ein Faktor, aber längst nicht der einzige. Viele möchten die Möglichkeit haben, ihre Zukunft auch außerhalb Deutschlands zu gestalten, ohne jedoch die Brücken abzubrechen. Die emotionale Bindung bleibt.
Familien brauchen ein verlässliches Scharnier für ihre finanziellen Belange, das ihnen ermöglicht, flexibel zwischen verschiedenen Standorten zu wählen – privat und geschäftlich. Mobilität und Flexibilität sind zentrale Themen.

Willi Plattes
Diesen Eindruck habe ich ebenfalls aus vielen Gesprächen hier auf der schönsten Insel der Welt. Mallorca ist ein optimierter Lebensstandort mit hervorragenden Bildungseinrichtungen und erstklassiger Anbindung nach Europa und mittlerweile auch mit Direktflügen nach Miami und New York. Lebensqualität ja – steuerliche Vorteile nein. Hier gibt es Vermögensteuer und andere Belastungen. Viele Menschen treffen Mobilitätsentscheidungen aber gar nicht steuerorientiert, sondern werteorientiert. Impact Investing ist ein großes Thema. Wie sehen Sie das?

Dr. Martin Lück
Absolut. Zwei Anlegergruppen stehen beim Impact Investing besonders hervor: jüngere Menschen und Frauen. Beide berücksichtigen nachhaltige und wertorientierte Anlagen deutlich stärker.
Bei Familienunternehmen geht es nicht um kurzfristige Rendite, sondern um langfristigen Kapitalerhalt. Werte spielen eine zentrale Rolle. Häufig steht eine holistische Betrachtung im Vordergrund: Lebensqualität, Standortfaktoren und langfristige Stabilität. Steueroptimierung ist dabei nicht der Haupttreiber.
Mallorca bietet eine hohe Lebensqualität, und viele Familien schätzen das sehr.

Willi Plattes
Es gibt ja oft einen Generalverdacht, dass Mobilität steuerlich motiviert sei. Aber die deutschen Familienunternehmer und Hidden Champions haben eine starke Bindung an Deutschland. Sie tragen erheblich zum sozialen Standard im Land bei. Diese Bindung entsteht nicht über Nacht, sondern ist historisch gewachsen. Aber die aktuellen Perspektiven in Deutschland sind herausfordernd.

Ich war überrascht, dass der amerikanische Außenminister nicht beim NATO Gipfel war – für mich ein immenses Zeichen. Da bewegt sich etwas. Und das hat sicher Auswirkungen auf die Kapitalmärkte. Wie sehen Sie das?

Dr. Martin Lück
Ganz erheblich. Amerika löst sich aus seiner jahrzehntelangen Rolle als Garant der regelbasierten Nachkriegsordnung. Die USA verfolgen zunehmend eine Politik des „America first“ oder sogar „America alone“.
Damit stellt Amerika die bisherige Weltordnung infrage. Das betrifft Rule of Law, Verlässlichkeit internationaler Institutionen und die Stabilität des globalen Rahmens, der Wirtschaftswachstum ermöglicht hat.
Diese Entwicklungen sind drastisch und haben unmittelbare Auswirkungen auf Kapitalmärkte. Bisher kehrten Märkte nach Krisen zuverlässig zur Normalität zurück. Diese Mean Reversion gilt jedoch nur in einem stabilen globalen Ordnungsrahmen. Wenn dieser Rahmen wegbricht, ändert sich auch die Funktionsweise der Märkte.
Gleichzeitig verliert Amerika Soft Power und Glaubwürdigkeit. Das eröffnet Europa Chancen, etwa durch steigende Bewerberzahlen US-amerikanischer Wissenschaftler, die sich dort nicht mehr wohlfühlen.
Amerikas veränderte Rolle hat tiefgreifende politische und ökonomische Folgen.

Willi Plattes
Vielen Dank. Das sind gewaltige Szenarien – und sie sind nicht hypothetisch, sie sind real. Wir erleben eine Welt im Umbruch. Herr Dr. Lück, eine provokante Frage: Welche Risikoszenarien müssen Familienunternehmer in den nächsten fünf Jahren im Blick behalten? Was sagt der Profi?

Dr. Martin Lück
Fünf Jahre sind derzeit ein langer Zeitraum, da enorm viel passiert. Wenn wir hoffnungsvoll nach vorne schauen, könnte in fünf Jahren eine andere US Regierung im Amt sein. Das wäre eine Chance.
Familien sollten entlang der großen Linien denken:
• Wenn sich Amerika aus seiner bisherigen Rolle zurückzieht, müssen Vermögensdispositionen neu gedacht werden.
• Die Standortwahl – privat und geschäftlich – muss überdacht werden.
• Kapitalallokationen sollten flexibel an die geopolitischen Entwicklungen angepasst werden.
• Regulatorische, rechtliche und steuerliche Rahmenbedingungen müssen regelmäßig überprüft werden.
Ich beobachte fortlaufend, wie sich Rhetorik und Handlungen der USA verändern. Auch Alternativen wie Asien werden relevanter, insbesondere im Technologiebereich.
Wir erleben eine Zeit, in der Politik enorme Auswirkungen auf die Makroökonomie und damit auf Kapitalmärkte hat. Ich hoffe, dass ich Ende Januar dazu wichtige Impulse geben kann.

Willi Plattes
Ich bin sicher, das Interesse wird sehr groß sein. Herr Dr. Lück, herzlichen Dank für Ihre Ausführungen. Wir freuen uns sehr, Sie am 30. und 31. Januar hier auf der schönsten Insel der Welt begrüßen zu dürfen.
Es steht Weihnachten vor der Tür, eine Zeit der Besinnung und der Werte. Und wir hoffen, bis dahin einige positive Entwicklungen zu sehen. Meine Damen und Herren, Sie werden Dr. Lück nicht nur eine Stunde auf dem Podium erleben, sondern auch persönlich mit ihm sprechen können. Er wird mehrere Stunden vor Ort sein – eine geballte Kompetenz, auf die wir uns freuen.
Herzlichen Dank, Herr Dr. Lück. Ich wünsche Ihnen ein frohes Fest, einen guten Rutsch und viel Freude mit den Menschen, die Ihnen nahestehen.

Dr. Martin Lück
Vielen Dank, lieber Herr Plattes. Auch Ihnen ein friedliches Weihnachtsfest mit Ihrer Familie auf der schönsten Insel der Welt, Gesundheit und einen guten Start ins neue Jahr. Ich freue mich sehr auf das Event.

Willi Plattes
Vielen Dank. Bis bald.

Autorin: Timothea Imionidou / Mitarbeit: Nils Gießler