Steuermauer Deutschland – Was beim Wegzug wirklich zählt

In dieser aufschlussreichen Folge sprechen drei Top-Experten über ein Thema, das viele Unternehmer aktuell beschäftigt: Den steuerlich motivierten Wegzug aus Deutschland und die damit verbundenen Herausforderungen.
Willi Plattes, CEO der PlattesGroup, diskutiert gemeinsam mit Prof. Dr. Günther Strunk, einem der führenden Experten im internationalen Steuerrecht und mit Kanzleistandorten in Hamburg und Köln, sowie Dr. Thomas Winkemann, Rechtsanwalt und Nachfolge-Spezialist bei der Sozietät GÖRG in Berlin, über die wachsende Komplexität der deutschen Wegzugsbesteuerung.
Dabei geht es nicht nur um klassische Fälle von Anteilsveräußerung bei GmbHs oder Start-ups, sondern auch um moderne Konstellationen wie den Wegzug von Influencern – und warum der Fiskus hier besonders genau hinsieht. Zusätzlich werfen die Experten einen Blick auf die jüngsten gesetzlichen Verschärfungen im Investmentsteuerrecht und Lücken in der bisherigen Steuerplanung schließen sollen.
Die Folge zeigt klar: Die sogenannte „Steuermauer“ Deutschlands wird zunehmend höher – mit erheblichen Auswirkungen auf Unternehmensgründer, Kapitalanleger und alle, die über einen Wegzug ins Ausland nachdenken. Besonders Start-ups und vermögende Privatpersonen sind gut beraten, sich frühzeitig mit diesen Themen auseinanderzusetzen.
Unbedingt reinhören und erfahren, warum steuerliche Gestaltung heute mehr denn je strategisches Denken und internationale Expertise verlangt.
Timothea Imionidou
Bevor das Gespräch beginnt, möchte ich Ihnen unsere heutigen Gäste vorstellen:
Willi Plattes, CEO der PlattesGroup und Experte für internationale Steuerfragen, führt durch das Gespräch.
Mit dabei sind zwei herausragende Fachleute:
Prof. Dr. Günther Strunk, Spezialist für internationales Steuerrecht mit Kanzleien in Hamburg und Köln, und Dr. Thomas Winkemann, Steuerberater, Rechtsanwalt und Nachfolgeexperte bei der Sozietät GÖRG in Berlin.
Drei Experten, ein Thema: Die deutsche Steuermauer – und was sie für Unternehmer, Investoren und Auswanderer bedeutet.
Willi Plattes:
Wir sprechen heute über ein Thema, das viele derzeit beschäftigt. Die politische und wirtschaftliche Lage in Deutschland führt dazu, dass immer mehr Menschen über einen Wegzug nachdenken. Wir haben in Deutschland eine sogenannte Steuermauer – und diese hat sich Ende letzten Jahres noch einmal erhöht.
Ich freue mich, dieses Thema heute gemeinsam mit Prof. Dr. Günther Strunk und Dr. Thomas Winkemann zu beleuchten. Es herrscht viel Unsicherheit, und wir wollen diese Thematik aus der Helikoptersicht betrachten.
Von unserer Seite sehen wir drei Schwerpunkte:
Erstens die Wegzugsbesteuerung – darüber sprechen wir gleich mit Günther.
Zweitens ein konkretes Beispiel: Was passiert, wenn ein Influencer wegzieht – denn dieser hat in der Regel keine Gesellschaftsanteile.
Und drittens: die gesetzlichen Verschärfungen zum Jahresende im Investmentsteuergesetz.
Lieber Günther, was bedeutet die Wegzugsbesteuerung?
Prof. Dr. Günther Strunk
Es geht um die Besteuerung von über Jahre oder Jahrzehnte aufgebautem Vermögen, nur weil eine Person Deutschland verlässt – obwohl das Vermögen selbst im Land verbleibt.
Wenn ich zum Beispiel vor 20 Jahren eine GmbH mit 50.000 Euro gegründet habe, die heute 10 Millionen Euro wert ist, muss ich beim Wegzug die Wertsteigerung von 9.950.000 Euro versteuern – völlig unabhängig davon, ob ich das Unternehmen tatsächlich verkaufe.
Ein weiteres Beispiel: Ein Start-up im 3D-Druck-Bereich wird innerhalb von zwei Jahren von 70 auf 300 Millionen Euro bewertet – vielleicht ist es Ende des Jahres sogar eine Milliarde wert. Doch die Gründer wissen oft nicht, wie real dieser Wert ist. Sollte der Wert später drastisch fallen, bleibt die Steuerlast dennoch bestehen.
Willi Plattes
Also: Wenn ich heute gehe und in zwei Jahren ist die Bewertung stark gesunken, muss ich trotzdem auf den früheren, höheren Wert Steuern zahlen?
Prof. Dr. Günther Strunk
Ganz genau. Und die einzige Möglichkeit, das rückgängig zu machen, wäre die Rückkehr nach Deutschland – was in der Praxis oft nicht realistisch ist. Die Lebensumstände können sich verändern, Rückkehr kann unmöglich sein. Im schlimmsten Fall müssen sich die Erben mit der Steuerlast beschäftigen.
Willi Plattes
Das ist besonders relevant für Start-ups in Deutschland, denn die Finanzierung kommt oft aus den USA. Dort gibt es gewachsene Strukturen, während europäische Förderinitiativen häufig scheitern. Ein ausländischer Gründer überlegt sich gut, ob er in Deutschland tätig wird.
Prof. Dr. Günther Strunk
Richtig. Und die Gründer konzentrieren sich auf ihre Innovation, nicht auf steuerliche Risiken – was aber fatale Folgen haben kann.
Willi Plattes
Thomas, wie ist das aus deiner Sicht – wird dieses Thema von Unternehmern früh genug beachtet?
Dr. Thomas Winkemann
In der Regel nicht. Viele denken nicht an diese Fragen, solange sie noch mitten im Aufbau stecken.
Willi Plattes
Dann kommen wir zum zweiten Fall: Influencer, die nach Dubai ziehen, weil dort keine Einkommensteuer erhoben wird. Was passiert da steuerlich?
Prof. Dr. Günther Strunk
Ein Influencer, der in Deutschland 2 bis 3 Millionen Euro im Jahr verdient, kann zwar wegziehen – doch das deutsche Finanzamt schaut genau hin. Wenn die unternehmerische Tätigkeit im Ausland fortgeführt wird, unterstellt das Finanzamt, dass Vermögenswerte mitgenommen wurden – und will darauf Steuern erheben.
Und das ist das Problem: Der genaue Betrag der stillen Reserven ist oft unbekannt – das schafft enorme Unsicherheit und Liquiditätsdruck. Es gibt keine Stundungsmöglichkeiten, sondern nur die Pflicht zur Ratenzahlung über fünf Jahre.
Willi Plattes
Kann der Influencer das umgehen, indem er sein deutsches Geschäft abmeldet und ein neues in Dubai gründet?
Prof. Dr. Günther Strunk
Das wird schwierig. Selbst wenn das Geschäft formal abgemeldet wird, bleibt der wirtschaftliche Zusammenhang oft bestehen. Deutsche Kunden, Umsatzsteuerpflichten, Quellensteuern – das alles bleibt relevant. Und das kann später steuerstrafrechtlich relevant werden.
Dr. Thomas Winkemann
Wäre es nicht eine Idee, die Aktivitäten über eine Kapitalgesellschaft in Dubai zu organisieren?
Prof. Dr. Günther Strunk
Nein, das ändert nichts am Kernproblem. Immer wenn Deutschland durch solche Umstrukturierungen potenzielle Steuereinnahmen verliert, greift der Fiskus durch. Steuerneutralität wird dann verwehrt, und man besteuert vorsorglich.
Willi Plattes
Damit wären wir beim dritten Fall: Ende 2024 wurde das Investmentsteuergesetz geändert, um eine Lücke zu schließen. Was war da passiert?
Prof. Dr. Günther Strunk
Der Gesetzgeber wollte verhindern, dass über spezielle Investmentfonds steuerliche Vorteile entstehen. Besonders, wenn diese Strukturen auf Einzelpersonen zugeschnitten werden. Noch fehlen praktische Erfahrungen, aber es ist klar: Die Steuermauer wird dichter – und der Informationsfluss zwischen Behörden effizienter.
Willi Plattes
Vielen Dank, Günther und Thomas. Für alle Zuhörer: Informieren Sie sich rechtzeitig, wenn Sie über einen Wegzug aus Deutschland nachdenken. Die Steuermauer ist real – und sie wird immer höher.
Autorin: Timothea Imionidou/Mitarbeit: ff
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