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Passive Entstrickung | Fiktive Wegzugsbesteuerung

Das Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) zwischen Deutschland und Spanien enthält eine „Immobilien-Klausel“ (Artikel 13 Absatz 2). Danach liegt das Besteuerungsrecht an einem Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen oder Liquidation im Fall von Immobiliengesellschaften nun auch bei jenem Staat, in dem die Immobilie liegt. Zuvor hatte der Ansässigkeitsstaat (Deutschland) des Anteilseigners das alleinige Besteuerungsrecht. Dieser Wechsel des Besteuerungsrechts stellt den Tatbestand einer „passiven Entstrickung“ dar.

Mit Entstrickung ist in Deutschland die steuerliche Realisierung stiller Reserven ohne tatsächliche Veräußerung nach § 6 AStG gemeint. Bei einer „aktiven Entstrickung“ findet das z.B. bei einem Wohnsitzwechsel statt. Im Fall der „passiven Entstrickung“ führt nicht eine Handlung des Steuerpflichtigen, sondern eine Änderung der Steuergesetze bzw. in diesem Fall des DBA dazu, dass Deutschland ein Besteuerungrecht verliert. Für jede Art der Entstrickung sieht das deutsche Steuergesetz eine Aufdeckung und Besteuerung der stillen Reserven vor.

Fallbeispiel:
Ein Steuerpflichtiger verzieht ins Ausland. Nun muss er den Wert seiner Firmenbeteiligung feststellen lassen und den entstandenen Vermögenszuwachs vor Wegzug in Deutschland der Besteuerung unterwerfen. Zieht der Steuerpflichtige in ein EU-Land, kann er diese Steuer zinslos stunden lassen. Das Außensteuergesetz sieht für eine „passive Entstrickung“ dieselben Konsequenzen vor.

Die Folge für eine in der Praxis oft auftretende Konstellation: Bei Auflösung oder Verkauf einer Gesellschaft mit spanischen Immobilien rechnet der deutsche Fiskus vom deutschen Anteilsinhaber bei Versteuerung des Vermögenszuwachses die spanische Steuer lediglich ab dem Zeitpunkt der Entstrickung an – hier also der 01. Januar 2013.

Für den deutschen Eigner einer spanischen Immobiliengesellschaft hat die Regelung eine doppelte Besteuerung zur Folge, denn der spanische Staat fordert die Steuer auf den gesamten seit Erwerb entstandenen Gewinn ein.

Steuerliche und Strafrechtliche Konsequenzen

Mit einem Beispiel verdeutlichen wir unsere Ausführungen zur steuerlichen Behandlung in Deutschland:

Sachverhalt:

Im Jahr 2000: Erwerb/Gründung der spanischen Gesellschaft mit der spanischen Immobilie zu Anschaffungskosten / Verkehrswert von 1.000.000 €
Im Jahr 2013: Fiktiver Wegzug (passive Entstrickung) gem. § 6 AStG wegen Änderung des DBA – Spanien mit einem Verkehrswert von 1.500.000 €
Im Jahr 2018: Verkauf der Anteile an der spanischen Gesellschaft zum Preis von 2.000.000 €

Bis zum Jahr 2013 hatte ausschließlich Deutschland das Besteuerungsrecht an den Gewinnen aus dem Verkauf der Anteile an der spanischen S.L. Solange kein Verkauf der Anteile vorgenommen wurde, kam es auch nicht zu einer Versteuerung der vorhandenen stillen Reserven. Diese würde lediglich greifen, wenn der Anteilseigener in ein Nicht-EU-Land umzieht. § 6 AStG schreibt nun aufgrund der Änderung des DBA in 2013 eine Gewinnrealisierung vor. Für das Jahr 2013 bedeutete dies einen Veräußerungsgewinn von 500.000 € (Differenz von Verkehrswert 1.500.000 € abzüglich Anschaffungskosten in Höhe von 1.000.000 €). Zu einer Versteuerung kommt es ausnahmsweise nicht, wenn ein Stundungsantrag gem. § 6 Abs. 5 S. 3 Nr. 4 AStG gestellt wird. Damit ist die passive Entstrickung im Verhältnis zu Spanien ohne steuerliche Belastung.

Zieht der Gesellschafter nicht aus Deutschland weg, sondern verkauft im Jahr 2018 die Anteile an der spanischen Gesellschaft, steht Deutschland als dem Ansässigkeitsstaat das Besteuerungsrecht für den Gewinn aus den Anteilen zu. Deutschland würde durch den Verkauf die Stundung widerrufen und den anteiligen Veräußerungsgewinn von 1.500.000 € in Deutschland gem. § 17 EStG versteuern, würde aber die spanische Steuer nur für den Anteil des Wertzuwachses ab 1.1.2013 anrechnen. Insoweit kommt es für diesen Teil des Gewinns zu einer effektiven Doppelbesteuerung.

In Spanien wird der Gewinn aber ebenfalls versteuert, wozu Spanien nach Art. 13 Abs. 2 DBA-Spanien berechtigt ist. Somit stellt sich die Frage, wie diese Doppelbesteuerung vermieden wird, wenn Spanien die gesamte Differenz zwischen Anschaffungskosten und Verkaufspreis 2018 in Höhe von 1.000.000 € versteuert. Gem. Art. 22 Abs. Abs. buchst. b) Nr. II)DBA Spanien hat die Vermeidung der Doppelbesteuerung bei einem in Deutschland Ansässigen durch Anrechnung der ausländischen (hier spanischen) Steuern, die nach dem Recht Spaniens und in Übereinstimmung mit diesem Abkommen gezahlt wurden. Nr. II besagt: Einkünfte, die nach Art. 13 Abs. 2 und 3 im Königreich Spanien besteuert werden können.

Im Ergebnis wäre in Nichtwegzugsfällen eine Doppelbesteuerung nur dann ausgeschlossen, wenn Deutschland die spanische Steuer auf den Veräußerungs-gewinn iHv. 1 Mio. vollständig anrechnet. Dies jedoch nur dann, wenn es nicht zu Anrechnungsüberhängen kommt, weil die spanische Steuer z. B. höher ist als die deutsche Einkommensteuer.

Dieses Verfahren ist hochkomplex und bedarf länderübergreifender Beratung.

Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht. Bei einem § 6 AStG-Event wird die sog. Wegzugssteuer im Rahmen der Steuererklärung „festgesetzt“, aber die Steuerzahlung zur Stundung ausgesprochen.

Praktisch sind daher folgende Aspekte brisant:

Ohne Erklärung wurde die Steuerfestsetzung verhindert. Die Steuer wurde damit „verkürzt“ iSd § 370 Abs. 4 AO. Damit die Steuerstundung gewährt wird, muss der Steuerpflichtige jährliche Nachweise erbringen, ansonsten ist die Stundung zu widerrufen. Damit steht auch die Stundungsgewährung im Feuer! Empfehlung: Unverzügliche Aufklärung des gesamten Sachverhalts im Rahmen einer Nacherklärung für das Jahr 2013.

Mit Blick auf unzählige spanische Immobilien, die über Kapitalgesellschaften gehalten werden, bedeutet die Regelung des neuen DBA-Spanien, dass künftig bei der Veräußerung der Anteile in Deutschland eine spanische Steuer auf die deutsche Steuer anzurechnen ist.

In diesem Zusammenhang beschäftigte viele Steuerpflichtige die Unsicherheit, inwieweit alleine die DBA-Änderung - erstmalige Anwendung der DBA-Klausel für Immobiliengesellschaften - zu einer Besteuerung nach den o.g. Entstrickungstatbeständen führen kann.

Diese Ansicht wird von der deutschen Finanzverwaltung als zutreffend unterstellt. Das ist unserer Meinung nach nicht nur rechtsstaatlich problematisch, weil die Besteuerung durch eine staatliche Maßnahme und nicht durch das Handeln eines Steuerpflichtigen ausgeführt wird. Dies bedeutete vielmehr auch eine Steuerbelastung aufgrund der Wegzugsbesteuerung, ohne dass den Steuerpflichtigen entsprechende liquide Mittel zufließen.

Auch diese Sachverhalte werden ab September aufgrund des automatischen Datenaustausches von den deutschen Finanzerwaltungen – neben der schon hinreichend beschriebenen Thematik der vGA – aufgegriffen werden. Es wird dadurch immer klarer, dass das Eigentum einer spanischen Ferienimmobilie über eine Kapitalgesellschaft keine zeitgemäße Struktur mehr ist. Der inhaltstiefe Austausch zwischen den deutschen und spanischen Beratern wird damit zur Basisarbeit, um unangenehme Überraschungen zu vermeiden. Wenn man sich eine Ferienimmobilie zulegt und die emotionale Rendite genießen will, möchte man sich nun wirklich nicht mit solchen komplizierten und auch gefährlichen Sachverhalten auseinander setzen. Das Gesamtkonzept gehört auf den Prüfstand.

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