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Der MZ-News-Talk: "Over-Tourism" - auf Mallorca regt sich was!

Ihr monatliches Mallorca-Update immer am Puls der Insel mit dem Chefredakteur der Mallorca Zeitung, Ciro Krauthausen, und Jörg Jung.

Auf den Kanaren gab es vor einigen Tagen schon heftige Proteste. Grund dafür ist "Over-Tourism"! Auch auf Mallorca bemerken wir schon jetzt im Mai einen rekordverdächtigen Urlauber-Ansturm. Wie soll das erst in der Hochsaison werden? Fragt sich auch die Balearen-Regierung und plant nun neue Maßnahmen. Wir reden darüber mit Ciro Krauthausen, dem Chef-Redakteur der Mallorca Zeitung...

Jörg Jung 
"It's over". Nicht Game Over zwingend, aber Over-Tourism. Und genau darüber reden wir im MZ News-Talk Mai 2024 mit dem Chefredakteur der Mallorca Zeitung, Ciro Krauthausen, einmal mehr am Mikrofon. Hallöchen!

Ciro Krauthausen 
Hallo!

Jörg Jung 
Ja, und ich kann die Vorgeschichte erzählen: Ciro Krauthausen und ich, wir stimmen uns dann immer ab, was machen wir denn in dem Monat? Ciro hat direkt gesagt: Thema bitte Overtourism! Da merkt man, wie brenzlig das ist. Und es ist tatsächlich subjektiv und objektiv einfach so, die Insel ist jetzt schon brechend voll.

Ciro Krauthausen 
Genau. Es hat sich, glaube ich, einiges zusammengebraut. Der Tag, an dem wir hierüber reden, ist auch ein Tag, an dem auch ungeahnte Entwicklungen sich anbahnen und Entscheidungen getroffen worden sind. Wir werden die Tragweite sehen. Das Unbehagen, was auf der Insel schon lange existiert, ob es nicht auch etwas weniger Massentourismus sein könnte, was ich auch schon seit Jahren kenne und das, was sich normalerweise dann auch in der Hochsaison besonders deutlich manifestiert, tritt dieses Jahr schon auf. Wir haben jetzt gerade Anfang Mai. Die Leute haben das Gefühl, seit April steppt hier schon der Bär wieder. Es hat einige Vorfälle gegeben, die dann auch medial und in den sozialen Netzwerken verbreitet worden sind und die dann auch dazu beigetragen haben, dass die Stimmung da, ich würde schon fast sagen gekippt ist.

Ellenlange Staus in der Zufahrt nach Sóller. Viele, viele Hörer werden diesen Tunnel kennen, der von Palma in das sogenannte Orangental führt. Und da will man eigentlich nicht stecken bleiben bei einer Vollsperrung. Aber ist halt geschehen vor lauter Mietwagen, die dann am ersten Maiwochenende auf der Insel waren. Auch in Zusammenhang mit einem Brückenwochenende in Madrid. Dann kommen auch die Madrilenen und es war halt voll und es war nicht nur dort voll, es war auch woanders voll. Es ist auch noch weiterhin voll. Das in Kombination mit einem Problem, was wir hier auch schon besprochen haben, was wir auch noch weiter besprechen werden, die große Wohnungsnot auf der Insel, dass viele Leute sagen, wir finden keine Wohnungen mehr und es gibt keine mehr auf dem Markt. Das zusammen mit dieser Menge an Urlaubern hat zu einer Stimmung geführt auf der Insel, die, wie man jetzt festgestellt hat, auch der Landesregierung ernsthafte Sorgen macht.

Jörg Jung 
Wir können jetzt auch noch mal sagen, also Aufzeichnungstermin dieses News-Talks war am vergangenen Freitag und genau an diesem vergangenen Freitag hat die PP jetzt tatsächlich verkündet, man will da mal über drastische Maßnahmen und Reduzierungen der Urlauberbetten nachdenken.

Ciro Krauthausen 
Drastisch machen wir mal in Anführungsstrichen. Aber was bezeichnend ist, es ist eine 180 Grad Kehrtwende der PP, die als immer unternehmerfreundlich, tourismusfreundlich galt und auch noch ist sicherlich. Aber die jetzt angesichts dieses Unbehagens, wenn man so will, die Notbremse zieht und sagt, okay, das ist ein Beschluss des Inselrats. Der Inselrat musste eigentlich aufgrund der Vorarbeit der Vorgängerregierung, der linken Vorgängerregierung darüber entscheiden, wie sieht es jetzt aus? Wie viele Betten und Unterkunftsmöglichkeiten lässt man auf der Insel zu? PI mal Daumen sind es 430.000 zwischen Hotels und Ferienvermietung. Und da gab es natürlich Stimmen, dass man doch da vielleicht auch mal drangehen könnte und ob man das nicht irgendwie anders verteilen könnte. Nein, es soll jetzt auch reduziert werden. Jetzt nicht drastisch, deswegen in Anführungsstrichen. Es sollen jetzt irgendwie 11.000 in der Ferienvermietung und 7.000 Hotelbetten eingespart werden, nach und nach. Das Besondere ist sozusagen diese Kehrtwende. Und außerdem hat die Ministerpräsidentin gesagt, es ist Zeit, auch mal eine Grenze zu ziehen oder ein Limit zu ziehen. Und auch das hätte man vor eins zwei Jahren von der konservativen Volkspartei nicht erwartet.

Jörg Jung 
Noch nicht mal vor ein, zwei Jahren. Wir waren noch vor drei Wochen auf dem Stand. Da haben wir auch schon in vergangenen Folgen darüber berichtet, dass dieses Moratorium aufgehoben werden soll, dass die Vergabe, die Neuvergabe von Ferienimmobilien-Lizenzen dann aus dem Status quo "es gibt keine neue Vergabe". Das wird ja dann auch wieder in Frage gestellt. Man hat eigentlich vor zwei Wochen noch gedacht, das kommt bald, dass man da wieder eventuell einen neuen Pool an Ferienlizenzen kriegt. Ich glaube, das Thema ist dann mal vom Tisch. Was denkst du, ist genau diese Stimmung auf Mallorca tatsächlich ein hausgemachtes Problem oder schwappt so die Spanienstimmung dann eher hierher? Wir kennen das ja von den Kanaren vor 3 bis 8 Tagen oder vor zwei Wochen, da gab es dieselben Proteste. Also was ist jetzt eher so der entscheidende kleine Funke? Ist es der Hausgemachte oder ist es eine spanienweite Welle?

Ciro Krauthausen 
Ja, richtig, das kommt noch hinzu. Das dürfte ein weiteres Element sein in dieser Kehrtwende, die wir da sehen. Man könnte den Bogen noch weiter spannen und sagen, das ist jetzt nicht nur ein spanisches Problem, sondern man sieht es auch an anderen Feriendestinationen. Also Overtourism wird international diskutiert und es gibt da auch sicherlich keine Zauberlösung, wie man damit umgeht. Alle sind am Experimentieren. Das gleiche Problem hat ja auch Venedig oder Paris oder Barcelona. Also alle attraktiven Reiseziele denken darüber nach. Wie kann man die Touristenströme besser steuern? Wie gesagt, es setzt hier auch auf, auch auf diese Erkenntnis, dass es eigentlich so nicht weitergehen kann. Hier kommt noch hinzu, Mallorca ist eine Insel, da sind die Ressourcen noch begrenzter und es passt auch ganz gut dazu, zu einer im Grunde genommen auch festgelegten Linie, dass man eigentlich schon seit Jahren versucht, das Niveau des Tourismus jetzt auch - es ist immer so eine Frage was ist Qualitätstourismus? - aber dass man schon versucht, auch hochwertigere Urlaubsangebote zu unterbreiten, die dann in den großen Luxushotels, die auch sehr personalintensiv sind, wo also auch sehr viele Leute in Lohn und Brot kommen und immer mit dem Hintergedanken, es wäre vielleicht nicht schlecht, wenn etwas weniger Leute kämen, die aber mehr Geld ausgeben, so dass sozusagen die Umsätze auch weiterhin erzielt werden können. Das ist sozusagen das, was eigentlich schon seit Jahren beabsichtigt ist.

Jörg Jung 
Woran hapert es? Je größer die Anstrengungen sind und je mehr die Überlegungen werden, desto mehr Touristen kommen auf die Insel und es wird trotzdem alles überschwemmt. Also, wo ist der Widerspruch?

Ciro Krauthausen 
Ja, was heißt Widerspruch? Ich glaube auch, die Angebote sind höherwertiger geworden in vieler Hinsicht. Es gibt ja Unmengen an Fünf Sterne Hotels. Die Woche hat wieder eines aufgemacht. Was mir auffällt - das ist jetzt rein subjektiv bemerkt - wenn ich durch Palmas Innenstadt laufe, höre ich gar nicht mehr so viel - also Spanisch und Mallorquinisch sowieso irgendwie begrenzt - aber ich höre jetzt nicht mehr Deutsch. Das ist nicht mehr unbedingt die vorherrschende Sprache. Ich glaube, es kommen auch immer mehr internationale Urlaubergruppen, die Zielmärkte, wie das touristische tourismustechnisch heißt, die ändern sich und oder werden mehr. Woran liegt's also? Man kann ja nicht irgendwie die Insel zumachen. Die Insel bleibt ja ein attraktives Reiseziel und das wissen wir ja sehr gut. Und es gibt keine Zauberlösung. Es sind Prozesse, die langsam in Gang kommen.

Jörg Jung 
Langsam ist das große Stichwort, weil in dem Jahr kriegst du diese Urlauberflut - und ich glaube, wir sind uns beide einig, dass es in dem Jahr sehr viel sein wird. Entsprechend wachsen dann auch die Proteste. Da wird vielleicht noch was auf uns zukommen - aber in dem Jahr kriegt man das ja auch nicht eingedämmt und im nächsten Jahr auch nicht. Das sind schleichende kleine Prozesse, weil es ja auch wirtschaftsfreundlich und konform sein muss. Wie siehst du das? Wann würde man es denn in den Griff kriegen?

Ciro Krauthausen 
Ich denke schon, dass sich da womöglich - unter der Voraussetzung, dass jetzt keine globalen Krisen oder Pandemien hinzukommen usw. - dass es in zehn Jahren schon etwas anders aussieht hier auf der Insel. Man sieht ja schon die Veränderungen auf dem Immobilienmarkt, man sieht die Veränderungen bei den Hotels, man sieht viele Veränderungen. Wir sollten auch noch mal das böse Wort Ballermann aussprechen in diesem Zusammenhang, weil auch das ist heute bekannt gegeben worden, dass erstmals tatsächlich - das steht dann auf dem Papier, wir werden sehen, wie das durchgesetzt wird - aber dass erstmals verboten wird und unter Androhung von hoher Strafen, also bis zu 1.500 €, am Strand und auf offener Straße an der Playa de Palma, also an dieser Partyzone Ballermann Alkohol zu trinken. Und wenn man da unterwegs ist, denkt man, das wird ein Einschnitt sein. Diese Art von Massentourismus, was auch schon seit Jahren gesagt wird und explizit auch so benannt wird, diesen Exzess-Tourismus, den will man nicht mehr auf der Insel haben. Aber auch da wird jetzt etwas unternommen.

Jörg Jung 
Wir erinnern uns an den Ferrer, der das schon seit Jahren probiert, aber irgendwie konnte dieses Konzept nicht Fuß fassen. Wenn du sagst und das ist ja auch richtig 1.500 € Strafe, wenn man dann auf der Mauer an der Playa oder auf der Straße Alkohol konsumiert, wer soll es denn am Ende kontrollieren und umsetzen? Da fehlt es ja auch hinten und vorne an Personal. Ich erinnere mich an eine Episode von neulich, wo wir gesagt haben, ja selbst für die Polizei gibt es keine Wohnungen mehr, also wer soll es denn am Ende kontrollieren und umsetzen?

Ciro Krauthausen 
Vielleicht reicht ja auch schon, wenn man sozusagen punktuell immer mal wieder 1.500 € Knöllchen ausstellt und die Urlauber dann begleitet bis ins Hotel und dann irgendwie die Kreditkarte zücken lässt. Also ich glaube schon, dass das sozusagen eine abschreckende Wirkung haben könnte. Aber wenn man es sich genau überlegt: solange in den einschlägigen Partylokalen, das sind ja Riesenschuppen, wo tausende von Menschen ein und ausgehen, solange da so offenkundig der Alkohol besungen wird, weil das ist auch der Inhalt dieser ganzen Ballermanngeschichten.

Jörg Jung 
Das ist die Philosophie, dessen.

Ciro Krauthausen 
Die Philosophie dessen. Tschüss Niveau, bis morgen, wenn man das in einem Satz ausdrückt. Solange das so ist, wird das natürlich jetzt nicht so viel verändern, weil ja weiterhin dort getrunken wird und bis zur Besinnungslosigkeit getrunken wird. Und dann torkeln die Leute halt vielleicht auf den Strand und und es sieht dann trotzdem nicht viel ansehnlicher aus.

Jörg Jung 
Dann sind wir wieder bei der Crux. Wer hat den längeren ... ich nenne es Atem? Die großen Betreiber von den großen Partyschuppen, die bis jetzt immer so ein bisschen am längeren Hebel saßen? Egal was passiert ist, sie hatten immer am Ende dann doch wieder ihr Ding durchgekriegt. Oder die Politik bzw. die Behörden? Das bleibt die große Frage. Bislang war der längere Hebel immer bei den großen Partyhochburgen.

Ciro Krauthausen 
Ja gut, wenn man jetzt sagt, Alkoholkonsum wird auf der Straße verboten, kann das ja auch ihnen nur recht sein, wenn, unter der Voraussetzung, dass ja eigentlich der Alkohol besungen wird, der muss dann halt jetzt in den in den Lokalen getrunken werden. Und das kann ihnen ja durchaus recht sein, die machen jetzt irgendwie kein schlechtes Geschäft damit. Ich glaube tatsächlich, solange das nicht so ein bisschen aus den Köpfen rausgeht, dass das eine attraktive Form des Urlaubs ist, sich hier auf Mallorca die Hucke volllaufen zu lassen, wird das nicht so ganz einfach sein, das in den Griff zu kriegen. Und das ist ja in den vergangenen zwei, drei Jahren ja auch noch populärer geworden teilweise. Da ist es natürlich dann nicht mit ein paar Knöllchen und mit ein paar Polizeistreifen getan, wenn das so in den Köpfen ist.

Jörg Jung 
Ja, also ich vermute da auch, eine neue Kampagne dort ist schwer unterzubringen. Mal gucken, was da noch passiert. Lieber Ciro, ich habe tatsächlich auch den Eindruck, wir werden in diesem Jahr noch sehr oft darüber reden. Wir sind gespannt, wie sich das alles entwickelt. Ich muss sagen, ich wohne in Moscari auf dem Land zwischen Schafherden und habe jetzt auch die ersten deutschen Touristen auf dem Landweg ständig. Also es irgendwas ist komisch, aber es sind Deutsche.

Ciro Krauthausen 
Aber es sind Deutsche in dem Fall?

Jörg Jung 
In dem Moment waren es Deutsche.

Ciro Krauthausen 
Aber ich glaube es tut nicht so viel zur Sache, welche Nationalität es ist.

Jörg Jung 
Also es sind sehr viel Franzosen, also ich höre sehr sehr viele Menschen aus aus Frankreich mittlerweile, ja und Skandinavier.

Ciro Krauthausen 
Ja und ich meine, es ist ja auch nicht so, dass man sich nicht über Urlauber freut oder Besucher freut. Ich glaube, das ist auch eine Gefahr darin, wie man jetzt mit diesem Thema Overtourism und der Diskussion auf Mallorca umgeht, dass das rüberkommt, die wollen uns nicht mehr. Das würde, glaube ich, auch niemand hier auf der Insel so unterschreiben. Die härtesten Tourismuskritiker von, es gibt da auch diverse Vereinigungen, Umweltschutzverband GOB zum Beispiel, die würden das auch nicht so sagen "Wir wollen keine Besucher mehr". Man will halt - und das ist auch wieder eine Kampagne, im Grunde genommen der Landesregierung - man will einen verantwortungsbewussteren Tourismus und ein einen auch nachhaltig tragbaren Tourismus.

Jörg Jung 
Kann auf Dauer für alle Beteiligten hier auf der Insel nur gut tun. Vielen Dank Ciro Krauthausen, das war der MZ News Talk, Mai 2024. Wir hören uns im Juni wieder und dann gucken wir mal, wie die Touristenzahlen dann sind.

Ciro Krauthausen 
Schauen wir uns an bis dahin.

Autor: Jörg Jung / Mitarbeit: C. Schittelkopp

14. Mai 2024

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