Nachfolgepakt | Spanien | Mallorca
Bevor diese steuerlich in besonderer Weise behandelte Form der Übertragung erklärt wird, ist ein kleiner Exkurs über die spanische Rechtsordnung notwendig: Auf etwa der Hälfte des Staatsgebietes gilt das bürgerliche Gesetzbuch (Código Civil), während eine Reihe von Regionen ihre eigene Rechtsordnung hat. Der „pacto sucesorio“ oder Nachfolgepakt ist grundsätzlich nur in Regionen mit eigener Rechtsordnung möglich, denn der Código Civil verbietet diese Übertragungsform ausdrücklich. Die Regionen mit eigener Rechtsordnung, in welcher der „pacto sucesorio“ vorgesehen ist, sind das Baskenland, Katalonien, Galizien sowie drei der vier Balearen-Inseln: Mallorca, Ibiza und Formentera.
Was ist ein „pacto sucesorio“? Es handelt sich um einen Vertrag zwischen zwei mündigen Bürgern, in dem einer dem anderen auf dem Weg einer vorgezogenen Erbschaft einen Teil seines Vermögens überträgt. Der Empfänger muss sich dafür zu einer Gegenleistung verpflichten. In den zwei mallorquinischen Modalitäten des Nachfolgepakts besteht diese Gegenleistung entweder in der Verpflichtung zur Annahme der Erbschaft oder im ausdrücklichen Verzicht auf den zustehenden Pflichtteil.
Nachdem der Pacto Sucesorio steuerlich gesehen lange Jahre im Dornröschenschlaf lag und wenig Beachtung fand, sorgte ein Urteil eines galizischen Höchstgerichts vom 9. Februar 2016 für ein Erdbeben. Denn die Richter befanden, dass die Finanzbehörde den Nachfolgepakt wie eine Erbschaft zu behandeln hatte, obwohl der Anlass kein Sterbefall ist, sondern eine Übertragung zu Lebzeiten. Das bedeutet einerseits die Anwendung von Erbschaftsteuersätzen, die je nach Region und Verwandtschaftsverhältnis wesentlich vorteilhafter sein können als Schenkungsteuer wie zum Beispiel auf den drei oben genannten balearischen Inseln. Aber andererseits – und hier liegt der wesentliche Vorteil – verzichtet der Staat bei einer Erbschaft ausdrücklich auf eine Besteuerung des Wertzuwachses des übertragenen Guts.
Speziell bei Gesellschaftsanteilen und Immobilien hat sich somit ein wahres Scheunentor aufgetan, um stille Reserven völlig legal am Fiskus vorbeizuschleusen. Auf den Balearen (außer auf Menorca) nutzen seither zahlreiche Familien die Gelegenheit, um Immobilien, die vor langer Zeit erworben wurden und daher einen steuerlich brisanten Wertzuwachs bergen, kurz vor dem Verkauf zu übertragen, meist an die – notwendigerweise volljährigen – Kinder. Im Rahmen eines Nachfolgepaktes bezahlen diese jeweils nur die geringe balearische Erbschaftsteuer (im Idealfall 1 Prozent bis 700.000 €), während der besteuerte Verkehrswert zugleich der Anschaffungswert für die Berechnung des Gewinns aus dem folgenden Verkauf ist. D.h. anders als bei der Schenkung muss der Übertragende für den Wertzuwach des übertragenen Gutes keine Einkommensteuer bezahlen.
Nachfolgepakt der Balearen aus Rechtlicher und Steuerlicher Sicht
Die Familie kann eine Immobilie trotz hohem Wertzuwachs mit extrem niedriger Besteuerung veräußern.
Der Nachfolgepakt hat jedoch noch weitere Vorteile:
- Steuerlich „stirbt“ der Erblasser zweimal, d.h. speziell bei umfangreichen Erbschaften kann durch die Aufteilung auf zwei Erbschaftsvorgänge die Progression wesentlich gemindert werden.
- Durch die Aufteilung des Vermögens kann auch die Vermögensteuerbelastung für eine Familie gesamthaft gemindert werden. (Nutzung von mehreren Freibeträgen, geringere Progression)
- Unternehmer können zu Lebzeiten eine geordnete Übergabe ihrer Firma vornehmen und begleiten. Das hilft auch, Rechtsstreitigkeiten unter Erben zu vermeiden.
Auf Mallorca sind zwei Modalitäten des Nachfolgepaktes vorgesehen: die sogenannte „Donación universal“ und die „Donación con definición“.
Wie bei allen Nachfolgepakten handelt es sich auch hier um unwiderrufliche notarielle Vereinbarungen zwischen geschäftsfähigen Parteien. Damit unterscheidet sich der Nachfolgepakt wesentlich von der Schenkung, die auch an Minderjährige erfolgen kann.
Der Schenker überträgt eine Serie von Gütern und der Beschenkte erwirbt im Rahmen dieser Vereinbarung den Status eines vertragsmäßigen Erben. Das bedeutet einerseits, dass mit diesem Dokument jegliches vorher errichtete Testament ungültig wird, und andererseits, dass der Beschenkte beim Ableben des Schenkers die Erbschaft nicht ausschlagen kann. Dies ist insbesondere im Hinblick auf eine möglicherweise problematische bzw. belastete Erbmasse zu berücksichtigen.
Der Beschenkte muss geschäftsfähig sein. Da es sich um einen Vertrag mit Gegenleistung handelt, kann dieser nicht durch einen Vormund für einen Minderjährigen abgeschlossen werden. Andererseits muss der Beschenkte mit dem Schenker nicht verwandt sein. Ansässigkeit und Staatsangehörigkeit des Beschenkten haben keine Bedeutung. Dem Gesetzestext nach muss jedoch der Schenker den balearischen Bürgerstatus („vecindad balear“) haben, was die spanische Staatsbürgerschaft voraussetzt. Doch darauf gehen wir unter dem Punkt „Problemstellungen für Ausländer“ noch einmal gesondert ein.
Im Rahmen einer „donación universal“ können mehrere Erben beschenkt werden. Doch ist dieser Akt einmal durchgeführt, kann kein weiterer Nachfolgepakt abgeschlossen und können somit keine weiteren Erben bestellt werden. Auch kann danach kein weiteres Testament errichtet werden, sondern lediglich ein Vermächtnis.
Bei diesem Nachfolgepakt muss der Beschenkte ein pflichtteilsberechtigter Abkömmling des Schenkers sein, da seine vertragliche Gegenleistung darin besteht, auf seinen Pflichtteil oder generell auf seine Nachfolgerechte oder aber auf beides zu verzichten. Der balearische Bürgerstatus ist für den Beschenkten keine Voraussetzung.
Der Pflichtteil wird nach Maßgabe des Vermögensstandes zum Zeitpunkt der Schenkung berechnet, spätere Änderungen des Vermögens werden in diesem Rechtsgeschäft nicht mehr berücksichtigt.
Im Unterschied zur „donación universal“ wird hier ein vorher gemachtes Testament nicht ungültig, jedoch wird die Erbenbestellung verändert.
Auf Ibiza und Formentera – auch die Pityusen genannt – nennt sich der Nachfolgepakt „pacto de institución“. Hier bestehen ebenfalls zwei Modalitäten mit unterschiedlichen Gestaltungsmöglichkeiten:
- Die „donación singular“ oder „donación universal“ ermöglicht die Übertragung als Vermächtnis oder Erbe. Der Beschenkte muss im Unterschied zum Schenker keinen pityusischen Bürgerstatus („vecindad pitiusa“) aufweisen und mit dem Schenker auch nicht verwandt sein.
- Die zweite Modalität, genannt „finiquito de legitima“, erfordert vom Schenker, ein pflichtteilsberechtigter Abkömmling zu sein. Der pityusische Bürgerstatus ist nicht erforderlich.
In der menorquinischen Gesetzgebung ist ein Nachfolgepakt nicht nur nicht geregelt sondern ausdrücklick unrechtsmässig.
Wie bereits erwähnt, wird von den insularen Gesetzgebungen Mallorcas und der Pityusen für den Schenker jeweils der balearische Bürgerstatus verlangt, der seinerseits die spanische Staatsangehörigkeit zur unbedingten Voraussetzung hat. Auf den ersten Blick schließt diese Bedingung alle Mallorca-, Ibiza- und Formentera-Residenten mit ausländischer Staatsangehörigkeit vom Nachfolgepakt aus.
Jedoch hat bereits ein Jahr nach dem anfangs erwähnten Galizien-Urteil die balearische Steuerbehörde ATIB in einer internen Dienstanweisung festgestellt, dass sie auf Basis des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung von EU-Ausländern den „pacto sucesorio“ auch bei ausländischen Residenten akzeptiert und steuerlich die Schenkung entsprechend als Erbschaft behandelt, sofern alle sonstigen formellen Voraussetzungen erfüllt werden.
Leider sind damit nicht alle Probleme gelöst. Bis dato gibt es zahlreiche und vor allem angesehene Notare, die aufgrund des Wortlauts der insularen Gesetzgebung auf der Voraussetzung des balearischen Bürgerstatus beharren und keine Urkunde für einen Nachfolgepakt unterschreiben, wenn beim Schenker keine „vecindad balear“ vorliegt, da sie das Rechtsgeschäft als nicht ausreichend abgesichert betrachten.
Zwar gibt es andererseits Notare, die eine entsprechende Urkunde auch für ausländische Residenten unterzeichnen, doch könnte man selbst bei Überwindung dieser Hürde einem weiteren Hindernis gegenüberstehen: dem „registro de la propiedad“ (Eigentumsregister bzw. Grundbuchamt). Einige Registerführer der Insel weigern sich, eine Umschreibung z.B. einer Immobilie auf den neuen Eigentümer einzutragen, wenn der Nachfolgepakt die wörtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt.
Das bedeutet zusammengefasst, dass trotz des grünen Lichts der Steuerbehörde für Residenten mit ausländischem Pass, die einen „pacto sucesorio“ für eine steuerlich begünstigte Schenkung verwenden wollen, noch eine Rechtsunsicherheit besteht, weil sowohl Notare als auch Register in dieser Frage nicht einem einheitlichen Kriterium folgen. Während man sich den Notar aussuchen kann, sind die Zuständigkeiten der Grundbuchämter in Stein gemeißelt. Unsere Empfehlung lautet für diesen Fall, sich im Vorfeld zu erkundigen, ob das jeweils zuständige Grundbuchamt Probleme bereiten könnte.
Wichtige Anmerkung: Wenn er denn funktioniert, so tut dies der Nachfolgepakt nur für hier ansässige Angehörige eines Staates, der sich der seit August 2015 geltenden neuen EU-Erbrechtsverordnung angeschlossen hat. Das bedeutet: alle EU-Staaten mit Ausnahme von Dänemark und Irland.
Der Nachfolgepakt für Nichtresidenten wird von einigen Büros der Insel als Steuersparmodell angepriesen und auch umgesetzt. Aus unserer aktuellen Sicht ist ein solcher Vorgang mit erheblichen Risiken befrachtet.
Zunächst gründet der „pacto sucesorio“ ja darauf, dass der Betroffene das mallorquinische Erbrecht anwendet. Dazu muss er nach der neuen europäischen Erbrechtsverordnung zumindest Resident sein, was bei Nichtresidenten grundsätzlich ausgeschlossen ist.
Somit steht zu befürchten, dass es nur eine Frage der Zeit oder des Glücks ist, wann bzw. ob die staatliche Steuerbehörde AEAT die entsprechend eingereichten Erbschaftsteuererklärungen mit der balearischen Steuerbehörde abgleicht und die Nachversteuerung als Schenkung einfordert. Speziell bei Immobilien mit hohem Wertzuwachs zwischen Erwerb und Schenkung raten wir davon ab, dieses Risiko einzugehen, obwohl die Verjährungsfrist in Spanien mit vier Jahren relativ kurz ist.
Aus unserer Sicht wäre nur eine Fallannahme denkbar, in der ein Nichtresident die steuerliche Behandlung einer Übertragung als Nachfolgepakt in Anspruch nehmen und ggfs. erstreiten kann: Wenn der Ansässigkeitsstaat eine äquivalente Übertragungsform kennt und diese in einer Weise angewendet wurde, die von der spanischen Behörde als gleichwertig anerkannt wird.
Es war nur eine Frage der Zeit, bis der Staat auf dieses steuerliche Schlupfloch aufmerksam wurde und auf Abhilfe sann. Im Baskenland war man schneller, dort wurde dem Steuersparmodell gleich zu Beginn quasi eine Fußfessel angelegt: Bei einem Weiterverkauf kann der zu Zwecken der Erbschaftsteuer festgelegte Wert nur dann als steuerlicher Anschaffungswert angesetzt werden, wenn der Schenker zum nämlichen Zeitpunkt bereits verstorben ist.
Von der baskischen Lösung inspiriert, hat die spanische Zentralregierung zwar eine gleichlautende Gesetzesreform für das gesamtspanische Einkommensteuergesetz bereits ausformuliert und vorbereitet, doch ist ein Inkrafttretenaufgrund aufgrund der herrschenden politischen Turbulenzen unwahrscheinlich.
Im Fall eines Inkrafttretens muss die Frage einer möglichen Rückwirkung im Auge behalten werden: Da der Fälligkeitstermin der Einkommensteuer der 31. Dezember des jeweiligen Jahres ist, könnte die Einführung der Gesetzesänderung kurz vor Jahresende die Nachfolgepakte des gesamten Jahres betreffen. Ob eine solche rückwirkende Anwendung rechtlich hält, ist zwar umstritten, doch hilft das dem Betroffenen wenig, sofern er nicht Lust auf und Geld für ein langes Rechtsverfahren gegen den Staat hat und die Sachlage durch Präzedenzfälle oder höchstgerichtliche Entscheide noch nicht geklärt ist.