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Geht es der spanischen Vermögensteuer an den Kragen?

Nachdem Andalusien ankündigte, die Steuer 2023 abzuschaffen, wollen mehrere Regionen diesen Schritt ebenfalls gehen.

26. September 2022

Aufgrund zahlreicher Anfragen unserer Mandanten nehmen wir zur aktuellen Situation Stellung. Nach elf Jahren Status Quo hat die Entwicklung hinsichtlich der spanischen Vermögensteuer in nur wenigen Tagen dramatisch an Fahrt aufgenommen. Im Folgenden eine Beschreibung der bisherigen Ereignisse mit einer anschließenden Analyse, wobei wir uns um eine ideologiefreie Betrachtung bemühen.

Nachdem die konservative Regionalregierung Andalusiens am 20. September beschlossen hat, per 2023 mit einer 100-prozentigen Gutschrift die Vermögensteuer faktisch abzuschaffen, wie dies die Region Madrid schon 2011 getan hatte, kam eine Lawine ins Rollen. Einerseits sehen sich nun die konservativ regierten „Comunidades Autónomas“ unter Druck gesetzt, nachzuziehen. Andererseits will die linke Regierungskoalition u.a. mit der Idee einer temporären „Superreichen-Steuer“ dagegenhalten. Das Projekt einer gesamtspanischen fiskalischen Harmonisierung ist hingegen einem Wettbewerb zwischen den Regionen gewichen. Der andalusische Regierungschef hat nicht zufällig die Unternehmer Kataloniens offen aufgefordert, in seinen Landesteil umzusiedeln: Die Hälfte der gesamtspanischen Einnahmen aus der Vermögensteuer werden in Katalonien erzielt.

Kurze Zeit später hat auch Murcia in Aussicht gestellt, die Vermögensteuer abzuschaffen, und Galizien hat am 23. September eine 50-prozentige Gutschrift angekündigt. Insgesamt werden sechs von 19 Regionen und Städten von der konservativen Partido Popular (PP) regiert (Vermögensteuer Steuertabellen – Staatliche und regionale Steuersätze). In vier ist per heutigem Stand die Vermögensteuer entweder bereits gekillt oder auf der Abschussliste. Einziger Ausreißer ist La Rioja, wo eine Linksregierung bereits 2020 eine 75-prozentige Gutschrift einführte. Auf den Balearen hat die PP als Oppositionspartei die Abschaffung der Vermögensteuer versprochen, sollte sie im Mai 2023 die Regionalwahlen gewinnen.

Zentralregierung plant, "Superreichensteuer" einzuführen

Die linke Zentralregierung bereitet unterdessen eine Gegenoffensive vor. Unmittelbar nach dem Beschluss der Andalusier brachte sie die Idee einer „temporären Steuer für große Vermögen“ in Umlauf. Offensichtlich sollen damit Gutschriften in Regionen ausgehebelt werden. Damit das funktioniert, muss die „Superreichensteuer“ der regionalen Kompetenz entzogen sein und unabhängig neben der bestehenden Vermögensteuer existieren. Die Steuerlast soll in der „normalen“ Vermögensteuer anrechenbar sein.

Ebenfalls wurde mitgeteilt, dass nur ein Prozent der Bevölkerung betroffen sein werde. Das würde bedeuten, dass die neue Steuer sehr ähnlich wie die aktuelle Vermögensteuer aussehen könnte. Um dem reichsten Prozent der Bevölkerung anzugehören, reicht in Spanien ein Vermögen von 1,1 Millionen Euro. Damit wäre die „Superreichensteuer“ nicht weit vom Freibetrag der aktuellen Vermögensteuer entfernt (bis zu 1 Million Euro). Weitere Details sind bis dato nicht bekannt.

Unsere Einschätzung: Das Thema Steuersenkung wird zu einem zentralen Wahlkampfthema der 2023 anstehenden Parlamentswahlen sowie der Regionalwahlen in insgesamt 14 der 19 autonomen Regionen bzw. Städte. Um nicht dem Vorwurf ausgesetzt zu sein, die Steuern nur für Wohlhabende zu senken, wird die PP gezwungen sein und kündigte dies bereits an, die Steuern auch für den Rest der Bevölkerung abzusenken, insbesondere die Einkommensteuer im unteren Teil der Tabelle (Einkommensteuer Steuertabellen). Trotzdem sollen aufgrund eines erhofften Wirtschaftsschubs die Steuereinnahmen insgesamt ansteigen. Der Gedanke erinnert an die Reagonomics der 1980er Jahre.

Wir meinen, dass die PP mit einer kurzfristigen Steuersenkungsoffensive auf staatlicher Ebene und in vielen Regionen die Regierung zurückerobern kann. Auf den Balearen ist ein Wechsel sehr wahrscheinlich, da in dieser politisch sehr ausbalancierten Region noch nie eine linke oder rechte Partei bzw. Koalition mehr als zwei Legislaturperioden an der Macht geblieben ist. Allerdings könnte die Situation des öffentlichen Haushalts auch die PP mittelfristig dazu zwingen, die Steuern wieder anzuheben, was ja auch die Folge der Reagonomics war. Dass die zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich abgeschaffte Vermögensteuer im Gruselkabinett des fiskalpolitischen Museums „vergessen“ wird, ist eine fundierte Hoffnung, jedoch keine Gewissheit.

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