Compliance-Systeme im nationalen und internationalen Unternehmensalltag
Einordnung und aktueller Rechtsrahmen in Deutschland
Die Anforderungen an unternehmerisches Handeln in Deutschland – insbesondere für mittelständische Unternehmen – haben sich in den vergangenen Jahren erheblich verändert. Neue gesetzliche Vorgaben, steigende Erwartungen an Transparenz und unternehmerische Verantwortung sowie strengere Kontrollmechanismen verdeutlichen:
Ein professionelles Compliance-System ist längst keine Option mehr, sondern Notwendigkeit.
Zwar wurde das geplante Verbandssanktionengesetz, das eine umfassende Reform der Unternehmenssanktionierung darstellen sollte, bislang nicht verabschiedet. Dennoch ist die Relevanz effektiver Compliance-Strukturen unbestritten. Unternehmen sehen sich schon mittlerweile mit zahlreichen spezialgesetzlichen Pflichten und behördlicher Überwachung konfrontiert, die eine systematische Präventions- und Kontrollstruktur erfordern.
Jüngere gesetzliche Rahmenbedingungen
Hinweisgeberschutzgesetz
Seit Juli 2023 verpflichtet das Hinweisgeberschutzgesetz Unternehmen ab 50 Mitarbeitenden zur Einrichtung eines internen Hinweisgebersystems. Dieses muss eine anonyme Meldung von Rechtsverstößen ermöglichen. Die Anforderungen an den Umgang mit eingehenden Hinweisen sowie an die Dokumentation sind klar geregelt – bei Nichteinhaltung drohen empfindliche Sanktionen.
Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG)
Seit 1. Januar 2024 gilt das LkSG für Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten. Mittelständische Unternehmen sind häufig indirekt betroffen, etwa als Zulieferer. Von der Risikoanalyse bis zur Umsetzung präventiver Maßnahmen verlangt das Gesetz eine umfassende unternehmerische Verantwortung entlang der gesamten Lieferkette.
ESG-Reporting und Nachhaltigkeit
Mit der EU-Richtlinie Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) steigt der Druck auf Unternehmen, über Aspekte zu Umwelt- und Sozialthemen sowie Unternehmensführung (ESG - Environmental, Social, Governance) zu berichten. Bereits heute verlangen Banken, Investoren und Geschäftspartner ESG-konforme Strukturen. Die Anforderungen werden künftig stufenweise auf kleinere Unternehmen ausgeweitet.
Steuerliche Anforderungen: Tax Compliance und IKS
Die steuerrechtliche Regulierung verlangt ebenfalls strukturelle Vorkehrungen. Die Grundsätze zur ordnungsgemäßen Buchführung in elektronischer Form (GoBD) schreiben eine lückenlose Dokumentation sowie ein funktionierendes Internes Kontrollsystem (IKS) vor. Unternehmen mit Auslandsbeziehungen sehen sich zudem mit verschärften Anforderungen zur internationalen Einkunftsabgrenzung konfrontiert – insbesondere durch den Fremdvergleichsgrundsatz und neue Dokumentationspflichten.
Geldwäscheprävention und Transparenzregister
Mit der Verstärkung des Transparenzregisters als Vollregister wurde die Pflicht zur Offenlegung wirtschaftlich Berechtigter verschärft. Fehlerhafte oder fehlende Eintragungen führen zu Bußgeldern.
Fazit: Ohne Compliance-System keine Sicherheit
Die Vielzahl an gesetzlichen Anforderungen aus unterschiedlichen Bereichen macht ein strukturiertes Compliance-Management-System (CMS) unerlässlich. Es ermöglicht nicht nur die Einhaltung von Pflichten, sondern schützt auch vor finanziellen und reputativen Schäden.
Gerade im deutschen Mittelstand ist Compliance die Basis für nachhaltigen Unternehmenserfolg – heute mehr denn je.
Stand: April 2025
Compliance-Systeme: Stärken, Schwächen und unsere Empfehlungen
Die Behörden haben auch heute ohne Verbandssanktionengesetz genügend Instrumente zur Hand, um teils empfindliche Bußgelder zu verhängen. Begehen Unternehmensverantwortliche oder Leitungspersonen des Unternehmens Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten, die Pflichten des Unternehmens verletzen oder zu einer Bereicherung des Unternehmens führen oder führen sollten, kann bereits heute eine Sanktion gegen das Unternehmen in Höhe von bis zu 10 Millionen € gemäß § 30 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) verhängt werden. Überschreitet der seitens des Unternehmens erlangte wirtschaftliche Vorteil das gesetzliche Höchstmaß, kann darüber hinaus umfangreich sanktioniert werden.
Auch hier gehen die behördlichen Maßnahmen nicht selten in den Millionenbereich. Bei der Verletzung der Aufsichtspflicht können zudem die jeweiligen Leitungspersonen eines Unternehmens nach § 130 OWiG im Wege einer Geldbuße sanktioniert werden. Die Praxis zeigt auch hier sehr deutlich, dass diese Norm vermehrt zur Anwendung kommt und gegen Verantwortliche im Unternehmen immer häufiger entsprechende Bußgelder verhängt werden. Mit der frühzeitigen Einrichtung eines wirksamen Compliance-Systems hätten solche Sanktionen oftmals verhindert werden können. Es ist allgemein festzustellen, dass die Ermittlungsbehörden beim Thema Compliance sowie der Einhaltung von Unternehmenspflichten mittlerweile eine sehr hohe Erwartungshaltung an den Tag legen. Obwohl bei der Vielzahl von Pflichten und Regularien sowie den stetigen gesetzlichen Änderungen und Anpassungen Fehler nahezu vorprogrammiert sind, werden Irrtümer oder Unwissenheit über entsprechende Bestimmungen vermehrt nicht mehr als Rechtfertigung akzeptiert.
Vielmehr verlangen Behörden auch von kleineren Unternehmen das Vorhandensein entsprechender Compliance-Strukturen, welche die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben systematisch sicherstellen. Die behördlichen Vorstellungen über den Aufgabenkreis und die Arbeitsschwerpunkte eines Verantwortlichen im Mittelstand mögen oft praxisfern und teils gar lebensfremd sein - im Krisenfall hilft diese Erkenntnis den betroffenen Unternehmen aber leider wenig. Die Verantwortlichen haben sich nach Auffassung der Behörden und auch der Gerichte umfassend und laufend über gesetzliche Neuerungen zu informieren und müssen für deren Einhaltung in ihrem Unternehmen Sorge tragen.
Gerade mittelständische Unternehmen sollten sich zwingend mit dem Thema Compliance näher auseinandersetzen - es erscheint ansonsten nahezu unmöglich, sich dauerhaft in dem vorhandenen „Regulierungsdschungel“ zu bewegen, ohne in den Fokus einer der zahlreichen Behörden zu gelangen, die für die Einhaltung der jeweiligen Vorgaben zuständig sind.
Ein effektives Compliance-System kann die bestehenden Risiken wirkungsvoll und effektiv mindern. Dabei ist es für den Mittelstand selbstverständlich nicht erforderlich, Compliance-Abteilungen einzurichten und Regularien einzuführen, die den Anforderungen an Dax-Konzerne entsprechen. Gemeinsam mit dem hauseigenen Steuerberater oder Rechtsanwalt sollte in einem ersten Schritt im Wege einer sogenannten Risikoanalyse festgestellt werden, welche unternehmsspezifischen Risiken konkret bestehen. Auf Basis dieser Erkenntnisse sind sodann die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um ein für das jeweilige Unternehmen angepasstes Compliance-System einzuführen.
Gerade für den Mittelstand bieten sich in diesem Zusammenhang an vielen Stellen enorme Chancen, da ein solches System etwa durchaus auch dabei unterstützen kann, Prozesse im Unternehmen zu vereinfachen. Unsere nachhaltige Erfahrung zeigt, dass sich die häufig zu Beginn geäußerte Sorge, solche Maßnahmen würden nur Geld kosten und wenig Mehrwert bringen, bei einer sinnstiftenden Herangehensweise an dieses Thema nicht bewahrheitet.
Die Begriffe „steuerrechtliche Compliance“ oder „Tax Compliance” umfassen zunächst die schlichte Verpflichtung der Bürger und Unternehmen, die geltenden Steuergesetze zu achten und ihnen nachzukommen (sog. Legalitätspflicht). Tax Compliance, verstanden als bloße Rechtsbefolgungspflicht steuerlicher Gesetze, steht damit in einem Spannungsverhältnis zur Nutzung von steuerrechtlichen Gestaltungsspielräumen. Legitime Steueroptimierung durch Ausnutzung von Gesetzeslücken und gesetzgeberischen Spielräumen sowie durch Auslegung der Steuerrechtsnormen im Rahmen der juristischen Möglichkeiten findet jedoch ihre Grenze immer dort, wo die Tatbestände von Steuerstraftaten oder Steuerordnungswidrigkeiten erfüllt werden.
In diesem engen materiellen Sinne ist Tax Compliance als steuerrechtliche Legalitätspflicht durchaus nichts Neues, sondern stellt vielmehr nur eine „Binsenweisheit“ dar. Tax Compliance wird daher in einem weiteren Sinne verstanden als vom Unternehmen strategisch gewollte und durchgeführte Gesetzesbefolgung mit einem Sicherungssystem, das vor Gesetzesverstößen und ihren Folgen schützen soll. Aus der Selbstverständlichkeit des Gesetzesbefehls wird etwas im Unternehmen nicht nur passiv Akzeptiertes, sondern aktiv und strategisch Abgesichertes. Tax-Compliance-Systeme und Tax Compliance im Sinne eines Sicherungssystems umschreibt damit die Summe der organisatorischen Maßnahmen eines Unternehmens, mit denen gewährleistet werden soll, dass sich die Geschäftsleitung wie auch die Mitarbeiter des Unternehmens rechtmäßig verhalten. Die Kenntnis über mögliche straf-, zivil- und steuerrechtlichen Unannehmlichkeiten sowie Risiken ist im Sinne der Prävention alternativlos. Die Wirtschaftsverbände und deren Mitglieder sprechen von einer kaum noch beherrschbaren Komplexität.
Die Erfüllung der steuerlichen Pflichten des Unternehmens obliegt nach § 34 AO dem gesetzlichen Vertreter, also dem Vorstand bzw. der Geschäftsführung eines Unternehmens. Enthält eine vom gesetzlichen Vertreter unterzeichnete Steuererklärung unrichtige oder unvollständige Angaben und werden dadurch Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt, kann hierdurch der Straftatbestand der Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) bzw. der Ordnungswidrigkeitstatbestand der leichtfertigen Steuerverkürzung (§ 378 Abs. 1 AO) verwirklicht werden.
Das Steuerstraf- sowie das Steuerbußgeldverfahren richtet sich gegen die handelnden Personen persönlich. Die Sanktionen reichen im Strafverfahren von einer Geldauflage im Falle einer Einstellung gemäß § 153a StPO bis hin zu Geld- und Freiheitsstrafe (mit oder ohne Bewährung) im Falle einer Verurteilung. Im Steuerordnungswidrigkeit-Verfahren droht ein Bußgeld. Darüber hinaus kann bei einer Verletzung der Aufsichtspflicht ein Ordnungswidrigkeitenverfahren nach § 130 OWiG gegen die Geschäftsführung eingeleitet werden.
Nach dieser Norm handelt ordnungswidrig „wer als Inhaber eines Betriebs oder Unternehmens vorsätzlich oder fahrlässig Aufsichtsmaßnahmen unterlässt, die erforderlich sind, um in dem Betrieb oder Unternehmen Zuwiderhandlungen gegen Pflichten zu verhindern, die den Inhaber treffen und deren Verletzung mit Strafe oder Geldbuße bedroht ist, wenn eine solche Zuwiderhandlung begangen wird, die durch gehörige Aufsicht verhindert oder wesentlich erschwert worden wäre“ (allgemein zu § 130 OWiG). Damit soll der Begehung von mit Bußgeld oder Strafe bedrohten Zuwiderhandlungen in einem Unternehmen entgegengewirkt werden, soweit hierdurch gegen betriebsbezogene Pflichten verstoßen wird, der gesetzliche Vertreter aber als Täter ausscheidet, da er einen anderen für sich handeln ließ.
Steuerrechtliche Pflichten, die mit der Führung des Unternehmens zusammenhängen, gelten nach der gelebten Praxis der Gerichte stets als solche betriebsbezogenen Pflichten, deren Verletzung unter § 130 OWiG fällt, wenn eine Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung begangen wurde. Über den „Umweg“ des § 130 OWiG können Vorstände und Geschäftsführer damit also für eine Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung haftbar gemacht werden.
Der Vorwurf besteht in der Desorganisation innerhalb des Unternehmens mit seinen Betriebsstätten und Tochtergesellschaften sowie der mangelnden Aufsicht und Kontrolle, die zu einer Verletzung steuerrechtlicher Pflichten führen kann. Nach § 30 OWiG kann dann zusätzlich ein Bußgeld bis zu 10 Millionen Euro gegen das Unternehmen verhängt werden, wenn eine Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) oder leichtfertige Steuerverkürzung (§ 378 Abs. 1 AO) begangen wurde. In großen Unternehmen kommt der gesetzliche Vertreter seinen Pflichten regelmäßig bereits nach, wenn er die Erfüllung der steuerlichen Pflichten auf zuverlässig ausgewählte Personen delegiert und diese entsprechend überwacht.
Auch diese Personen – etwa Bereichs- oder Abteilungsleiter – können dann ihrerseits über § 9 OWiG taugliche Täter des § 130 OWiG sein, wenn sie eine Aufsichtspflichtverletzung begangen haben.
Eine Entlastung der aufsichtspflichtigen Personen sowie des Unternehmens selbst kann jedoch regelmäßig über den Nachweis eines bestehenden und funktionierenden „Internes Kontrollsystem“ erreicht werden. Erstmals hat der deutsche Gesetzgeber mit der ab dem 01.01.2020 geltenden GoBD eine Definition für ein IKS geliefert.
Vorstands- und Geschäftsführungsmitglieder haben bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden (vgl. § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG, § 43 GmbHG). Verletzen sie vorsätzlich oder fahrlässig ihre Pflichten, sind sie der Gesellschaft gegenüber zum Schadensersatz verpflichtet. Zum Pflichtenkatalog der Geschäftsführung gehört auch die Überwachungspflicht der Geschäftsleitung, für gesetzestreues Verhalten nachgeordneter Mitarbeiter einzustehen und diese zu überwachen.
Nach Auffassung des LG München I im sog. Siemens/Neubürger-Urteil wird diese Überwachungspflicht „namentlich durch § 91 Abs. 2 AktG dadurch konkretisiert, dass ein Überwachungssystem installiert wird, das geeignet ist, bestandsgefährdende Entwicklungen frühzeitig zu erkennen, wovon auch Verstöße gegen gesetzliche Vorschriften umfasst sind. […] Die Einrichtung eines mangelhaften Compliance-Systems und auch dessen unzureichende Überwachung […] bedeutet eine Pflichtverletzung“. Damit eine persönliche Haftung des Vorstands oder der Geschäftsführung vermieden wird, muss das Ziel eines Tax-Compliance-Systems daher sein, durch ein wirksames Überwachungssystem Verstöße gegen Steuergesetze frühzeitig zu erkennen.
Die Verletzung von steuerlichen Pflichten kann verschiedene Sanktionen auslösen, wie:
Zuschläge für die verspätete Abgabe von Steuererklärungen (§ 152 AO),
Zuschläge bei fehlender oder verspäteter Vorlage einer Verrechnungspreis-Dokumentation im Sinne des § 90 Abs. 3 AO (§ 162 Abs. 4 AO),
Zuschläge bei verspäteter Zahlung (Säumniszuschläge gemäß § 240 AO),
Erhebung eines Verzögerungsgelds gemäß § 146 Abs. 2b AO,
Schätzungen von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 162 Abs. 1 und 3 AO,
Nachzahlungszinsen gemäß §§ 233a, 235 AO,
Zwangsgelder gemäß § 328 AO.
Adressat dieser Sanktionen ist mit Ausnahme von Zwangsgeldern, die sich auch gegen den gesetzlichen Vertreter eines Unternehmens richten können, nur das steuerpflichtige Unternehmen selbst. Ziel eines Tax-Compliance-Systems muss es daher sein, die sanktionierten Pflichtverletzungen durch entsprechende Maßnahmen und Prozesse zu vermeiden.
Haftungsrisiken: Die Verletzung von steuerlichen Pflichten kann neben verschiedenen Sanktionen für das steuerpflichtige Unternehmen auch zu einer persönlichen Haftung der Vorstände bzw. Geschäftsführer auf Grundlage von §§ 69, 71 AO führen. Der für die Unternehmenspraxis wichtigste Haftungstatbestand ist § 69 AO. Danach haften die in §§ 34 und 35 AO genannten Personen (gesetzliche Vertreter und ihnen Gleichgestellte) für nicht rechtzeitig festgesetzte oder erfüllte Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis oder ohne rechtlichen Grund gezahlte Steuervergütungen bzw. Steuererstattungen, soweit diese durch vorsätzliche oder grob fahrlässige Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten verursacht worden sind.
Tax-Compliance-Systeme: Die Haftung knüpft dabei an die Stellung als Vorstand bzw. Geschäftsführer einer Gesellschaft an, unabhängig davon, ob dieser tatsächlich die Geschicke der Gesellschaft lenkt, ob er subjektiv die steuerlichen Pflichten der Gesellschaft kennt oder ob er überhaupt diesbezüglich Einblicke hat.
Neben der objektiven Stellung als gesetzlicher Vertreter (Vorstand oder Geschäftsführer) setzt § 69 AO eine Verletzung der steuerlichen Pflichten voraus, wozu beispielsweise
Aufzeichnungs- und Buchführungspflichten (§ 135 ff. AO),
Auskunfts- und Vorlagepflichten (§ 93, 97 AO),
Steuererklärungspflichten (§ 149 ff. AO) und Pflicht zur Steuererklärungsberichtigung (§ 153 AO),
Einbehaltungs- und Abführungspflichten bei Abzugssteuern sowie
steuerliche Zahlungspflichten gehören.
Nach § 34 AO hat der gesetzliche Vertreter (Vorstand oder Geschäftsführer) diese Pflichten zu erfüllen und für die Entrichtung der Steuerschulden aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen. Als weiterer Haftungstatbestand kommt § 71 AO in Betracht. Danach haftet auch derjenige persönlich für die verkürzten Steuern oder die zu Unrecht gewährten Steuervorteile sowie für Zinsen nach § 235 AO (Hinterziehungszinsen), der den Tatbestand einer Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO erfüllt oder aber an einer solchen Tat teilgenommen hat. Ziel eines Tax-Compliance-Systems muss es daher sein, die Erfüllung sämtlicher steuerlichen Pflichten zu ermöglichen.
Am 28. November 2019 äußerte sich das das Bundesministerium für Finanzen (BMF) umfassend zu den Grundsätzen zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (GoBD).
Die neuen Regelungen gelten seit dem 01. Januar 2020. Mit diesen Regelungen erfolgte ein Update an die geänderten informationstechnischen Möglichkeiten. Beachtenswert ist in dem Kontext dieser Veröffentlichung, dass die Verwaltung erstmals die Voraussetzungen an ein Internes Kontrollsystem (IKS) definiert.
Nach § 140 AO unterliegen Unternehmen, die handelsrechtlich dazu verpflichtet sind, Bücher und Aufzeichnungen zu führen, dieser Verpflichtung auch für steuerliche Zwecke. Mit dem Bestehen von Buchführungspflichten sind formelle Anforderungen an die Buchführung verbunden, insbesondere Aufzeichnungspflichten. Buchungen und die sonstigen Aufzeichnungen sind gem. § 146 Abs. 1 Satz 1 AO einzeln, vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorzunehmen. Compliance-relevante Themen im Bereich der Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten ergeben sich infolge der geänderten Anforderungen der Finanzverwaltung. Sie umfassen den gesamten Buchführungsprozess einschließlich aller zu liefernden oder dokumentierenden Verarbeitungs- und Aufbewahrungssysteme und gelten für alle Steuerpflichtigen, die gesetzlich dazu verpflichtet sind, Aufzeichnungen und Bücher zu führen. Um die Einhaltung der aufgeführten Ordnungsvorschriften nach § 146 AO im Betrieb sicherzustellen, ist der Steuerpflichtige dazu verpflichtet, entsprechende Kontrollen einzurichten, auszuüben und zu protokollieren (BMF-Schreiben v. 28.11.2019, IV A 4 - S 0316 19 10003 001, BStBl I, Rn. 100). Ein IKS wird demnach als zentraler Bestandteil zur Erfüllung der GoBD angesehen. Ist kein IKS vorhanden, kann die Finanzverwaltung schätzen.
Am 03. Dezember 2020 veröffentlichte das Bundesministerium für Finanzen (BMF) „Verwaltungsgrundsätze 2020“, die sich hauptsächlich auf Mitwirkungspflichten nach § 90 AO sowie die Schätzung von Besteuerungsgrundlagen und Zuschläge nach § 162 AO im Rahmen der Prüfung der Einkunftsabgrenzung zwischen international verbundenen Unternehmen beziehen. Neben verfahrensrechtlichen Aspekten beinhalten die neuen Verwaltungsgrundsätze wesentliche Anweisungen insbesondere in Bezug auf die Aufzeichnungspflichten für grenzüberschreitende Geschäftsbeziehungen zwischen nahestehenden Personen und sind für alle noch offenen Veranlagungszeiträume anwendbar. Durch das Schreiben wird die Rechtsauffassung der gesamten Finanzverwaltung zu den entsprechenden Normen verbindlich festgelegt und ist somit nicht unmittelbar für die Steuerpflichtigen bindend. Faktisch beeinflusst es jedoch über die entsprechende Umsetzung in der Betriebsprüfungspraxis maßgeblich auch die Steuerpflichtigen.
Das BMF-Schreiben enthält mehrere vermeintliche Klarstellungen, die sich bei einer genaueren Betrachtung als Verschärfung der bisherigen Interpretation der Finanzverwaltung erweisen. Dies betrifft insbesondere die Ausführungen zur Unverwertbarkeit der Aufzeichnungen, zu den Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 2 AO, aber auch zur Schätzung nach § 162 Abs. 3 und 4 AO. Die Finanzbehörde ist dann zur Schätzung befugt. Der „Beweisverderber“ soll aus seinem Verhalten keinen Vorteil ziehen (BFH-Urteil vom 15.2.1989, X R 16/86, BStBl II S. 462). Der Spielraum hinsichtlich der Schätzungsbefugnis nach § 162 Abs. I und 2 AO mit dem (so interpretieren) Recht selbst bei Vorlage verwertbarer Aufzeichnungen schätzungsbefugt zu sein, wird erweitert. Praxisrelevant ist noch, dass Aufzeichnungen in anderen Sprachen außer Deutsch ausgeschlossen bleiben.
Steuern, und insbesondere Steuerstrafverfahren, haben sich in der jüngsten Vergangenheit zu einem medial viel beachteten und in der breiten Öffentlichkeit diskutierten Thema entwickelt. Insbesondere der Ankauf von sog. „Steuer-CDs“ mit nachfolgenden Razzien bei Steuerpflichtigen sowie steuerstrafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen Vorstände und Mitarbeiter verschiedener Kreditinstitute dienen hier als Beispiele.
Dabei ist das potenzielle Risiko steuerstrafrechtlicher bzw. steuerordnungswidrigkeits-rechtlicher Ermittlungen für Unternehmen und ihre Organe in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen. Ursache hierfür sind einerseits ein verschärftes regulatorisches Umfeld und eine zunehmend strengere Rechtsprechung des BGH, andererseits aber auch eine verstärkte Nutzung des strafrechtlichen Instrumentariums durch die Finanzbehörden. Dabei birgt jedes öffentlich bekannt gewordene Ermittlungsverfahren das Risiko eines Reputationsverlusts des betroffenen Unternehmens und seiner Geschäftsführung bei Anteilseignern, Kunden und Geschäftspartnern sowie ggf. der Öffentlichkeit insgesamt. Kommt ein Unternehmen durch illegale Praktiken in die Schlagzeilen und damit in den Fokus der Öffentlichkeit, so droht ein beträchtlicher Ansehensverlust, wobei bereits ein einziger Vorfall genügen kann, um ein über Jahre aufgebautes Unternehmensimage zu beschädigen.
Ziel eines Tax-Compliance-Systems muss daher sein, die Erfüllung sämtlicher steuerlichen Pflichten sicherzustellen und steuerliche Risiken, die zu einem Reputationsverlust führen können zu vermeiden. Aufgrund der umfangreichen Rechtsprechung mit der Verknüpfung zum Strafrecht, der signifikant erweiterten Möglichkeiten der Finanzverwaltung, muss leider konstatiert werden, dass den Steuerpflichtigen eine Vielzahl von zusätzlichen Erfüllungsaufgaben aufgebürdet werden. Dies ist nach derzeitiger Sachlage nur gewährleistet, wenn der Steuerpflichtige ein weltweites System völliger Transparenz aufbaut. Die zunehmend zu beobachtenden Versuche der Finanzverwaltung, die Effizienz bei Betriebsprüfungen durch Schätzungen zu erhöhen, sind durch die aktuell geltenden Vorschriften deutlich einfacher umzusetzen als bisher.
Allein durch ein nicht vorhandenes weltweites IKS – was bei den meisten Unternehmen nicht existiert – ist der Weg deutlich vorgezeichnet. Mit der TaxBridge der PlattesGroup und der integrierten Schnittstelle zu DATEV steht den betroffenen deutschen Unternehmen und deren in- und ausländischen Beratern an Stelle eines Flickenteppichs von länderspezifischen Buchhaltungssystemen eine weltweite Lösung zur Verfügung.
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