Scheinselbstständigkeit in Spanien
Bei Scheinselbstständigkeit handelt es sich um Beschäftigungsbetrug. Dabei zwingt ein Unternehmen einen Arbeitnehmer, sich als Selbstständiger anzumelden, anstatt ihn als Arbeitnehmer einzustellen und bei der Sozialversicherung anzumelden. Scheinselbstständigkeit wird in Spanien ähnlich wie auch in Deutschland definiert. Der Scheinselbständige ist ein Arbeitnehmer mit einem verschleierten Beschäftigungsverhältnis, der "auf dem Papier" auf eigene Rechnung arbeitet, in Wirklichkeit aber für das Unternehmen tätig ist und so die Zahlung von Beiträgen zum allgemeinen Sozialversicherungssystem (Arbeitnehmersystem) vermeidet. Das Beispiel zeigt, dass grenzübergreifende Arbeitsverhältnisse eine professionelle Beratung erfordern.
Die Beschäftigung von Scheinselbstständigen anstelle formell angestellter Mitarbeiter mit Arbeitsvertrag verursacht einen erheblichen Verlust an Sozialversicherungsbeiträgen. Scheinselbstständige stehen deshalb seit längerem im Fokus der spanischen Behörden. Bei den Prüfungen von Scheinselbstständigkeit gehen die Behörden für die Nachweiserbringung über das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses statt einer Selbstständigkeit Schritt für Schritt vor und führen dabei eine ganze Reihe von „Indizien“ auf, die ein solches Arbeitsverhältnis belegen.
Indizien einer Scheinselbstständigkeit
Eines dieser Indizien ist die Abhängigkeit des Arbeitnehmers vom Unternehmen, um seine Arbeit zu organisieren. Ein Selbstständiger zeichnet sich u. a. dadurch aus, dass er seine Aufgaben frei organisieren und aufteilen kann. Oft ist es aber das Unternehmen, das den Tag, die Uhrzeit und den Ort festlegt, in dem der Selbständige sich einfinden muss, um seinen Arbeitstag zu beginnen. Das Unternehmen richtet seine Mitteilungen unterschiedslos an alle Mitarbeiter und Selbstständige, was eine Zentralisierung und Kontrolle des Informationsflusses über Mittel widerspiegelt, welche ausschließlich von dem Unternehmen gesteuert werden.
Ein Merkmal eines Arbeitsverhältnisses ist die Arbeit auf Rechnung Dritter: Die Kosten der Arbeit werden vollständig vom Unternehmer getragen, dem das wirtschaftliche Ergebnis zugerechnet wird, unabhängig davon, ob es sich um Gewinne oder Verluste handelt.
Ein weiteres Indiz für das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses liegt darin, dass das Unternehmen die Vergütung einseitig festlegt und die gesamte wesentliche Infrastruktur der Tätigkeit zur Verfügung stellt: Material und Personal, dies umfasst auch Computer und Software, welches Kernelement des Arbeitsverhältnisses ist, den Kontakt zu den Kunden und die gesamte dafür notwendige Unterstützung.
Die Gewerbeaufsicht war die erste Institution, die versuchte, für regelwidrig befundenen Arbeitsverhältnisse zu unterbinden. Aber auch die Gewerkschaften folgen derzeit diesem Beispiel. Sie prangern an, dass Unternehmen Scheinselbstständigen die notwendige Infrastruktur zur Verfügung stellen, um die Arbeit ausüben zu können, sie bilden diese Mitarbeiter vorher aus und tragen zur Vermarktung des Firmenimage bei.
Wie ist Selbstständigkeit definiert?
Im Gegensatz dazu steht ein Selbstständiger. Im Statut der selbstständigen Arbeit (Estatuto del Trabajo autónomo) heißt es:
"Das vorliegende Gesetz findet Anwendung bei natürlichen Personen, die gewöhnlich, persönlich, unmittelbar, auf eigene Rechnung und außerhalb des Umfeldes der Leitung und Organisation einer anderen Person eine wirtschaftliche oder berufliche Tätigkeit mit Gewinnerzielungsabsicht ausüben, unabhängig davon, ob sie Arbeitnehmer beschäftigen oder nicht."
Ein Selbstständiger ist:
ein Unternehmer.
Er hat mehrere Kunden - so viele wie er betreuen kann. Allerdings sieht das spanische Recht eine Sonderform vor. Es gibt eine anerkannte Rechtsfigur, die wirtschaftlich abhängiger Selbständiger (TRADE: Trabajador Autónomo Económicamente Dependiente) heißt; dieser bezieht mindestens 75 Prozent seiner Einkünfte von einem einzigen Kunden, weshalb er als wirtschaftlich abhängig bezeichnet wird. Der TRADE-Vertrag muss bei der öffentlichen Arbeitsverwaltung (Servicio Público de Empleo Estatal) angemeldet werden. Der TRADE hat eine Frist von zehn Arbeitstagen ab Vertragsunterzeichnung zur Registrierung. Nach der Registrierung muss er den Kunden innerhalb von fünf Arbeitstagen über diese informieren.
Er leistet Dritten Dienste und erhält dafür Honorare, die nicht konstant sind (er stellt nicht jeden Monat den gleichen Betrag in Rechnung).
Er schließt einen Dienstleistungsvertrag ab, entweder schriftlich oder mündlich, für einen bestimmten Auftrag bzw. bestimmte Aufträge und erhält nach Abschluss der Arbeiten die Bezahlung.
Der Selbstständige verfügt selbst über alles, was er für die Ausführung der vertraglich vereinbarten Arbeit benötigt. Er verwendet keine Hilfsmittel des Auftrag gebenden Unternehmens (d. h. seines Kunden):
Er benutzt weder den Computer seines Auftraggebers,
noch das Büro des Kunden,
noch seine Möbel,
noch seine Computerprogramme,
noch Büromaterial,
noch verfügt er über ein Handy, welches sein Kunde bezahlt,
noch nutzt er eine Email-Adresse seines Kunden, da er nicht unter dem Namen seines Auftraggebers agiert,
noch nutzt er Firmenwagen seiner Kunden,
noch ist er an Arbeitszeiten gebunden,
die Vergütungen sind variabel und hängen von den geleisteten Dienstleistungen ab,
seine Urlaubszeiten organisiert er selbst; ein Selbstständiger muss nicht auf die Zustimmung des Unternehmens warten, das seine Dienste unter Vertrag nimmt,
noch trägt er zur Vermarktung bei, indem er ein Logo der Firma, die ihn unter Vertrag nimmt, nutzt.
Der Selbstständige übt eine berufliche Tätigkeit aus, bei der er seine eigenen finanziellen Mittel riskiert und seine persönliche Arbeitsleistung einbringt.
Im Gegensatz dazu arbeitet ein Angestellter unter Anweisung eines Vorgesetzten. Er verrichtet seine Tätigkeit nach dem Zeitplan und den Richtlinien des Unternehmens. Er riskiert nicht sein Kapital, erhält eine regelmäßige Vergütung, benutzt das Equipment des Unternehmens für seine Arbeit und organisiert seinen Urlaub in Abstimmung mit dem Arbeitgeber.
Die Sozialabgaben eines Selbstständigen vs. eines Angestellten
Die spanische Regierung hat zum 1. Januar 2023 neue Beitragsregelungen für Selbstständige und Freiberufler festgelegt. Beitragszahlungen von Selbstständigen müssen verpflichtend in Abhängigkeit von den Jahresnettoeinkünften erfolgen. Dabei sind Höchst- und Mindestbeträge der Betragsgrundlage zu beachten. Der zu zahlende Beitrag beläuft sich auf 31,2 Prozent der Beitragsgrundlage. Wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden, kann der Selbstständige sich für den Pauschalbeitrag entscheiden, der sich in den ersten zwölf Monaten seiner Tätigkeit auf 80 Euro pro Monat beläuft. Bis Ende 2022 war es Selbstständigen möglich, ihre Beitragsgrundlage selbst zu bestimmen.
Bei einem Angestelltenverhältnis hingegen zahlen sowohl das Unternehmen, als auch der Arbeitnehmer Sozialversicherungsbeiträge abhängig vom Bruttogehalt, das dieser bezieht. Der Arbeitgeber entrichtet ca. 32 Prozent des Bruttolohns des Arbeitnehmers (je nach ausgeübter Tätigkeit) an die Sozialversicherung. Der Arbeitnehmer zahlt 6,35 Prozent seines Bruttolohns.
Für die Beiträge gibt es eine Berechnungs- oder Beitragshöchstgrenze, die in der Regel jährlich überprüft und aktualisiert wird. Im Jahr 2023 beträgt die Beitragshöchstgrenze 4.495,50 Euro. Bei Gehältern, die diese Obergrenze überschreiten, werden keine zusätzlichen Beiträge gezahlt. Demzufolge wird bei einem Monatsgehalt von 4.495,50 Euro also der gleiche Betrag an die Sozialversicherung abgeführt wie bei einem Monatsgehalt von beispielsweise 18.000 Euro.
Diese Strafen sind zu erwarten
Sollte die Aufsichtsbehörde die Beschäftigung einen Scheinselbstständigen aufdecken, würde diese die im Zeitraum des Arbeitsverhältnisses nicht gezahlten Sozialversicherungsbeiträge einfordern - unter Berücksichtigung der gesetzlichen Verjährungsfrist von vier Jahren mit einem Aufschlag von 20 Prozent zuzüglich Verzugszinsen.
Zudem könnte gegen das Unternehmen eine Geldstrafe wegen unterlassener Anmeldung erteilt werden.
Geldstrafe wegen Nichtanmeldung - Artikel 22.2 des Gesetzes über Verstöße und Geldstrafen in der Sozialordnung: „Die nicht frist- und formgerechte Beantragung der Erstanmeldung oder Anmeldung von Arbeitnehmern, die ihren Dienst antreten, gilt als schweres Vergehen und wird für jeden der betroffenen Arbeitnehmer als Verstoß bewertet.“
Die schweren Verstöße können folgendermaßen eingestuft werden:
Mindeststrafrahmen von 3.750 bis 7.500 Euro
Mittlerer Strafrahmen von 7.501 bis 9.600 Euro
Höchster Strafrahmen von 9.601 bis 12.000 Euro
Sollte der Arbeitnehmer Sozialleistungen oder Renten vom Sozialversicherungssystem beziehen, die mit unselbstständiger Arbeit unvereinbar sind, kann dies als sehr schwerer Verstoß angesehen werden, dessen Geldstrafe je nachdem, welcher Strafrahmen dem Verstoß zugeordnet wird, unterschiedlich hoch ist:
Mindeststrafrahmen von 12.001 bis 30.000 Euro
Mittlerer Strafrahmen von 30.001 bis 120.005 Euro
Höchster Strafrahmen von 120.006 bis 225.018 Euro
Die genannten Geldstrafen erhöhen sich um:
20 Prozent für jeden Verstoß, wenn es sich um zwei Arbeitnehmer, Begünstigte oder Antragsteller handelt.
30 Prozent für jeden Verstoß, wenn es sich um drei Arbeitnehmer, Begünstigte oder Antragsteller handelt.
40 Prozent für jeden Verstoß, wenn es sich um vier Arbeitnehmer, Begünstigte oder Antragsteller handelt.
50 Prozent für jeden Verstoß, wenn es sich um fünf oder mehr Arbeitnehmer, Begünstigte oder Antragsteller handelt.
In keinem Fall kann der jedem Verstoß zu geordnete Betrag 12.000 Euro bzw. 225.018 Euro übersteigen.
Im Falle eines Arbeitsunfalls: zur Geldstrafe wegen unterlassener Anmeldung, gäbe es eine Geldstrafe aufgrund der Nichterfüllung der Nichterfüllung der Arbeitsschutzvorschriften (fehlende ärztliche Untersuchung, Schulung zur Unfallvermeidung, Information, Bereitstellung von Schutzausrüstung). Geldstrafen von 45 € bis 983.736 €.
Geringfügige Verstöße: Mindeststrafrahmen mit einer Geldstrafe von 45 bis 485 Euro, mittlerer Strafrahmen mit einer Geldstrafe von 486 bis 975 Euro und höchster Strafrahmen mit einer Geldstrafe von 976 bis 2.450 Euro.
Grobe Verstöße: Mindeststrafrahmen mit einer Geldstrafe von 2.451 bis 9.830 Euro, mittlerer Strafrahmen mit einer Geldstrafe von 9.831 bis 24.585 Euro und höchster Strafrahmen mit einer Geldstrafe von 24.586 bis 49.180 Euro.
Für sehr schwere Verstöße: Mindeststrafrahmen mit einer Geldstrafe von 49.181 bis 196.745 Euro, mittlerer Strafrahmen mit einer Geldstrafe von 196.746 bis 491.865 Euro und höchster Strafrahmen mit einer Geldstrafe von 491.866 bis 983.736 Euro.
Sollte der Arbeitsunfall zu einer Arbeitsunfähigkeit führen, läge eine Verantwortung des Unternehmens hinsichtlich der Rentenzahlungen vor, die dem Arbeitnehmer zustünden bzw. im Todesfall dessen Begünstigten. Zudem besteht die Möglichkeit eines Aufschlags auf die Sozialleistungen aufgrund fehlender Vorsorge (Artikel 164 LGSS, allg. Sozialversicherungsgesetz), von zwischen 30 und 50 Prozent der Beträge in bezüglich der Sozialleistungen und Invaliditätsrente. Und schließlich die mögliche strafrechtliche Verantwortlichkeit.
Zusätzliche Sanktionen: Automatischer Verlust von Beihilfen, Subventionen, Leistungen aus Beschäftigungsprogrammen oder Berufsbildungsmaßnahmen für einen Zeitraum von einem Jahr, proportional zur Anzahl der vom Verstoß betroffenen Arbeitnehmer.
Mögliche Zahlung von Gehaltsdifferenzen an den Arbeitnehmer, wenn die bereits gezahlten Beträge unter den gesetzlichen Mindestbeträgen liegen. Es ist zu berücksichtigen, dass eine mangelnde Anmeldung die Konditionen einer Vollzeitbeschäftigung mit den entsprechenden Sozialbeiträgen und dem Bruttolohn gemäß der durch den geltenden Tarifvertrag festgelegten Einstufung bedeutet.
Bezüglich des Arbeitnehmers: dieser bekäme den Status eines Festangestellten mit der Betriebszugehörigkeit ab dem Datum des Beginns des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien mit der Möglichkeit, die Gehaltsdifferenzen zu verlangen, die sich in Anwendung des entsprechenden Tarifvertrags hätten ergeben können.
Die Sanktionen können in einem Mindest-, Mittel- und Höchstrahmen verhängt werden und richten sich nach verschiedenen Kriterien wie: Fahrlässigkeit und Vorsatz des Zuwiderhandelnden, Betrug oder Duldung, Nichteinhaltung früherer Voranzeigen und Auflagen der Aufsichtsbehörde, Umsatz des Unternehmens, Anzahl der betroffenen Arbeitnehmer oder Begünstigten, verursachter Schaden, Höhe des hinterzogenen Betrags und wiederholte Nichteinhaltung.
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