"Es ist nicht zu spät, um früh bei KI dabei zu sein!"
Was hat Google mit KI vor? Wird Google ChatGPT übertrumpfen? Wichtige Fragen beim diesjährigen Wirtschaftsforum NEU DENKEN im Mai. Einer der besten Journalisten Deutschlands Michael Bröcker wollte darauf antworten, im Table.Today Podcast-Interview mit Philipp Justus, dem Vize-Europachef von Google. Wir hören rein...
Die ganze Table.Today Podcast-Folge finden sie hier...
Michael Bröcker:
Einen schönen guten Tag, Herr Justus.
Philipp Justus:
Hallo. Grüße Sie, Herr Bröcker.
Michael Bröcker:
Herr Justus, KI, ist das jetzt die große Erlösung? Weil man all diese nervigen Arbeiten endlich abschaffen kann, die man nicht mehr machen wollte? Oder ist das eigentlich die Bedrohung, weil wir irgendwie doch alle überflüssig werden?
Philipp Justus:
Ich glaube KI ist das große, spannende Thema, das uns alle bewegt. Als Unternehmen natürlich, aber auch uns als Anwenderinnen und Anwender von Technologie natürlich begeistert. Also wir sehen das, wenn wir auf Google Trends gucken, wonach die Menschen so suchen. Da ist das Thema KI geradezu explodiert.
Michael Bröcker:
Seit wann? Seit ein paar Monaten. Seit ein paar Jahren?
Philipp Justus:
Seit 18 Monaten ungefähr.
Michael Bröcker:
Interessant eigentlich. Kam es alles mit ChatGPT?
Philipp Justus:
Also das hat sicher dazu beigetragen, dass KI auch in die Hand von vielen Nutzern zum ersten Mal bewusst gekommen ist. Ich meine KI ist in vielen Produkten drin, die wir jeden Tag nutzen, ohne viel darüber nachzudenken. Aber mit ChatGPT und mit anderen Chat-Programmen ist dann einfach ein Zugang gekommen, wo plötzlich man merkt, ich spreche hier mit einer KI und die gibt mir auch eine Antwort und das ist schon ein besonderer Moment.
Michael Bröcker:
Google war ja eigentlich sehr früh dran, 2001 die erste Rechtschreibprüfung ist eigentlich eine KI Anwendung und trotzdem ist das Thema erst richtig mit dem Chatbot ChatGPT gekommen, der nicht von euch kommt. Habt ihr das verschlafen das Thema?
Philipp Justus:
Das Thema ist tatsächlich in vielen Produkten ganz lange drin und nicht nur in der Rechtschreibprüfung. Google Translate ist ein gutes Beispiel. Das funktioniert überhaupt nur mit maschinellem Lernen und jetzt mit KI in über 100 Sprachen, hoffentlich bald in bis zu 1000 Sprachen. Aber ganz viel von der KI passiert so, dass man das als Nutzer gar nicht direkt sieht. Und das ist auch gut so. Die Technologie soll sich ein bisschen im Hintergrund halten und der Nutzungsanfall soll einfach bequemer werden. Ich nehme mal das Beispiel der Google Suche. Da steckt seit 20 Jahren KI drin in der Art und Weise wie Suchergebnisse gerankt werden. Also wenn ich nach einem Suchbegriff suche, muss ich natürlich Millionen Webseiten in Reihenfolge bringen. Das ist alles KI basiert. Da denken wir nur im Alltag nicht so viel drüber nach. Jetzt ist natürlich interessant, dass es Chatbots gibt. Wir arbeiten auch seit langem daran. Wir haben unsere eigene Generation von Chatbots. Unter dem Namen Gemini gibt es unsere KI Modelle. Die können nicht nur Text Fragen und Antwort geben, sondern auch Bilder verarbeiten, Videos bearbeiten oder zum Beispiel Computercode generieren. Also das ist ganz spannend, was sich da tut.
Michael Bröcker:
Was uns ja Sorge macht, ist nicht der Algorithmus, der auch eine KI vielleicht immer war, sondern dass die KI selber lernen kann, dass sie immer besser wird, je mehr Daten man ihr zuspeist und dass sie selbst kreativ werden kann. Ist das nicht etwas, was sie sogar sorgt, dass diese Technologie irgendwann sich verselbstständigt?
Philipp Justus:
Ich glaube, man muss von vornherein, wenn man KI basierte Anwendungen entwickelt, eine Reihe von Prinzipien haben, nach denen man das tut. Wir haben solche KI Prinzipien seit 2018, die genau sagen, ich muss von Anfang an verstehen, was die KI tut. Ich muss da auch Grenzen einbauen. Ich muss sozusagen sicherstellen, dass sie sinnvolle und nützliche Dinge tut und nicht plötzlich mir links oder rechts wegläuft. Und ebenso wie man das für Datenschutz und Datensicherheit seit vielen Jahren sicherlich die meisten Unternehmen tun, braucht man solche Prinzipien jetzt auch für die KI Entwicklung. Das kann ich auch nur jedem Unternehmen empfehlen, was selbst KI entwickelt, frühzeitig zu sagen, AI safety by Design sozusagen. Was sind die Mechanismen, die ich einbaue, damit meine KI genau das tut, was ich will.
Michael Bröcker:
Das wollen wir gleich noch mal wissen, was Sie eigentlich Unternehmen raten. Noch einmal zu Google selbst. Ihr habt ja auch eine Abteilung oder eine Unterfirma, die Google DeepMind heißt, die sich damit beschäftigt. Geben Sie uns mal einen Einblick in diesen Maschinenraum von Google. Was sind die KI Anwendungen, an denen Sie gerade forschen?
Philipp Justus:
Also Google DeepMind macht wahnsinnig spannende Sachen, gerade im wissenschaftlichen Bereich, die dann die Grundlage für die Anwendung in Produkten von Google werden. Im wissenschaftlichen Bereich haben wir vor einigen Jahren Alphafold als Algorithmus entwickelt. Und Alphafold ist ein Algorithmus, der vorhersagt, wie eigentlich Proteine aussehen. Also stellen Sie sich vor, Sie haben die Aminosäuren-Sequenz eines Proteins. Jetzt wollen Sie aber wissen, wie ist das eigentlich gefaltet, um zu verstehen, was das Protein macht? Das war bisher ein wahnsinnig langwieriger Prozess, der tatsächlich mehrere Jahre Forschungszeit in Anspruch nehmen konnte, um ein einziges Protein zu verstehen. So, Google DeepMind hat inzwischen vor drei Jahren anhand von einem neuen Algorithmus es geschafft, für 200 Millionen solcher Proteine die Prognose zu treffen, wie die eigentlich aussehen und wie die gefaltet sind. Und das ist ein bahnbrechender Durchbruch.
Michael Bröcker:
Für die Medizintechnologie, am Ende.
Philipp Justus:
Genau. Für Gesundheitsforschung, für die Biologie ist das sozusagen das große Thema. Wir haben jetzt 1, 8 Millionen Forscherinnen und Forscher, die bereits die Anwendung nutzen. Da gibt es nämlich eine öffentlich publizierte Datenbank, wo man all diese Moleküle, all diese Proteine nachschauen kann. Das ist so ein Anwendungsfeld. Das zweite, was Google DeepMind entwickelt, sind die Modelle von Google, also Gemini zum Beispiel das große KI Modell, über das ich gerade sprach, dass also Bilder, Videos, Text verarbeiten kann. Das hat Google DeepMind entwickelt. Und da ist dann immer der nächste Schritt, dass in alle Produkte von Google einzubauen.
Michael Bröcker:
Geben Sie uns mal ein Beispiel aus dem Alltag, nicht die große Medizin-Forschung, nicht die Krebsforschung, wo ja auch schon KI Algorithmen offenbar mögliches Krebszellenwachstum berechnen sollen. Das klingt alles sehr spannend, aber wo kann im Alltag die KI richtig nützlich sein und dadurch vielleicht auch Ängste bei den normalen Menschen abbauen und wirklich praktikable Nutzen stiften?
Philipp Justus:
Google Maps würde ich als Beispiel nennen. Wenn ich in Google Maps suche, wie komme ich eigentlich aus der Frankfurter Innenstadt nach Köln? Dann kann ich verschiedene Wege angezeigt bekommen über Google Maps. Konnte ich schon immer. Die beste Route zu finden ist ein KI Problem. Wir haben jetzt über KI, über ein neues Modell auch die am umweltfreundlichsten ausgegebene Route dazu.
Michael Bröcker:
Also die mit einer grünen Welle?!
Philipp Justus:
Spritsparend, CO2 minimierend, je nachdem was für ein Fahrzeug fahren. Sie können sich anzeigen lassen, was ist die CO2 minimierende Route? Das funktioniert nur mit KI. Und solche Anwendungen führen tatsächlich dazu, dass wir mit jeder Entscheidung, die wir so treffen, im Alltag auch in diesem Fall Energie sparen können.
Michael Bröcker:
Das Institut der deutschen Wirtschaft hat ausgerechnet, das wirtschaftliche Potenzial von KI bei der Wertschöpfung liegt bei 300 Milliarden Euro. Zugleich ging es auch um eine Arbeitsersparnis von 100 Stunden pro Jahr, 100 Arbeitsstunden pro Jahr, die durch die KI ersetzt werden könnte. Was raten Sie Unternehmen, die nicht aus der KI Welt, aus der KI Denke kommen, wie man sich mit diesem Thema erstmals befassen sollte?
Philipp Justus:
Ja. Diese Studie des Instituts für Wirtschaft ist wahnsinnig spannend, weil sie im Grunde sagt, dieses Potenzial, was vor uns liegt, kann dann gehoben werden, wenn mindestens jedes zweite Unternehmen in Deutschland KI auch wirklich aktiv einsetzt und anwendet. Heute ist es aber nur jedes sechste Unternehmen. Das heißt, wir reden von einem großen Sprung, den wir tun müssen in der Bereitschaft von Unternehmen, generative KI und überhaupt KI einzusetzen. Was rate ich den Unternehmen? Experimentieren, Anwendungsfelder suchen, in denen KI eine Rolle spielen könnte. Erst mal klein anfangen und die Produktivitätsmöglichkeiten suchen, denn die sind typischerweise die Einfachsten. Also wo kann ich Arbeitsabläufe vereinfachen, wo kann ich Arbeitszeit rausnehmen, die ich wieder einsetzen kann? Dann im ganzen kreativen Bereich: Bilderstellung, Texterstellung. Im ganzen Marketingbereich kann ich natürlich auch KI einsetzen und da gibt es Felder, die sich unmittelbar aufdrängen und die auch, glaube ich, nicht so kompliziert sind.
Michael Bröcker:
In Europa oder in Deutschland ist das einzige KI Startup, das in Unicorn Nähe kommt oder Unicorn ist, DeepL ein Translator, nicht Google Translate.
Philipp Justus:
Ich freue mich darüber.
Michael Bröcker:
Kaufen Sie die jetzt auch auf? Oder wie ist die Logik im Markt?
Philipp Justus:
Herzlichen Glückwunsch an DeepL zu einer tollen Finanzierungsrunde. Die machen einen super Job und das seit vielen Jahren. Das beobachten wir natürlich genau. Wir glauben, Google Translate ist auch ganz gut dabei und der Wettbewerb beflügelt sicher beide Seiten, oder? Also ich glaube, wir haben auch gesehen, dass DeepL bestimmte Dinge gut kann und das führt dazu, dass wir auch noch mal nachlegen.
Michael Bröcker:
Es gibt doch noch Wettbewerb für Google!
Philipp Justus:
Unbedingt.
Michael Bröcker:
Die KI Act der Europäischen Union gilt als das erste Regulierungsvorhaben weltweit beim Thema AI. Die europäischen Bürokraten, ich sage es mal etwas despektierlich, sind sehr stolz darauf. Ist es richtig und wegweisend oder ist es bürokratisch, vorauseilend und vielleicht sogar schädlich bei der KI Forschung in Europa?
Philipp Justus:
Ich glaube, es ist richtig, dass wir uns jetzt Gedanken machen, wie KI eigentlich reguliert werden sollte. Denn KI als Thema ist zu wichtig, um es nicht zu regulieren. Und gleichzeitig gilt aber auch, KI als Thema ist so wichtig, dass wir es gut regulieren sollten, sprich nicht zu kompliziert, so dass Unternehmen es anwenden und verstehen können. Als großes Unternehmen würde ich jetzt mal sagen, können wir bei Google mit solchen Gesetzen umgehen und verstehen, wie wir sie implementieren. Aber denken Sie mal an das nächste Startup, was gerade gegründet wird. Wenn dort das Startup Team sich als erstes mit mehreren 100 Seiten KI Regulierungen beschäftigen muss, ist das schon schwierig. Also unser Rat in diesem Prozess war, ja KI regulieren möglichst einfach, so dass möglichst viele Unternehmen nicht überfordert werden damit und es risikobasiert tun. Was heißt das? Man sollte KI nicht als Ganzes regulieren, sondern die Anwendungsfelder von KI und zwar getrennt danach, wie risikoreich sie eingeschätzt werden. Und da ist natürlich wieder wichtig, dass nicht jeder Anwendungsfall dann ein Hochrisiko-Anwendungsfall wird, sondern dass man da mit Augenmaß vorgeht und sagt, es gibt Anwendungen, die sind einfach, die brauchen ganz wenig Regulierung. Und da gibt es welche, die sind in der Tat, zum Beispiel arbeiten die mit Gesundheitsdaten oder treffen wichtige Entscheidungen. Und die sollten dann mehr reguliert werden.
Michael Bröcker:
Ist weltweit das Rennen um die großen KI Unternehmen und da gehört Ihres natürlich dazu, ist das eines zwischen amerikanischen Großkonzernen, den großen Oligopolisten oder Monopolisten und den Chinesen? Und gibt es da eigentlich, wenn man ganz ehrlich ist, am Ende eine "Winner takes it all" Mentalität?
Philipp Justus:
Wir sind ganz früh in diesem Rennen um KI und eine Botschaft, die ich hätte ist, es ist nicht zu spät, um früh bei KI dabei zu sein. Was meine ich damit? Ich glaube, wir werden nicht nur ein paar Jahre von KI Innovation vor uns haben, sondern wahrscheinlich Jahrzehnte, die uns technologische Durchbrüche in vielen Bereichen geben. Und wir stehen in Deutschland gut da. Wir haben starke industrielle Unternehmen, die verfügen über enorme Datenschätze, mit denen sich viel anfangen lässt. Und da sollten wir nicht sozusagen uns zurücklehnen und sagen, dieses Race werden andere machen. Ich würde mir wünschen, dass wir in Deutschland mit Mut und Entschlossenheit und kraftvoll die Chancen der KI ergreifen.
Michael Bröcker:
Geht das mit dem europäischen Datenschutz?
Philipp Justus:
Unbedingt. Ich glaube, man muss die Anwendung so bauen und den Datenschutz berücksichtigen, dass müssen wir natürlich auch in allen Produkten, die wir in Europa anbieten, müssen wir genauso uns an den Datenschutz halten wie europäische Unternehmen. Also das geht schon. Ist es einfach? Nein, aber man kriegt das hin.
Michael Bröcker:
Herr Justus, vielen Dank.
Philipp Justus:
Danke Ihnen.
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