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ErbVO | Erbrechtsverordnung der EU

Die Verordnung (EU) Nr. 650/2012 - Erbrechtsverordnung EU-ErbVO - ist eine EU-weit geltende, umfassende erbrechtliche Regelung, die am 8. Juni 2012 vom Rat der EU-Justizminister angenommen wurde. Die Verordnung wurde am 27. Juli 2012 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht und ist am 16. August 2012 in Kraft getreten. Sie gilt für alle Erbfälle in den Unionsmitgliedstaaten ab dem 17. August 2015 (Artikel 84) mit Ausnahme von Dänemark und Irland.

Die Verordnung legt einheitliche Regeln darüber fest, welches Erbrecht auf einen internationalen Erbfall anzuwenden ist. Es handelt sich also um eine Vereinheitlichung des internationalen Privatrechts. Ein "internationaler Erbfall" liegt grundsätzlich immer dann vor, wenn der Staatsbürger eines Landes in einem anderen Land verstirbt und in diesem Land bewegliches oder unbewegliches Vermögen hat. Dadurch, dass in allen Mitgliedstaaten der EU (außer Dänemark und Irland) das anwendbare Erbrecht nach denselben Regeln bestimmt wird, wird die derzeitige Rechtszersplitterung bei der Beurteilung grenzüberschreitender Erbsachen künftig zu beseitigen versucht.

Alles wichtige zur Erbrechtsverordnung der EU

Am 17.08.2015 ist die EU-ErbVO in Kraft getreten. Bis dahin sahen sich Erblasser mit Auslandsbezug bzw. deren Erben folgenden Hauptproblemen ausgesetzt:

  • Welches Recht kommt zur Anwendung?
  • Wie wird der Nachweis über den Tod des Erblassers im Ausland geführt?

Diese Probleme wurden durch das sogenannte Internationale Privatrecht (kurz IPR) gelöst. Das IPR regelt, welches Privatrecht (z. B. deutsch, französisch, spanisch, englisch) in einem Fall mit Auslandsbezug Anwendung findet. Die Bezeichnung ”Internationales Privatrecht“ ist allerdings etwas irreführend.

Hierbei handelt es sich entgegen dem ersten Anschein nicht um „internationales“ Recht, sondern um nationales Recht, das internationale Sachverhalte regelt. Ebenfalls wurden auf europäischer Ebene in einzelnen Bereichen des Privatrechts Harmonisierungen der Rechtsordnungen be-schlossen. Für die Regelung, welches Recht in einem Fall mit Auslandsbezug anwendbar war, wurden sogenannte Kollisionsnormen geschaffen. Hierbei wurde auf den Sachverhalt abgestellt. Dann erfolgte eine entsprechende rechtliche Zuordnung.

Beispielsweise wurde auf den Nachlass eines in Deutschland lebenden Spaniers generell das spanische Erbrecht angewandt, da das deutsche IPR auf die Staatsangehörigkeit des Erblassers abstellte. Dadurch war im deutschen Recht eine klare Regelung getroffen. Einige europäische Länder trafen entsprechende Regelungen (u. a. Österreich), andere wiederum gingen einen anderen Weg und stellten z. B. auf den Wohnsitz bzw. den gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers ab (z. B. Frankreich). Für den Fall, dass der deutsche Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Frankreich hatte, kam es dazu, dass das in Deutschland vorhandene Vermögen nach deutschem Erbrecht und das in Frankreich vorhandene Vermögen nach französischem Erbrecht beurteilt wurde (Nachlassspaltung). Dies führte im Einzelfall zu vielen Problemen, da das französisches Erbrecht und das deutsches Erbrecht sehr unterschiedlich sind (Pflichtteile, gesetzliche Erbquoten, Erbunwürdigkeit, etc.).

Welches Recht Anwendung findet, richtete sich bis zur Einführung der EU-ErbVO nach der Staatsangehörigkeit des Erblassers. Die EU-ErbVO knüpft nun für die Frage, welches nationale Erbrecht anwendbar ist, nicht mehr an die Staatsangehörigkeit des Erblassers an, sondern an dessen letzten gewöhnlichen Aufenthalt.

Der Anwendungsbereich der EU-ErbVO umfasst die Rechtsnachfolge von Todes wegen. Dies beinhaltet jede Form des Übergangs von Vermögenswerten, Rechten und Pflichten von Todes wegen aufgrund gewillkürter oder gesetzlicher Erbfolge. Weitere Regelungen sind:

  • Eintritt des Erbfalls
  • Erbfähigkeit
  • Enterbung und Erbunwürdigkeit
  • Haftung für Nachlassverbindlichkeiten
  • Teilung des Nachlasses
  • Ausgleichung und Anrechnung
  • Erbenstellung und Vermächtnisse
  • Rechte und Pflichten verbunden mit der Erbmasse, insbesondere
  • Annahme und Ausschlagung
  • Rechtsstellungen der Erben, Testamentsvollstrecker und anderer
  • Nachlassverwalter
  • Beschränkungen der Testierfreiheit, insbesondere Pflichtteilsansprüche

Ausgenommen von der Verordnung sind Rechtsgebiete, die zwar Bezug zum Nachlassfall haben, jedoch nicht direkt dem Erbrecht zugeordnet werden, z. B. Steuerrecht, Zollrecht, verwaltungsrechtliche Angelegenheiten, Personenstand, Geschäftsfähigkeit, Verschollenheit, eheliches Güterrecht, Unterhaltsrecht und Formgültigkeit mündlicher Verfügungen.

Die Verordnung ist am 17. August 2015. in Kraft getreten, seit dem Stichtag dürfen keine zuwiderlaufenden nationalen Gesetze verabschiedet werden. Anwendung findet sie auf Personen, die am oder nach dem 17.08.2015 verstorben sind. Rechtswahlen in schon bestehenden Testamenten oder Erbverträgen sind und bleiben wirksam.

Grundsätzlich wird nun zur Ermittlung des anwendbaren Erbrechts an den letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers angeknüpft. Eine anderweitige Rechtswahl ist jedoch möglich und wird in Fällen mit Auslandsbezug empfohlen. Die Zuständigkeit der Gerichte richtet sich folglich ebenfalls nach dem letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers. Durch eine Rechtswahl können deutsche Erblasser für den Fall ihres Todes die Anwendung ausländischen Erbrechts (z. B. des Rechts der Balearen) verhindern und die Anwendung deutschen Erbrechts herbeiführen.

Durch die EU-ErbVO wird eine EU-weite Anerkennung und Vollstreckbarkeit der Titel gesichert. Außerdem ist durch die EU-ErbVO eine neue Art des Nachweises der Erbenstellung eingeführt worden, nämlich das sog. Europäische Nachlasszeugnis (ENZ). Bisher forderte jeder europäische Mitgliedsstaat eine eigene Nachweisbescheinigung der Erben gegenüber z. B. Gerichten, Behörden, Banken usw. In Deutschland wurde dies durch den Erbschein sichergestellt.

Das ENZ vereinfacht nun die Erbabwicklung in den Ländern der Europäischen Union mit Ausnahme von Dänemark, Irland und Großbritannien. Es ermöglicht Erben, aber auch anderen an einer Erbsache Beteiligten (z. B. Testamentsvollstreckern), ihre Legitimation nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen EU-Mitgliedstaaten nachzuweisen. Ein in Deutschland ausgestelltes ENZ kann also z. B. auch in Spanien eingesetzt werden und muss dort von Behörden, Gerichten und Banken als Erbnachweis anerkannt werden.

Zu beachten ist die unterschiedliche Geltungsdauer von Erbschein und ENZ: Während der deutsche Erbschein zeitlich unbefristet gültig ist, hat das ENZ grundsätzlich eine Geltungsdauer von nur sechs Monaten. Unter bestimmten Voraussetzungen kann die Gültigkeit auf Antrag verlängert werden.

Beispiel: Wenn v. a. Immobilien in Deutschland sowie auf Mallorca vorhanden sind, kann in Deutschland für die dort belegenen Immobilien ein Erbschein und für die mallorquinischen Immobilien ein ENZ beantragt werden.

Nach deutschem Recht wird der Wohnsitz in § 7 BGB definiert. In der Praxis fallen Wohnsitz und der gewöhnliche Aufenthalt regelmäßig zusammen. Problematisch ist, dass die EU-ErbVO keine eigene Definition des gewöhnlichen Aufenthaltes bereitstellt und so (vorerst) nur auf eine Definition des Europäischen Gerichtshofes im Falle einer Sorgerechtsstreitigkeit verwiesen werden kann: Unter dem gewöhnlichen Aufenthalt ist „… der Ort zu verstehen, der Ausdruck einer gewissen sozialen und familiären Integration des Kindes ist. Hierfür sind insbesondere die Dauer, die Regelmäßigkeit und die Umstände des Aufenthalts in einem Mitgliedsstaat sowie die Gründe für diesen Aufenthalt und den Umzug der Familie in diesen Staat, […], Ort und Umstände der Einschulung, die Sprachkenntnisse sowie die familiären und sozialen Bindungen des Kindes in dem betreffenden Staat zu berücksichtigen. Es ist Sache des nationalen Gerichts, unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände des Einzelfalls den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes festzustellen.“ (EuGH, C — 523/07; NJW 2009, 1868)

Dieser Ausspruch, der in einem Sorgerechtsstreit und nicht in einer Erbangelegenheit ergangen ist, macht deutlich, dass die Rechtslage unklar ist, sodass künftig hinsichtlich dieser Definition mit Rechtsprechung zu rechnen ist.

Problemfälle des gewöhnlichen Aufenthaltes entstehen v. a. beim Auseinanderfallen von Wohn- und Arbeitsort, Grenzpendlern und doppeltem Wohnsitz. Hierbei sind jeweils die tatsächlichen Umstände des Einzelfalls maßgeblich.

Rechtswahl: Der Erblasser kann nach der EU-ErbVO den gesamten Nachlass mit einer Rechtswahl dem Recht des Staates unterwerfen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt. Dadurch eröffnet sich dem Erblasser ein Ausweg aus unbekanntem, eventuell nicht interessenkonformem, ausländischen Recht. Ehepartnern mit unterschiedlicher Staatsangehörigkeit eröffnet diese Rechtswahlmöglichkeit eine Vielzahl an erbrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten. Daraus ergibt sich aber auch, dass ein erhöhter Beratungsbedarf notwendig wird.

Vor dem Hintergrund der Nachteile des überlebenden Ehegatten durch das spanische bzw. mallorquinische Erbrecht ist die Rechtswahl sehr zu empfehlen. Sie ist, falls ein gemeinschaftliches Testament errichtet oder Erbvertrag geschlossen werden soll und der gewöhnliche Aufenthalt in Spanien liegt, sogar zwingend notwendig, da das Gemeinspanische Recht (Art. 669, 1271 CC) generell letztwillige gemeinsame Verfügungen verbietet. Das mallorquinische Recht erlaubt zwar eine „Universalschenkung“ (Art. 8 I CDCB) mit erbrechtlicher Bindung und öffentlicher Beurkundung und auch einen Erbvertrag, allerdings kein gemeinsames Testament.

Da Testamente grundsätzlich privatschriftlich verfasst werden können, kann auch eine damit einhergehende Rechtswahl privatschriftlich erfolgen. Außerdem ist die Beurkundung solcher letztwilligen Verfügungen mit Rechtswahl – wie die Beurkundung von Testamenten grundsätzlich auch – vor einem spanischen wie auch einem deutschen Notar möglich. Allerdings ist der spanische Notar bei deutscher Rechtswahl regelmäßig weniger erfahren als deutsche Notare. Außerdem ist zusätzlich spanisches Ortsrecht bei einer Beurkundung in Spanien zu befolgen.

Die Rechtswahl muss eine Beschränkung auf das Heimatland des Erblassers beinhalten. Mehrstaatlern stehen dabei mehrere Wahlmöglichkeiten zur Verfügung. Gewählt werden kann auch das Erbrecht eines Nicht-EU-Staates. Hingegen kann nicht das Recht des gewöhnlichen (oder lebenslangen) Aufenthaltes gewählt werden. Dieses kann sich nur daraus ergeben, dass der gewöhnliche Aufenthalt verlagert wird.

Beispiel: A ist in Spanien geboren und spanischer Staatsbürger, lebt 30 Jahre in Deutschland, vier Monate vor seinem Tod zieht er wieder zurück nach Spanien: Deutsches Erbrecht ist nicht wählbar. Die Rechtswahl muss ausdrücklich durch letztwillige Verfügung geschehen. Ein Widerruf oder eine Änderung der Rechtswahl ist möglich. Der Widerruf führt dazu, dass sich das anwendbare Recht wieder nach dem gewöhnlichen Aufenthaltsort richtet.

Formulierungsbeispiel für eine Rechtswahl: „Die Europäische Erbrechtsverordnung bestimmt, dass sich das Recht, nach dem ein Erblasser beerbt wird, nach dem Ort seines letzten gewöhnlichen Aufenthalts richtet. Es besteht daher die Gefahr, dass eine ausländische Rechtsordnung zur Anwendung kommt. Dies soll in jedem Fall vermieden werden. Hiermit wähle ich deshalb für die Erbfolge in mein gesamtes Vermögen das deutsche Recht.“

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