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"Die Rettungsinsel": Manager Magazin spricht mit Willi Plattes

Bessere Stimmung, bessere Schulen, bessere Community – immer mehr Unternehmer, Manager und neuerdings auch Gründer zieht es nach Mallorca.

18. Juli 2024

Jürgen Klopp (57) kommt auch vorbei. Im hellbraunen Wollanzug, Sonnenbrille ins Shirt gesteckt, bahnt er sich seinen Weg durch die versammelte deutsche Wirtschafts- und Politprominenz auf der Terrasse des „Castillo Son Vida“. Das Fünf-Sterne-Hotel liegt in den Bergen oberhalb von Palma mit weitem Blick auf die Stadt und das Meer. Klopp stellt sich zu Oliver Bierhoff (56), Ex-DFB Sportdirektor und seit neuestem Finanzinvestor (Finvia). „Wie geht’s denn so?“ Macht Selfies mit jedem, der will, wie Otto CEO Alexander Birken (59), setzt sich dann gemütlich an den Rand und raucht. Immer wieder kommt jemand mit einem Vorschlag zu ihm, welches Projekt man mal zusammen machen könnte. Einen Klopp kann man ja für alles brauchen.

Es ist sein erster Auftritt nach dem Ausstieg als Trainer des FC Liverpool, ein paar Tage zu vor erst ist er nach Mallorca gezogen. An diesem Donnerstagabend Ende Mai lernt er seine neue Nachbarschaft schon mal kennen: Viele der Anwesenden hier beim Auftakt der Konferenz„NEU DENKEN“ haben auf der Insel ein Haus.

Zwei Tage lang werden rund 250 Wirtschaftslenkerinnen und -lenker diskutieren, was sie in Deutschland täglich umtreibt: Benko-Pleite und Baukrise, Wagenknecht-Partei und Waffenpläne für die Ukraine, deutsche Autoindustrie und China. Ein elitäres Treffen (ein Ticket kostet 2650 Euro), quer durch alle Branchen. Von Kühne-Statthalter Karl Gernandt (63) und SAP-Frau Deepa Gautam-Nigge (51) über Baumagnaten wie Jan-Hendrik Goldbeck (47) und Kurt Zech (67) bis zur Tech- (Philipp Justus, 54; Google), Krypto- (Eric Demuth, 37; Bitpanda), Quanten- (Markus Pflitsch, 52; Terra Quantum) und KI-Elite (Feiyu Xu, 55; neue Airbus Aufsichtsrätin). Dazwischen Ex-Sachverständigenratschef Lars Feld (57), ein paar Elder States(wo)men – die ehemalige BushBeraterin Pippa Malmgren (62), ExInnenminister Thomas de Maizière (70) – und einige bunte Vögel wie Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (52). Dass Sabine Christiansen (66), Talkshowkönigin der guten alten Nullerjahre, die Veranstaltung moderiert, gibt dem Ganzen den heimeligen Wohlfühlfaktor.

Es geht munter zu, fast schon familiär, man ist weit weg vom festgefahrenen Berlin. In den Pausen und abends an der Bar macht man seinem Frust Luft. Es wird über Ampelchaos und wuchernde Regulierung gewettert, „nichts geht mehr“, ärgert sich ein Unternehmer. Und immer wieder hört man Gründerinnen und Gründer über die Vorteile von Mallorca als Start up Standort reden. Neue Töne auf der Insel.

Mallorca wird mehr und mehr zum Treffpunkt einer von Schlecht-Wetter- und Schlechte-Laune-Deutschland genervten Wirtschaftselite. Die Anpacker suchen keinen Rückzugsort, sondern einen Platz, um sich und ihr Business noch mal neu zu erfinden. Das nötige Geld dazu bringen sie alle mit.

Eine Zeit lang galt die Insel als angestaubt, zu viel alte Deutschland AG. Die jungen Reichen zog es nach Ibiza, die Digitalos nach Lissabon.

Jetzt sind sie alle da: die Fintech, Gaming- und KI-Gründer, die unlängst Exits im dreistelligen Millionenbereich hingelegt haben, ebenso wie Neumilliardär Alex Birkenstock (55). Banker, Anwälte, Private-Equity-Investorinnen und -Investoren, dazu „Erben ohne Ende, Mitte 30, Hunderte Millionen auf dem Konto“, wie Makler Marcel Remus (37) sagt, dessen Geschäft mit den vielen Zuzüglern groß geworden ist.

Die Managementelite von Rheinmetall bis Deutsche Telekom ist da wie auch die großen Familienclans. Zuletzt hat sich Wolfgang Porsche (81) mit seiner neuen Freundin eine neue Bleibe gekauft. Wenn man wissen will, wer auf der Insel alles ein Haus hat, bekommt man die achselzuckende Antwort: „Wer nicht?“ Gut 150.000 Deutsche besitzen dort inzwischen eine Immobilie, geschätzt 60.000 haben ihren dauerhaften Wohnsitz auf Mallorca. Die Insel boomt, auch für neue Lebens- und Geschäftsmodelle. [...]

„Wer es sich leisten kann, verlässt Deutschland und kommt hierher“ beobachtet Willi Plattes, der wie kaum ein anderer Mallorca als Alternative zum Wohnort D propagiert. Plattes hat eine der größten Steuerberatungskanzleien der Insel; für 23 Milliardäre und 2800 andere Reiche, wie er sagt, regelt er die Angelegenheiten. So gut wie jeder, den man spricht, hatte schon mit Plattes zu tun. Vor sieben Jahren hat er die Konferenz NEU DENKEN ins Leben gerufen, eigentlich nur als Austausch- und Informationsforum für seine Kunden. Jetzt hat er den Ehrgeiz, Mallorca zum „kleinen Davos“ zu machen.

Plattes, Schustersohn aus Köln, hat einen Instinkt für Inseln: Sein Geld hat der Selfmademan nach der Wende auf Rügen gemacht. Auf Mallorca wollte er sich 1999 eigentlich zur Ruhe setzen, aber ihm war schnell langweilig und erlegte wieder los. Unaufhörlich schiebt er die Insel auf die Agenda der deutschen Wirtschaft. Auf dem Mittelstandstag im März in Berlin etwa trommelte er bei der versammelten Unternehmerschaft für das Modell, nach Mallorca zu ziehen und die Firmenholding nach Dubai zu verlegen, weg von der deutschen Wirtschafts- und Steuerpolitik. Seit einem Jahr ist Plattes Vertreter des Mittelstandsverbands (BVMW) auf Mallorca; der Posten wurde neu geschaffen. [...]

Den Artikel verfasste Sonja Banze, Redakteurin des Manager Magazin.

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