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Neue Perspektiven auf globale Mobilität, Steuerpolitik und 2 % weltweite Vermögensteuer

Eine Diskussion mit Prof. Dr. Jens Schönfeld und Willi Plattes.

Die deutsche Steuermauer symbolisch, KI

Am Freitagvormittag, 22. November, hat der Bundesrat dem Jahressteuergesetz zugestimmt und dabei eine weitere Verschärfung der Wegzugsteuer beschlossen. Diese neue Regelung könnte weitreichende Konsequenzen für internationale Leistungsträger und vermögende Anleger haben, die Deutschland als möglichen Wohnsitz in Betracht ziehen. Statt den Standort Deutschland zu stärken, könnten die verschärften Vorschriften abschreckend wirken und zusätzliche Hürden für Investitionen und Niederlassungen schaffen. Besonders kapitalstarke Privatpersonen und Investoren, die Flexibilität und Mobilität als essenziell ansehen, könnten von diesen Entwicklungen beeinflusst werden und steuerlich attraktivere Länder bevorzugen.
 

Über die Auswirkungen diskutieren der Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht Prof. Dr. Jens Schönfeld (Partner bei Flick Gocke Schaumburg) und Willi Plattes, CEO der PlattesGroup, in der neuen Folge des Willi-pedia Podcast.

Am kommenden Dienstag, 26. November, ab 13.00 Uhr sind Sie herzlich eingeladen, bei unserem Event "Vorwärtsdenken 2025" im Club Mallorca Zeitung dabei zu sein. Gemeinsam mit Prof. Dr. Jens Schönfeld diskutiert Willi Plattes über zentrale Themen wie globale Mobilität, die beschlossene globale Vermögensteuer von 2 %, Möglichkeiten für Familienunternehmer sowie die neuen Herausforderungen durch die verschärfte Wegzugsteuer.

Jörg Jung
Es ist und bleibt ein sehr aktuelles Thema. Durch die Neuwahlen vielleicht sogar ein noch aktuelleres Thema. Es geht um die Wegzugsteuer, um die deutsche Steuersteuermauer und wir reden darüber. Unter anderem mit dem CEO der PlattesGroup, Willi Plattes, einmal mehr hier im Studio. Ich grüße dich.
 

Willi Plattes
Hallo lieber Jörg, sei gegrüßt.

Jörg Jung
Und zum anderen dürfen wir hier begrüßen, da freue ich mich ganz besonders drüber. Einer der angesehensten, wenn nicht der angesehenste Navy SEAL im internationalen Steuerrecht. Prof. Dr. Jens Schönfeld, Partner bei Flick Gocke Schaumburg, FGS. Herr Prof. Dr. Schönfeld. Schön, dass Sie dabei sind.

Prof. Dr. Jens Schönfeld
Hallo, ich grüße Sie.

Jörg Jung
Ja, ich habe es ja gerade eben schon mal erwähnt. Wir machen politisch momentan windig bis stürmische Zeiten durch in Deutschland. Jetzt sind sie da, die Neuwahlen. Es wird sie geben. Es wird eine neue Regierung geben. Wo das alles hin tendiert, das weiß man noch nicht. Aber die große Frage ist, würde das denn eventuell ein bisschen an der Steuermauer, an der Wegzugsteuer oder auch insgesamt steuerlich hinsichtlich internationaler Mobilität ein bisschen was rütteln? Also ist der Sockel noch fest oder durch neue politische Strukturen und Richtungen könnte sich da jetzt eventuell mal was tun? Wir diskutieren doch schon so lange drüber.

Willi Plattes
Ja, Jörg, von meiner Seite aus diese Wegzugsteuer, das ist ja ein Thema, was derzeit ganz, ganz hoch diskutiert wird, weil die internationale Mobilität für Unternehmer und auch für Arbeitnehmer, für qualifizierte Arbeitnehmer ein Riesenthema ist. Und wir hatten von unserer Seite aus eine bestimmte Hoffnung, dass die Wegzugsteuer Europa rechtskonform gestaltet wird. Diese Hoffnung war da. Dann hatten wir den Bruch der Ampel, also eine defekte Ampel. Und wir hatten ja die Hoffnung, dass die CDU unter Umständen an einer Verschärfung der Wegzugsteuer nicht festhält. Aber jetzt hat am Freitag das Jahressteuergesetz 2024 den Bundesrat passiert. Also das ist an sich eine Zustimmung der CDU Seite zu dieser Verschärfung der Wegzugsteuer und auch noch einige andere Dinge. Aber Jens, du bist ja dann noch näher dran als wir. Wie ist deine Einschätzung dazu?

Prof. Dr. Jens Schönfeld
Ja, das ist eine gute Frage. Ich glaube, man muss mal ein bisschen zurückgehen, wo wir eigentlich herkamen. Ja, ich glaube, alle wissen das, was ist die Wegzugsbesteuerung, das betraf und betrifft eigentlich nur Personen, die eben an einer Kapitalgesellschaft beteiligt sind. In- oder ausländisch. Das ist eben seit Mitte 2000 auch egal und man muss mindestens 1 % an der Gesellschaft halten. Und wenn man noch mal weiter zurückgeht, hat der EuGH dort in einer Entscheidung Laster Idee sei schon in den 2000ern entschieden, dass mal die Erhebung dieser Steuer oder anders formuliert, die Festsetzung der Steuer, dass das schon in Ordnung ist. Dazu können wir auch gleich mal miteinander sprechen, ob das wirklich stimmt. Aber das hat der EuGH gesagt. Der hat immer gesagt bei der Zahlung, ja, bei der Erhebung, da muss man eben auch verhältnismäßig agieren und hat im Grunde gesagt, verhältnismäßig ist das nur, wenn die Steuer so lange gestundet wird, bis eben die Anteile verkauft werden oder anderweitig letztlich diese stillen Reserven realisiert werden. Und Deutschland fand das irgendwie nie so richtig gut. Da musste erst die EU Kommission im Jahre 2006 ein Vertragsverletzungsverfahren einleiten. Dass daraufhin die dauerhafte zinslose Stundung, wie wir sie ja kennen und kannten, ins Gesetz gekommen ist. Und das lief dann aber auch viele Jahre gut, ja, fast 20 Jahre. Und jetzt ist man der Meinung, dass das eben nicht mehr nötig ist. Und wir haben in den letzten wenigen Jahren in jedem Jahr eine Verschärfung gesehen. Zunächst haben wir gesehen, dass die dauerhafte zinslose Stundung aufgehoben wurde und geändert wurde in einen Ratenzahlungskonzept. Also man darf jetzt in sieben Jahren zahlen und man glaubt daran, dass das eben zu einer Verhältnissmäßigkeit führt. In den Folgejahren hat man dann noch gesagt, auch wenn ich dann 25 % über dem Verkehrswert, mit dem ich weggezogen bin, wenn das ausgeschüttet wird, dann gibt es auch einen Widerruf der Wegzugsbesteuerung. Und dann wurde es dann ein Jahr später sogar auf die Altfälle, die im Grunde weggezogen sind, ausgedehnt. Und ja, man kann schon fast sagen, erwartungsgemäß hat man jetzt das weiter verschärft. Und zwar ist es jetzt so wenn man ab 1. Januar wegzieht und an einem Investmentfonds beteiligt ist, nach dem Investmentsteuergesetz und man hat dort Anschaffungskosten von mehr als 500.000 €, dann ist man in der Wegzugsbesteuerung. Und ich glaube, man muss das Gesetz so verstehen, zum Glück muss man das so verstehen, dass eben da jeder Fonds gemeint ist. Das heißt, es wird nicht zusammengerechnet. Das heißt, wenn man am MSCI All Country World 400.000 Anschaffungskosten hat und dann hat man von Blackrock noch den anderen Fonds mit 400.000, dann trifft einen das nicht. Aber wenn man mit einem Fonds letztlich über die 500.000 kommt, dann ist man mit dabei. Das gleiche gilt, wenn man eben 1 % an seinem Investmentvermögen hat. Ich meine, wenn einem das gelingt, bei Blackrock am MSCI World über 1 % zu kommen, dann hat man es geschafft. Aber das betraf natürlich auch die und das ist vielleicht auch da, wo das Gesetz ja im Grunde herkommt. Warum hat man das gemacht? Es gab natürlich einige Gestaltungen, wo man im Grunde das Investmentsteuergesetz versucht hat, eben auch zu nutzen, um letztlich nicht unter die Wegzugsbesteuerung zu fallen.

Das hat ein bisschen was mit Technik zu tun, weil das Investmentsteuergesetz eben anders tickt als die eigentliche Wegzugsbesteuerung. Und wie wir so schön sagen "Hard Cases, make hard Law", dann hat man versucht, diese Lücke zu schließen, was aber wie gesagt, völlig unverständlich ist, dass man eben darüber hinausgeht und jetzt eben auch auf die Person abstellt, die eben solche Fonds haben mit mehr als 500.000 €. Und damit hat man natürlich, du hast es schon gesagt Willi, man hat dann eben nicht nur die Superreichen, ja, sondern man hat letztlich auch möglicherweise Arbeitnehmer, die lange gespart haben, CEOs, Management-Unternehmen, die in solche Fonds investiert haben und die jetzt Schwierigkeiten haben, wegzuziehen. Und man kann sich natürlich mit sehr guten Gründen fragen und da können wir gleich zu kommen, ob das wirklich EU-rechtskonform ist oder ob das vielleicht sogar gegen die Menschenrechte verstößt. Ich habe diese Diskussion letztens geführt, auch bei der ISD Jahrestagung und auch in anderem Zusammenhang. Ich habe meinen Vortrag vorbereitet und war auf der Homepage der UN und es gibt als Menschenrecht tatsächlich Freedom of Movement. Und als ich das mal so vorgetragen habe, hieß es ja, das kann nicht so sein Jens, dann wären ja alle Asylbewerber, könnten ja dann überall hinkommen und man könnte sie im Grunde nicht aufhalten. Also das Problem, dass viele entwickelte Länder zurzeit umtreibt, ja eben auch Deutschland, würde man damit nicht in Griff bekommen. Aber das ist nicht richtig, weil Freedom of Movement, so wie man das als Menschenrecht versteht, das heißt nicht, dass man überall hin kann. Also der Zuzugs-Staat kann immer Regeln aufstellen, ob und wie man dort hinkommt. Aber der Wegzugs-Staat, also der Heimatstaat, der darf einen nicht daran hindern, wegzuziehen. Ja, also das Menschenrecht umfasst das Recht, sein Land verlassen zu können. Und das umfasst auch das Recht, wieder zurückzukommen. Ja, und wenn das ein Menschenrecht ist, dann kann man sich schon fragen, ob nicht hier dieses Menschenrecht irgendwo berührt ist. Da sagen natürlich die Kritiker, Jens, wegziehen kannst du immer noch. Ja, du musst halt dann eben die Steuern zahlen. Ja, und noch mal, ich stelle das ja gar nicht in Zweifel, dass man nicht möglicherweise die Steuer festsetzen kann. Das Problem ist letztlich die Erhebung. Und die muss man eben verhältnismäßig ausgestalten. Und da bleibe ich dabei, dass eben so was wie Menschenrechte, EU-Grundrechte und solche Dinge, die müssen eben dazu führen, im Rahmen der Verhältnismäßigkeit den Gesetzgeber dazu zu bewegen, die Maßnahme zu wählen, die am wenigsten einschränkend ist und die verhältnismäßig ist. Und das ist eben die dauerhafte zinslose Stundung und nicht das Ratenzahlungskonzept.

Jörg Jung
Ich hätte jetzt gerne zur Verhältnismäßigkeit eine andere Frage gestellt, die auch die Brisanz dieser Thematik aufzeigt, nämlich diese, dass ja die internationale Mobilität angesichts dessen, was wirtschaftlich und politisch seit 2 bis 3 Jahren passiert, ja nicht abnimmt. Deswegen bin ich jetzt auch mal froh, dass wir den Experten haben. Professor Schönfeld macht sich das in Deutschland arg bemerkbar, dass die internationale Mobilität gerade auch in Deutschland immer mehr wird. Der Drang zu expandieren, der Drang, neue Orte zu suchen. Also nur damit wir da mal eine Verhältnismäßigkeit schaffen, was da steuerlich auf viele zukommt, die dann doch in vermehrter Art und Weise sagen, ich will mich in diese Richtung verändern. Also wird das alles jetzt immer mehr?

Prof. Dr. Jens Schönfeld
Ja, das ist ganz sicher so, ich glaube, man muss zwei Dinge unterscheiden. Und ich glaube, das unterschätzen auch die Menschen, die die Gesetze immer weiter verschärfen und so was wie die Wegzugsbesteuerung und im Grunde einen sehr technischen Blick drauf haben. Und die Diskussion, wie wir sie jetzt bisher geführt haben, war ja auch eher technisch und rechtlich geprägt. Aber das Ganze hat ja eben auch eine tatsächliche Seite. Und das eine ist, dass so wie Willi es gesagt hat, ja Arbeitnehmer, auch vermögende Arbeitnehmer, ja, die sind zunehmend global unterwegs. Das Management von Unternehmen ist zunehmend global unterwegs. Das führt auch zu weiteren Problemen. Also das sogenannte Home Office als Betriebsstätte. Also viele deutsche Unternehmen, die haben natürlich auch Probleme, Topmanagement zu finden. Und dann suchen sie und finden das zum Teil auch im Ausland. Ja, und natürlich ist es häufig so, dass jemand, der in Paris lebt, mit seiner Familie, der zieht nicht nach Deutschland, aber der kommt natürlich auch für einen Teil seiner Arbeit nach Deutschland, aber eben nicht die gesamte Zeit. Er macht auch Dinge von zu Hause oder aus dem Ausland heraus. Und das führt natürlich dazu letztlich, dass wir an der Stelle Probleme bekommen. Hinzu kommt, dass und wir haben ja Wahlen erlebt in den letzten Wochen in den USA, dass viele Unternehmen, gerade deutsche Unternehmen, nicht mehr in Deutschland investieren, sondern eben in den USA, was ja total Sinn macht, wenn man dort 15 % Steuern künftig haben wird. Das ist ja die Ankündigung, plus 20 % Zölle, dann ist es eigentlich unausweichlich. Man muss dann, wenn man in den USA verkaufen will, muss man letztlich dort produzieren. Und das führt natürlich auch dazu, dass Management oder Unternehmer aus Deutschland dorthin ziehen. Hinzu kommt natürlich, dass viele Familienmitglieder, junge Familienmitglieder wachsen international auf von Familienunternehmen, und wollen im Ausland studieren. Und das führt natürlich zu absurden Ergebnissen.

Man stelle sich vor, da ist jemand schon in der Nachfolge in einem Familienunternehmen und hat die Anteile, sind vielleicht sogar vinkuliert. Der kann die gar nicht verkaufen und studiert dann in Amerika. Ja, das soll jetzt plötzlich den Wegzugsteuer auslösen, obwohl er die Anteile gar nicht verkaufen kann und obwohl die Anteile wahrscheinlich, das ist ja das Ziel gerade bei diesen Familienunternehmen, diese Anteile nie zu verkaufen. Das führt natürlich zu einem Problem. Hinzu kommt und das, Willi, das sehen wir ja im Grunde. Das macht mir eigentlich besonders Sorgen, so Unternehmer. Für die ist ja im Grunde ein sicheres, sicheres Umfeld und zwar sicher, meine ich auch vom Rechtsrahmen total wichtig. Und die reagieren sehr empfindlich darauf, wenn sie in Umfeld kommen, indem sie entweder möglicherweise eingeschränkt werden und zunehmend eingeschränkt werden. Ja, und da sehen wir eben, dass diese Menschen sich dann eben aus Deutschland verabschieden, weil sie eben Sorge haben, vielleicht irgendwann gar nicht mehr wegzukommen. Und ich meine, mit der neuen Wegzugsbesteuerung hat man da wieder eine neue Welle ausgelöst. Ich weiß auch gar nicht, warum man das immer vor Weihnachten machen muss. Vielleicht sollte ich mal, ich weiß was nicht, den deutschen Gesetzgeber in Amtshaftung nehmen? Ja, im Spaß ja. Weil natürlich immer meine Feiertage verdorben sind, weil die Leute jetzt in Massen davonziehen. Und das Problem ist, die kommen eben nicht wieder. Und dann ist es. Mir sind Milliarden an Kapital weg und man kann die Leute nicht wieder zurückbringen, weil sie nicht wissen, ob sie wieder wegkommen. Und das ist natürlich für den Standort Deutschland einfach schlecht.

Willi Plattes
Also meine Meinung dazu, lieber Jens und lieber Jörg, die Kapitalflucht, die ist ja schon da. Also das, was wir in den letzten sechs, sieben Monaten für eine Kapitalflucht aus Deutschland hatten, das sind Ausmaße, die sind immens. Das heißt also, der deutsche Unternehmer, so wie ich ihn erlebe, der möchte gerne in Deutschland bleiben, aber er investiert im Augenblick nicht mehr in Deutschland, viel in Osteuropa, dann in Amerika und wir haben eine sehr starke Tendenz in den arabischen Raum und diese Dinge, ich glaube, die müssen von der Politik aufgenommen werden. Es darf nicht eine Blase Politik, eine Blase Steuergesetze und eine Blase Unternehmer geben. Man muss miteinander diskutieren. Und lieber Jens, vielleicht kommst du noch mal darauf zu sprechen. Wir hatten ja dieses Urteil vom BFH in der Sache Schweiz, dass der BFH ganz eindeutig gesagt hat, dass die Stundung zu gewähren ist. Und da ist meine meine Information, dass man beim Finanzministerium, das war noch unter Christian Lindner, dass gesagt wurde, ja, wir wissen, dass das unsere rechtliche Einstellung oder unser Gesetz da nicht unbedingt EU-kompatibel ist. Aber wir werden das nicht ändern, sondern wir werden uns verklagen lassen. Und das hat mich schon sehr erschüttert. Ist das so oder sind meine Informationen da fälschlich?

Prof. Dr. Jens Schönfeld
Nein, das ist so, also das ist tatsächlich die Vorstellung, dass Wächtler im Grunde eigentlich so ein Ausfall war, also dass der EuGH das so nicht gemeint hat, sondern dass im Grunde falsch ausgedrückt hat, obwohl man sagen muss, das ist eigentlich relativ klar war, weil im Grunde ja die Frage schon auch nach altem Recht stand, ob die 5-jährige Ratenzahlung oder die Stundung zu gewähren ist und wo der EuGH klar gesagt hat, aus Liquiditätsgesichtspunkten ist eben das Stundungskonzept das mildere Mittel. Und dann muss man das umsetzen. Ja, und deswegen, ich habe das nie verstanden. Aber man muss auch sagen, selbst im EuGH ist das so, dass man sagt nein, nein, das war irgendwie ein bisschen fehlgeleitet, diese Entscheidung. Und hinzu kommt, wir haben ja ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet bei der EU Kommission. Dass uns die EU Kommission auch geantwortet hat und gesagt hat, also das mit den sieben Jahren Ratenzahlung, das passt schon. Und das ergebe sich eben auch aus dieser Anti Tax Avoidence Directive, wo ja im Grunde für im betrieblichen Bereich, wenn da ein Wegzug stattfindet von Wirtschaftsgütern, da eben auch ein Ratenzahlungskonzept niedergelegt ist. Und muss man sagen, also das kann in der Sache nicht richtig sein, weil erstens die ATAD, die gilt halt für Körperschaften. Und die Körperschaftssteuer, die hat überhaupt nichts mit natürlichen Personen und deren Wegzug zu tun. Und wie gesagt, ich sage es noch mal es ist eben ein Unterschied, ob ich einen Kran von Deutschland nach Belgien bringe oder ob ich von Deutschland nach Belgien ziehe, weil das eben unterschiedliche Rechte sind. Ich habe es auch gerade ja schon angedeutet, das hat was mit Menschenrechten zu tun, das hat was mit EU Grundrechten zu tun.

Und deswegen, selbst wenn man dazu käme und das gibt eine aktuelle Entscheidung aus Großbritannien, also zu einer Zeit, als die Briten noch Teil der EU waren, haben die sich auch darüber gestritten. Und da hat das britische Gericht gesagt, ja, irgendwie verstehen wir Wächtler und die anderen Entscheidungen irgendwie so, dass der Gesetzgeber offensichtlich da wählen kann zwischen Ratenzahlungs- und Stundungskonzept. Unterstellen wir mal, das wäre so, ja, wenn wir sagen, das stünde im Ermessen des Gesetzgebers, dann wissen wir als Juristen, dass das Ermessen immer vernünftig auszulegen ist und im Grunde, dass es ermessensleitende Richtlinien geben kann. Und die ergeben sich natürlich aus solchen Rechten, die ich gerade besprochen habe. Im Grunde sagt, das ein Menschenrecht, das ist ein EU Grundrecht, das hier eingeschränkt wird, weil Freizügigkeit halt eben eben über allem steht. Dann muss ich das Ermessen eben dahin ausüben, dass die geringste Beschränkung hier die verhältnismäßigste in Kraft tritt. Und das ist dann eben das Stundungskonzept. Das muss ich dann wählen als Gesetzgeber und nicht das Ratenzahlungskonzept.

Jörg Jung
Aber wenn der Gesetzgeber, der europäische Gesetzgeber, der deutsche Gesetzgeber, wenn die einfach stur sind und stur bleiben, dann bleibt es doch ein ewiges Reden um den heißen Brei herum, oder gibt es da Handhabe?

Prof. Dr. Jens Schönfeld
Ja, irgendwann wird es natürlich dazu kommen, dass das entschieden wird. Also es wird dazu kommen, das hat der erste Senat des Bundesfinanzhofs hat das ja auch schon angekündigt, dass wenn entsprechende Fälle kommen, dass man die voraussichtlich dann noch mal vorlegen werde. Und das ist interessant, was man so auch von Richtern auf öffentlichen Veranstaltungen hört, die im Grunde auch sagen, wir haben doch eigentlich das Stundungs-Konzept schon gehabt und irgendwie ist es doch damit gar nicht so schlecht gelaufen. Ja, warum führen wir das denn jetzt zurück? Also mit anderen Worten unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten hatte ich jedenfalls das Gefühl, dass die Richter auch sagen Mensch, also wenn man das schon mal gemacht hat und das funktioniert, warum muss man dann dahinter zurückbleiben und die Beschränkung erhöhen und das wird man letztlich hier dann irgendwann vom EuGH entscheiden lassen müssen. Aber was glaube ich noch viel interessanter ist, ist ja die Frage, wenn man das so sieht wie ich, dass man im Grunde sagt, das ist eigentlich ein Menschenrecht, dann ist das am Ende aller Tage vielleicht gar nicht mal nur eine Frage, die der EuGH entscheiden kann, sondern das kann dann auch ein nationales Gericht entscheiden. Weil, wenn das richtig ist, dass es ein Menschenrecht ist und ein allgemeiner Grundsatz des Völkerrechts ist und ich glaube, das ist so, das ist Menschenwürde, dass man eben sein Land verlassen kann. Und dann kann nämlich auch das nationale Recht nationale Gericht das selbst entscheiden. Weil nämlich allgemeine völkerrechtliche Grundsätze über dem Bundesrecht stehen. Ja, und dann könnte man an der Stelle letztlich auch bei einem Wegzug nach Amerika ja dieselben Regeln, auch was die Frage der Verhältnismäßigkeit anbelangt, ins Spiel bringen.

Willi Plattes
Also das ist die rechtliche Situation und wir haben ja jetzt gehört, dass das unendlich komplex ist, schwierig ist. Aber lassen wir doch jetzt mal den Unternehmer sehen, wie soll er entscheiden, wenn da die Steuer- und Rechtsfritzen diese Argumentationen nehmen, so wie wir sie jetzt haben, damit kommen die ja keinen Millimeter weiter. Sie müssen in dieser wirklich verrückten Welt, so wir sie im Augenblick haben, die müssen Entscheidungen treffen Und diese Entscheidungen, die sollten zeitnah gefällt werden, denn wir sind ja wirtschaftlich, ich sage mal, nicht im freien Fall, aber wir sind schon in einer dauerhaften Abwärtsspirale. Und ich sage mal, unser Wirtschaftsminister ist ja zwar mittlerweile vom Heizungskeller in die Küche hochgegangen, aber ob da die entsprechenden Dinge wirklich gemacht werden, wissen wir alles nicht. Nur wir stellen fest, dass die Mobilität, Jens, Du hast es ja gesagt, ein elementarer Bestandteil ist, um überhaupt international und global weiter tätig sein zu können und erfolgreich sein zu können. Und da habe ich mal eine Frage: Hast du in deinem Klientel Leute, die einfach sagen, ich will weg, weil Deutschland als Standort nicht mehr zukunftsfähig ist.

Prof. Dr. Jens Schönfeld
Ja, das gibt es zwei Ausprägungen. Das gibt es einmal eben mit "Wir müssen weg". Das heißt, wir müssen weg, auch mit unserem Kapital. Also letztlich, wo investieren wir eigentlich künftig? Ist es ist richtig, in Deutschland zu investieren oder auch im Ausland. Und das hat eben nicht nur was mit Steuern zu tun, das wird durch solch steuerliches Umfeld wird das natürlich befördert. Aber das hat mit vielen anderen Dingen zu tun. Das hat was mit Energiekosten zu tun. Das hat aber auch was damit zu tun, gibt es genug Manpower hier. Und es gibt andere Länder, in denen da einfach auch Know how und da sind Menschen, die eben noch arbeiten wollen und auch die Fähigkeiten haben und natürlich auch die Frage, wie wird man als Unternehmer empfangen? Wenn ich hier in Deutschland eine Fabrik bauen will, dann ist das ja erstmal gefährlich. Ja, und das ist nicht positiv,  wenn ich nach Texas gehe und sage, ich will da eine Fabrik bauen, dann wird mir, sage ich überspitzt, dass jetzt der rote Teppich ausgerollt und gesagt das ist toll, super. Und wie können wir das unterstützen? Brauchen Sie noch Land? Können wir irgendwas tun? Können wir ihnen irgendwie vielleicht auch ein Tax Break gewähren, damit das hier im Grunde vorangeht? Das heißt, das ist auch was Mentales. Das ist auch die Einstellung dort, wo man hingeht. Also von daher, das ist das eine, Weggehen und das andere ist natürlich, wir sehen, dass eben auch viele natürliche Personen, eben Deutschland, aus verschiedenen Gründen verlassen. Und auch das ist eben nicht nur steuerlich getrieben, ganz im Gegenteil. Also die allermeisten, die wegziehen, die ziehen eben weg, weil sie mit ihren Familien irgendwo hinziehen wollen, wo vielleicht auch die Bedingungen für die Kinder besser sind, wo sicherer das Umfeld ist, wo dann eben Schulen sind, wo sie eben sagen, ich zahle ja auch im Ausland Steuern, aber dann bekomme ich dann gegebenenfalls eben auch noch mehr.

Also die ganzen Wegzügler, die wir kennen, die nach Mallorca gezogen sind, ja, die sind ja nicht nach Mallorca gezogen, weil Mallorca eine Steueroase ist. Das Gegenteil ist ja der Fall, sondern die sind nach Mallorca gezogen, weil das dort einfach das Leben einfach für die Person, für den Personenkreis besser ist. Und das gibt es halt in vielerlei Hinsicht. Ja, also das gibt es. Die Menschen, die nach Amerika ziehen, die nach Frankreich ziehen aus persönlichen Gründen nach Italien, Portugal, wenn ich das sehe, dass Portugal beispielsweise die Steuer abschaffen will für Menschen unter 35 Jahren. Das heißt, wenn ich nach Portugal ziehe und ich bin jünger als 35, soll ich dort künftig keine Steuern mehr bezahlen? Ja, warum machen die das? Weil die natürlich die jungen Leute dort anziehen wollen. Und was haben die Portugiesen? Gutes Essen, schönes Wetter. Ja, das Meer ist nah. Also, da ist eine Riesenbewegung, von der wir uns letztlich als Deutsche auch hier ausschließen. Deswegen müssen wir da was tun. Und ich kann, die Frage ist die hier auch gestellt worden, was können eigentlich unsere Unternehmer tun? Natürlich können die ihr Vermögen so strukturieren, dass sie flexibel bleiben. Und am Ende bekommen wir auch jeden weggezogen, der wegziehen will. Der Aufwand, der wird halt immer größer. Ja, man muss immer überlegen, welche Bruchstellen man am Ende hinnehmen will und welche nicht. Also beispielsweise will ich auch mit Stiftungen arbeiten.

Willi Plattes
Da wollte ich jetzt drauf zu sprechen kommen, weil wir haben ja nun definitiv einen, eine höhere Nachfrage nach Stiftungen. Und wir hatten ja schon mal auf Mallorca über Stiftungen, über die deutsche, über die österreichische und die Liechtensteiner Stiftung hatten wir ja schon diskutiert mit hochkarätigen Leuten. Und das wäre natürlich interessant, ob da im Jahressteuergesetz irgendetwas geschehen ist.

Prof. Dr. Jens Schönfeld
Nein, das sehe ich nicht. Also bei den Stiftungen ist da nichts geschehen. Was man sehen muss ist, die Finanzverwaltung hat eben auf ausländische Familienstiftungen reagiert. Ich meine das sehr technisch, aber ich meine, alle wissen das. Und das war eigentlich auch ein Grund, weshalb ich immer kritisch gegenüber Stiftungen war und im Grundsatz auch bin. Ja, weil das Vermögen ist natürlich weg und wenn man das möchte, also man im Grunde auch noch Deutsch in Deutschland Beziehungen hat, also Begünstigte dort sind oder der Stifter vielleicht selbst noch in Deutschland ist oder den deutschen Steuerzugriff anderweitig unterliegt, dann bekommt man eben nur Schutz bei einer EU, EWR Stiftung, wenn man sich von seinem Vermögen wirklich getrennt hat. Das heißt, man muss wirklich alles getan haben, um letztlich auf die Stiftung, nicht auf das Unternehmen, aber auf die Stiftung, da keinen Einfluss mehr zu nehmen. Und dann wird einem auch nicht über diese Vorschrift, Paragraph 15 Außensteuergesetz eine Vorschrift, die ansonsten das Einkommen der Stiftung einem auch dann zurechnen würde. Und da hat man eben Schutz, wenn man sich von seinem Vermögen wirklich getrennt hat und weit weg ist. Das ist natürlich auch für Unternehmer schwierig, diesen Schritt zu gehen. Und da gibt es natürlich auch Möglichkeiten, das in den Griff zu bekommen. Aber was ich sagen wollte ist, im Anwendungserlass im Außensteuergesetz gibt es jetzt eine Regelung. Denn wenn diese Stiftung zum Beispiel an einer ausländischen Gesellschaft beteiligt ist und die erzielt niedrigbesteuerte passive Einkünfte, wie wir so schön sagen, dann sollen trotzdem die Einkünfte dieser ausländischen Gesellschaft den Stiftern und Begünstigten zugerechnet werden, obwohl die sich eigentlich von ihrem Vermögen getrennt haben und eigentlich diesem EU-, EWR-Schutz unterliegen. Also das muss ich sagen, widerspricht eigentlich dem Wortlaut des Gesetzes, findet sich aber so im Anwendungserlass zum Außensteuergesetz.

Die zweite wichtige Entscheidung ist im letzten Jahr vom Bundesfinanzhof. Das betrifft die Errichtung einer Stiftung. Ja, wenn man das macht. Wenn man eine Stiftung errichtet und dort Vermögen hin überträgt, dann kann man sich ja auch fragen, zu welchem Steuersatz ist das hier eigentlich? Ist das wie ein fremder Dritter? Sind das irgendwie 50 % Steuern? Da gibt es irgendwie Freibeträge. Kann ich auch die ganzen Betriebsvermögen-Verschonung und dergleichen irgendwie in Anspruch nehmen? Klammer auf: Letzteres ja. Aber bei der Frage, welche Freibeträge hier zur Anwendung kommen, das stellt im Grunde darauf ab, wer nach der Satzung der am weitesten entfernte Begünstigte ist. Das heißt, wenn man dort vielleicht sogar in der Satzung aufgenommen hat, dass Ersatz-Begünstigter am Ende aller Tage, wenn die Familie ausgestorben ist, vielleicht eine gemeinnützige Stiftung sein soll, das ist eine Katastrophe, weil das natürlich dann möglicherweise dazu führt, dass man dann den vollen Steuersatz und kaum Begünstigung hat. Ja, und das Gleiche gilt natürlich, wenn man den Kreis der Familie zu weit zieht. Also man muss im Grunde auch bei der Ausgestaltung so einer Stiftung beispielsweise die Satzung sich genau anschauen. Wenn ich die Satzung so gestalte, dass ich sage, Begünstigte ist meine Ehefrau und nur meine Kinder, ja, dann habe ich natürlich höchstmögliche Freibeträge und kleine Steuersätze. Ja, weil dann so getan wird, als hätte ich das im Grunde auf meine Kinder und meine Ehefrau übertragen. Das sagst du und wie mache ich das eigentlich, wenn die irgendwann nicht mehr da sind? Dann muss man halt sagen, dann muss man die Stiftungssatzung eben so ausgestalten, dass dann irgendwann mal die Kinder vor ihrem Ableben als letzte Begünstigte den Kreis erweitern können, indem sie die Stiftungssatzung dann erweitern. Und wenn sie das tun, klar, dann erweitert man natürlich auch wieder den Kreis. Aber das betrifft nicht die Übertragung des Vermögens. Also das ist jetzt schon sehr, sehr technisch. Aber das ist eine wichtige Entscheidung aus diesem Jahr.

Willi Plattes
Sie sehen, es ist total komplex, aber es gibt Lösungen und wir sind sehr froh, dass Jens Schönfeld am Dienstag bei unserem Event, bei unserem Jahresabschlusssevent für Neuerungen, Neues Denken für 2025 mit an Bord ist. Und ich freue mich auf die Diskussionen mit ihm, die wir dann, ich sage mal nicht sehr technisch, aber wirklich verständlich für unsere Zuschauerinnen und Zuschauer dann rüberbringen. Und sie dürfen dann natürlich auch Fragen stellen. Lieber Jens, auch vielen herzlichen Dank, dass Du am kommenden Dienstag hier auf der schönsten Insel der Welt bist.

Prof. Dr. Jens Schönfeld
Ja, sehr gerne.

Jörg Jung
Am 26.11. Hoppla, das ist ja auch schon am Dienstag ab 13.00 Uhr im Club der Mallorca Zeitung. Das "Mallorca-Update zum Jahreswechsel" und nicht nur Willi Plattes wird mit dabei sein, sondern wie gehört Prof. Dr. Jens Schönfeld, Partner von Flick, Gocke Schaumburg. Ich freue mich darauf und bedanke mich recht herzlich für diesen auch sehr aufschlussreichen Talk, muss man sagen.

Willi Plattes
Vielen Dank!

Prof. Dr. Jens Schönfeld
Ja, vielen Dank!

Autor: Jörg Jung /Mitarbeit: C. Schittelkopp

04. Dezember 2024

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