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Des Erbrechts Freund kann des Steuerrechts Leid sein

Das Berliner Testament mag eine beliebte Option für Ehepaare sein, doch neueste Urteile des BFHs enthüllen die verborgenen Tücken der Testamentgestaltung.

04. April 2024

Das Berliner Testament erfreut sich bei Ehepaaren in Deutschland großer Beliebtheit. Eine Untersuchung des Instituts für Demoskopie Allensbach aus dem Jahr 2018 zeigt, dass sich nahezu zwei Drittel aller Ehepaare für diese Form der Nachlassregelung entscheiden. Bereits im 19. Jahrhundert in Berlin, unter der Geltung des Allgemeinen Preußischen Landrechts, praktiziert, fand die sogenannte Einheitslösung mit der Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) am 1. Januar 1900 Verbreitung. Sie sieht vor, dass beim Tod des zuerst versterbenden Ehepartners dessen Vermögen mit dem des überlebenden Partners verschmilzt. Die gemeinsamen Kinder, als Schlusserben, erben schließlich das verbleibende Vermögen nach dem Tod des länger lebenden Ehepartners.

Die rechtliche Grundlage findet sich in § 2269 BGB. Das Hauptziel des Berliner Testaments ist es, den überlebenden Ehegatten finanziell abzusichern und zu vermeiden, dass enterbte Nachkommen bereits beim ersten Erbfall ihren Pflichtteil einfordern. Dies könnte insbesondere bei größeren Sachvermögen dazu führen, dass Vermögensgegenstände verkauft werden müssen, um die Kinder auszahlen zu können. Um dies zu umgehen, greift man in der erbrechtlichen Planung oft zu sogenannten Pflichtteilsstrafregelungen, wie beispielsweise der „Jastrowschen Klausel“. Diese regelt, dass Kinder, die beim Tod des zuerst verstorbenen Elternteils nur ihren Pflichtteil erhalten haben, auch beim Tod des zuletzt verstorbenen Ehegatten nicht mehr erben. Demgegenüber werden diejenigen Nachkommen belohnt, die sich kooperativ zeigen, indem sie beim Tod des zuerst verstorbenen Ehegatten ein Vermächtnis erhalten, das nach dem Ableben des zweiten Ehegatten zur Auszahlung kommt.

Ein jüngstes Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) (II R 34/20, NJW 2024, 918) hat jedoch die Schattenseiten solcher Testamentgestaltungen im Hinblick auf die Erbschaftsteuer aufgezeigt. Durch die Enterbung der Kinder beim ersten Erbfall gehen wertvolle Steuerfreibeträge in Höhe von 400.000 Euro pro Kind verloren. Die „Jastrowsche Klausel“ führt zudem dazu, dass der Wert des Vermächtnisses doppelt der Erbschaftsteuer unterliegt: einmal beim überlebenden Vollerb, auf den der Nachlass des Verstorbenen übergeht, und ein weiteres Mal beim Kind als Vermächtnisnehmer des später fälligen Vermächtnisses. Um diese nachteilige Besteuerung zu vermeiden, kann es ratsam sein, den Kindern bereits beim ersten Erbfall ein Vermächtnis bis zur Höhe des Steuerfreibetrags auszuzahlen, was allerdings den Nachlass des überlebenden Ehegatten schmälert.

Die Entscheidung des BFH spricht sich nicht grundsätzlich gegen das Berliner Testament aus. Sie macht jedoch darauf aufmerksam, dass sowohl Erb- als auch Steuerrecht in die Überlegungen zur Nachlassgestaltung einbezogen werden sollten.

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