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Erbschaftsteuer & Unternehmensnachfolge unter politischem Druck

Die Rechtslage ist komplex, die Spielräume sind eng, und die aktuelle Diskussion sorgt für existenzielle Unsicherheit.

20. November 2025

Die Erbschaftsteuer gehört zu den politischen und rechtlichen Dauerbaustellen Deutschlands. Jedes Jahr werden Vermögenswerte im Umfang von geschätzt 300 bis 400 Milliarden Euro vererbt oder verschenkt. Davon unterliegt aktuell nur ein Teil der Besteuerung: Rund 113 Milliarden Euro werden steuerlich erfasst – davon 46,4 Milliarden Euro Immobilien, 21,5 Milliarden Euro Betriebsvermögen und 7,4 Milliarden Euro Anteile an Kapitalgesellschaften.

Für Unternehmerfamilien ist die Erbschaftsteuer besonders relevant, weil Betriebsvermögen zwar im Grundsatz begünstigt wird – aber nur, wenn strenge gesetzliche Voraussetzungen erfüllt sind. Die Rechtslage ist komplex, die Spielräume sind eng, und die politische Diskussion sorgt für existenzielle Unsicherheit.

Warum das Thema jetzt besonders unter Druck steht

In den letzten Jahrzehnten musste der Gesetzgeber mehrfach nachbessern, weil das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Erbschaftsteuer teilweise für verfassungswidrig erklärt hat. Zuletzt wurde 2014 entschieden, dass die Begünstigung für Betriebsvermögen zwar grundsätzlich richtig ist, aber zu großzügig ausgestaltet war – vor allem für große Unternehmensvermögen. Die Folge: deutlich strengere Regeln seit 2016, insbesondere bei Verwaltungsvermögen, Lohnsummen und Behaltefristen.

Derzeit steht ein neues Verfahren (1 BvR 804/22) im Raum. Sollte das Bundesverfassungsgericht einschreiten, müsste der Gesetzgeber erneut nachjustieren. Möglich wären weitere Einschränkungen der Verschonungsregeln oder neue Anforderungen an Bewertung und Bedürfnisprüfung. Eine Entscheidung wird branchenweit für 2025/2026 erwartet.

Parallel nimmt die politische Spannung zu: Während einige Stimmen eine höhere Belastung großer Erbschaften fordern, warnen andere davor, den Mittelstand und die Unternehmensnachfolge zu gefährden. Das Thema ist zu einem wirtschaftspolitischen Brennpunkt geworden.

Wie funktionieren die aktuellen Verschonungsregelungen?

Unternehmensvermögen kann aktuell zu 85 Prozent (Regelverschonung) oder 100 Prozent (Optionsverschonung) steuerfrei übertragen werden.

Die Voraussetzungen:

  • das Unternehmen enthält überwiegend begünstigtes Vermögen (Produktivvermögen, nicht Verwaltungsvermögen),

  • die Lohnsummen werden über fünf bzw. sieben Jahre eingehalten,

  • das Unternehmen wird fortgeführt (Behaltefristen),

  • und die Struktur enthält nicht zu viel junges Verwaltungsvermögen oder Finanzmittel.

Zahlenbeispiel: Unternehmenswert von 11 Millionen Euro

Begünstigtes Vermögen: 10 Millionen Euro
Verwaltungsvermögen: 1 Million Euro

  • Regelverschonung (85 Prozent):
    8,5 Millionen Euro steuerfrei
    1,5 Millionen Euro steuerpflichtig
    1 Million Euro Verwaltungsvermögen = 2,5 Millionen Euro steuerpflichtig 
    Abzüglich Freibetrag (Kind): 400.000 Euro
    = 2,1 Millionen Euro zu versteuern - Steuerklasse I, 19 Prozent Steuersatz
    = 399.000 Euro Erbschaftsteuer.

  • Optionsverschonung (100 Prozent):
    10 Millionen Euro steuerfrei
    1 Million Euro steuerpflichtiges Verwaltungsvermögen
    abzüglich Freibetrag (Kind): 400.000 Euro
    = 600.000 Euro zu versteuern mit Steuersatz 15 Prozent
    = 90.000 Euro Erbschaftsteuer.

Dieses Beispiel zeigt deutlich: Die Gestaltung entscheidet über Hunderttausende Euro.

Welche Fallstricke gibt es?

1. Verwaltungsvermögen
Alles, was nicht produktiv eingesetzt wird – z. B. Wertpapiere, vermietete Immobilien, überhöhte Finanzmittel – kann die Verschonung gefährden. Besonders riskant: „junges Verwaltungsvermögen“, das innerhalb der letzten zwei Jahre eingebracht wurde. Es ist immer voll steuerpflichtig.

2. Lohnsummen
Unternehmen mit mehr als fünf Mitarbeitern müssen bei der Regelverschonung 250 Prozent und bei der Optionsverschonung bis zu 500 Prozent der Ausgangslohnsumme erreichen (über fünf bzw. sieben Jahre). Ein Unterschreiten führt zu einer anteiligen Rückforderung der Steuerbegünstigung.

3. Behaltefristen
Veräußert der Erwerber innerhalb von fünf bzw. sieben Jahren wesentliche Betriebsgrundlagen, kann die Steuerbefreiung vollständig entfallen.

4. Strenge Zeiträume
Der Gesetzgeber knüpft viele Verschonungsregeln an Rück- und Vorlaufzeiträume von bis zu 20 Jahren. Schon ein einziger „Fehltritt“ in einer Finanzierungs- oder Gesellschaftsmaßnahme kann später erhebliche steuerliche Folgen auslösen.

Was passiert, wenn das BVerfG einschreitet?

Die Szenarien reichen von: kompletter Zurückweisung (Status quo bleibt), bis zu einer Unvereinbarkeitserklärung mit Übergangsfrist, oder sogar einer Nichtigkeitserklärung einzelner Normen. Letzteres würde bedeuten: Der Gesetzgeber müsste kurzfristig handeln – mit möglicherweise tiefgreifenden Änderungen. Fachkreise rechnen damit, dass die Verschonung für große Unternehmensvermögen restriktiver wird.

Was bedeutet das für Unternehmerfamilien jetzt?

Die klare Empfehlung lautet: Frühzeitig handeln.

  • Geplante Nachfolgen nicht aufschieben.

  • Verschonungsmodelle prüfen und – wenn sinnvoll – zeitnah nutzen.

  • Verwaltungsvermögen optimieren und Risiken wie „junges Verwaltungsvermögen“ ausschließen.

  • Gesellschaftsverträge, Familienvereinbarungen und Pflichtteilsrechte sauber abstimmen.

  • Bewertung frühzeitig beauftragen (oft Engpassfaktor!).

Kurzfristige politische oder rechtliche Veränderungen können Gestaltungsspielräume plötzlich schließen.

Warum das Thema strategische Bedeutung hat

Familienunternehmen bilden das Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Doch die Unternehmensnachfolge ist heute so anspruchsvoll wie selten zuvor: steuerlich, rechtlich, familienstiftend und gesellschaftlich.

Die Erbschaftsteuer ist dabei kein rein fiskalisches Thema. Sie entscheidet darüber, ob Unternehmen fortgeführt, Arbeitsplätze gesichert und Familienvermögen erhalten werden können.

Fazit

Die Erbschaftsteuer in Deutschland steht erneut unter Druck. Die Regeln sind komplex, die Rechtsprechung in Bewegung, der politische Druck hoch. Für Unternehmerfamilien bedeutet das: Gestalten statt Abwarten.

Veranstaltungshinweis: Bei unserem Event “Familienvermögen in Krisenzeiten” am 30. und 31. Januar 2026 können Sie mit Spezialisten über die Themen Erbschaftsteuer, Unternehmerfamilien und internationale Mobilität sprechen. Veranstaltungsort: Motorworld Mallorca (Programm und Anmeldung).

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