Der MZ-News-Talk: Politischer Scherbenhaufen auf den Balearen
Was Deutschland kann, kann Mallorca schon lange - zumindest politisch. Die Balearen-Regierung ist prinzipiell Geschichte. Die konservative Volkspartei PP, die sowieso schon nur eine Minderheitsregierung stellte, bekommt keinen Rückhalt mehr von den Rechtspopulisten. Was bedeutet das für Mallorca in naher Zukunft? Wir reden darüber im monatlichen News Talk mit dem Chefredakteur der Mallorca Zeitung Ciro Krauthausen ...
Jörg Jung
Was Deutschland kann, kann Mallorca schon lange, zumindest politisch. Wir reden darüber, und zwar im MZ News Talk Dezember 2024 und zum zwölften Mal in diesem Jahr hier zu Gast, Ciro Krauthausen, der Chefredakteur der Mallorca Zeitung. Hallo, ich grüße dich.
Ciro Krauthausen
Hallo Jörg.
Jörg Jung
Ja, wir haben es gerade gesagt, oder ich habe es gerade gesagt, was Deutschland politisch kann, kann Mallorca schon lange. Also wir wollen natürlich über die politischen Querelen reden, die es jetzt gerade in Palma gibt mit der Balearenregierung. In Deutschland gab es den großen Knall, sprich die Regierung ist zerplatzt, die Ampel, es wird Neuwahlen geben und etwas ähnliches haben wir ja auch jetzt gerade auf den Balearen auf Mallorca vorzufinden.
Ciro Krauthausen
Ja, natürlich in einem anderen Maßstab und mit anderen Bedingungen oder Rahmenbedingungen. Aber es ist tatsächlich sehr drunter und drüber gegangen in den vergangenen Wochen. Man kann sagen, auch hier ist ein Band zerschnitten worden, soweit man das absehen kann, und zwar zwischen der regierenden konservativen Volkspartei unter Ministerpräsidentin Marga Prohens und der rechtsextremen Vox, die die Regierung tolerierte, nicht an der Regierung beteiligt war, aber sie tolerierte und damit so Mehrheiten verschaffte. Um zu erklären, was da vorgefallen ist, muss man einmal kurz zurückgehen. Also wir gehen noch mal zurück zum 28. Mai 2023. Die PP gewinnt die Wahlen, Marga Prohens wird wenig später zur Ministerpräsidentin gewählt, aber sie ist darauf angewiesen, von den von den Stimmen der rechtsextremen Parlamentarier der Volkspartei. Vox hat dann auch gleich die ersten Forderungen aufgestellt.
Mit Mühe und durchaus schwierigen Verhandlungen haben sich beide Parteien auf einen 110-Punkte-Papier geeinigt, was alles umzusetzen war. Das ist dann auch eine Weile gut gegangen, aber dann kamen auch die ersten Streitereien. Es ging auch gleich zu Beginn, also eine wichtige Frage für Vox ist, dass Spanisch, die spanische Sprache wieder stärker in den Vordergrund zu stellen und diese privilegierte Behandlung des Katalanischen, um die kleinere Sprache zu schützen, doch merklich abzuschwächen. Das ist ja ein ganz, ganz wichtiges Thema für Vox. Und da haben die auch gleich angesetzt. Das hat dann auch gleich zu ersten Konflikten geführt. Es ging hin und her, trotzdem hat man sich so einigermaßen zusammengeruckelt. Aber dann kam auch relativ schnell eine Entscheidung auf der nationalen Ebene von Vox, dass man sämtliche Regierungsvereinbarungen, in anderen autonomen Gemeinschaften hier in Spanien war Vox auch Teil der Regierung, aufkündigte. Und zwar ging es damals um die Probleme oder sozusagen die Frage, wie werden unbegleitete Minderjährige, irreguläre Migranten, wie werden die verteilt spanienweit und darüber ist dann sozusagen diese nationale Einigkeit mit der PP zu Bruch gegangen. Das hat also alles eine längere Vorgeschichte. Aber mit Hängen und Würgen konnte Marga Prohens regieren, bis es zu folgendem Problem kam.
Und jetzt nähern wir uns der Gegenwart. Und zwar, die Regierung verabschiedet eine Verordnung, ein Dekret zum Bürokratieabbau. Das ist im Mai geschehen. Das war eine Verordnung, in der alles Mögliche reingepackt worden ist. Man sprach hier auf Mallorca von dem Omnibus-Dekret, also sozusagen, da konnte jeder einsteigen und was mitnehmen in den Bus. Dieses Dekret sollte in ein Gesetz umgewandelt werden und darüber kam es jetzt letztlich irgendwie zum Bruch. Es ging hauptsächlich um Bürokratieabbau, aber es war noch eine ganze Reihe anderer Dinge auch da drin enthalten und zusätzlich, als es zur Abstimmung kommen sollte über dieses Gesetz zum Bürokratieabbau, hat Vox 34 Eingaben noch eingebracht, wo es dann um ganz andere Dinge ging. Zum einen, dass Katalanisch keine Voraussetzung für die Einstellung in den öffentlichen Dienst mehr ist, dass es nicht mehr die privilegierte Sprache oder die bevorzugte Sprache in den Schulen ist, dass die Schutzgebiete an der Küste gelockert werden, da die Auflagen, dass die Bebauung in Naturschutzgebieten erleichtert wurden. Das war so ein ganz so ein, so ein ganzer Korb an diversen Initiativen, die für die PP nur schwer verträglich waren. Diese Eingaben gab es. Man hatte sich eigentlich darauf geeinigt, dass sie abgelehnt würden. Aber dann kam es zu dem Fauxpas der PP, die haben offenbar, wir glauben das jetzt mal so, die haben irrtümlich dafür gestimmt. Das heißt, dieses Gesetz war plötzlich verabschiedet mit 34 Eingaben, von denen einige für für die PP absolut inakzeptabel waren.
Und es war aber jetzt Gesetz. Vor allen Dingen diese Frage mit dem Katalanisch. Man darf das nicht vergessen. Es ist im Grunde genommen ein Mehrheitskonsens hier auf der Insel und bis weit in die konservativen Reihen hinein, dass das Katalanisch bevorzugt behandelt werden muss, weil man befürchtet, dass es sonst früher oder später nach und nach verloren geht, wenn nicht auch die ganzen Zuwanderer auf der Insel auch an die Hand genommen werden sozusagen auch in den Schulen, um auch Katalanisch zu lernen. Das war also indiskutabel. Man hat noch mal mit Vox geredet, damit Vox eine Wiederholung der Abstimmung möglich macht. Vox hat sich dazu geweigert. Woraufhin die PP dann sofort gesagt hat, dann wird das im Gesetzesblatt veröffentlicht. Aber noch am gleichen Tag veröffentlichen wir wieder eine Verordnung, um das wieder rückgängig zu machen und ich befürchte fast, das war jetzt nur die Vorgeschichte. Weil wo es dann definitiv zum Bruch kam und Jörg, du wirst mich unterbrechen, wenn ich mal eine Pause machen soll, hier in diesem ganzen.
Jörg Jung
Ich höre gespannt zu.
Ciro Krauthausen
Wo es dann definitiv zum Bruch kam, also wir sind jetzt sozusagen in der Situation, es gibt diese 34 Eingaben, die sind Gesetz. Zwei Wochen später standen die Haushaltsverhandlungen an, die PP ist auch in der Haushaltsfrage auf Vox angewiesen, also auf die Stimmen von Vox. Und Vox war jetzt gewissermaßen am längeren Hebel. Die hatten halt gesagt, ja, da können wir gerne darüber verhandeln. Aber wie ist das mit unseren Eingaben? Die nehmen wir dann außen vor, die anderen könnt ihr dann wieder einstellen, aber dann lasst uns darüber verhandeln. Und das wurde auch so interpretiert von der Ministerpräsident Marga Prohens, die hat das auch so gesagt, das ist pure Erpressung, das lassen wir nicht mit uns machen. In dem Moment ist es eigentlich letztlich schon dann zum Bruch gekommen. Marga Prohens oder die PP hat dann auch in einem ersten Schritt ein ebenfalls für Vox sehr, sehr wichtiges Vorhaben gekippt. Und zwar ging es um eine Zurücknahme eines Gesetzes zur Vergangenheitsbewältigung, also zum zum Umgang mit dem Bürgerkrieg und der Erinnerung an den Bürgerkrieg. Das hat die PP gekippt, Vox hatte das durchgedrückt im Vorfeld und war dann sozusagen die erste Niederlage für Vox. Und die PP hat auch daraufhin, Marga Prohens hat dann auch entschieden, wir ziehen den ganzen Haushalt zurück. Das hat zur Folge, dass es jetzt erstmal keinen neuen Haushalt geben wird für 2025, sondern der wieder ganz neu verhandelt werden muss, ohne Vox. Vox ist dann ja raus. Das kann man sich auch eigentlich nicht mehr vorstellen, dass das noch mal zu kitten ist dieser Konflikt. Und wie dann weiterregieren, wenn man in der Minderheit ist?
Und jetzt kommt's, PP wendet sich an die Opposition, man tritt in Verhandlungen etwas, das war dann etwas unter der Hand. Das wurde auch erst mal nicht bekannt. Aber man versteht sich jetzt wieder relativ gut. Auch mit der Linken und also sowohl mit der Linkspartei Més als auch mit den Sozialisten, mit der PSOE. Es ist schon fast irgendwie staatstragend. Eine kleine große Koalition, die sich da gebildet hat, um A einmal dieses Problem mit dem Gesetz zum Bürokratieabbau, mit dieser Mehrheit, mit dieser breiten Mehrheit, entgegen den Stimmen von Vox jetzt die Sonderverordnung wieder rückgängig zu machen, die strittigen Punkte und B, die durchaus dazu bereit zeigen seitens der Linken, sich im kommenden Jahr zu Haushaltsverhandlungen zusammenzusetzen. Das ist sozusagen jetzt gerade Stand der Dinge und wir werden sehen, zu was das führt 2025. Man könnte sagen, es wäre sinnvoll, wenn es sozusagen zu so einer breiten Koalition käme. Auch wer in Deutschland womöglich schlechte Erfahrungen gemacht hat mit der großen Koalition, meiner Ansicht nach auf den Balearen wäre das nicht verkehrt, weil die Insel steht vor großen Herausforderungen, die eigentlich auch nur gemeinsam gelöst werden können. Aber dennoch ist es schwer vorstellbar, weil diese politische Landschaft hier sowohl vor allen Dingen natürlich auf nationaler Ebene, aber teilweise halt auch hier auf der regionalen Ebene doch sehr, sehr stark polarisiert ist. Also eigentlich ist man da noch weit entfernt, dass man sozusagen sich eine gemeinsame Regierungsverantwortung vorstellen kann, beidseitig. Wenn das nicht klappt und wenn es mit Vox nicht mehr geht, dann werden wohl Neuwahlen anstehen 2025. Anders kann ich mir das nicht vorstellen, wie Marga Prohens das Problem löst.
Jörg Jung
Ja, das wäre jetzt meine Folgefrage gewesen, dass man sich mal eine Scheibe noch an Deutschland abschneidet und dann sagt, man geht gleich in die Vertrauensfrage und man setzt gleich einen Termin für die Neuwahlen an, da gab es ja noch ein Hickhack in Deutschland, besser früher als später. Der Kanzler wollte es ein bisschen später, Steht aber momentan auf den Balearen gar nicht zur Debatte? Also da muss schon noch ein bisschen was kommen, bis es eventuell Neuwahlen gibt?
Ciro Krauthausen
Ja Marga Prohens hat sich mit den konservativen Bürgermeistern zusammengesetzt. Auch noch bevor es dann zu dem definitiven Bruch mit Vox kam, hat denen die Lage geschildert, offenbar hinter verschlossenen Türen. Aber offenbar waren die meisten Bürgermeister eigentlich für Neuwahlen. Also das Kalkül ist, im Moment sind die Sozialisten hier auf den Inseln auch geschwächt. Vox ist sowieso ein zerstrittener Haufen, der jetzt keinen guten Eindruck hinterlassen hat. Lasst uns doch dann Neuwahlen ausrufen und dann hoffen auf eine absolute Mehrheit, die dann ein bequemeres Regieren ermöglicht. Marga Prohens ist davor anscheinend zurückgeschreckt, erzählt man sich, weil sie schon auch vorsichtig ist und sagt, ja, und was ist, wenn es schiefgeht? Dann sind wir ja wieder in der gleichen Situation und Vox, die Rechtsextremen können wieder versuchen, uns da gegen die Wand zu drücken. Insofern ist das so ein bisschen ein Standby. Aber es ist natürlich ein Ausweg aus der Lage und diese Karte kann sie natürlich ziehen im Verlauf von 2025, wenn es nicht anders geht.
Jörg Jung
Abschließend könnte ich mir noch eine kleine Schulnoten-Bewertung vorstellen von Ciro Krauthausen, sprich die Regierung, wie sie dann jetzt mal war, zwar nicht mehr, existiert aber von dem spanischen Notensystem von 10 bis 1. Was würdest du der Regierung geben? Was haben sie auf den Weg gebracht? Was war gut, was war schlecht? Welche Note gibst du den abschließend?
Ciro Krauthausen
Ja, bisher haben sie jetzt noch nicht allzu viel auf den Weg gebracht. Ich bin kein Lehrer. Ich mag auch kein Lehrer sein. Ich bin. Ich würde sagen, womöglich kann man jetzt einen guten Willen zugestehen, was ja schon mal nicht wenig ist, aber die Umsetzung lässt doch einiges zu wünschen übrig. Also ich glaube von 1 bis 10 würde ich mal irgendwie die 5, 6 irgendwie ansteuern. Ja, weil die haben es nicht hingekriegt, jetzt wirklich irgendwie etwas reibungsloser die Minderheitsregierung irgendwie zu führen.
Jörg Jung
Also von mir, lieber Ciro, kriegst du auch für diesen News Talk Dezember eine glatte 10. Das kann ich dir schon mal sagen, an dieser Stelle herzlichen Glückwunsch!
Ciro Krauthausen
Das ist ungerechtfertigtes Geschmeichel deinerseits. Dennoch vielen Dank. Ich wünsche einen guten Rutsch ins neue Jahr, Jörg. Frohe Weihnachten und erholsame und geruhsame Tage jetzt zum Jahresende.
Jörg Jung
Können wir brauchen. Vielen Dank, Ciro Krauthausen und dann bis ins nächste Jahr.
Ciro Krauthausen
Ich habe zu danken wie immer. Bis zum nächsten Jahr.
Autor: Jörg Jung /Mitarbeit: C. Schittelkopp