Neue Hürden für Expats und vermögende Auswanderer durch die deutsche Wegzugsbesteuerung
08. Mai 2025
Der Anwendungsbereich der deutschen Wegzugsbesteuerung ist erheblich ausgeweitet worden und betrifft seit diesem Jahr nun erstmals auch Investmentfonds. So unterliegen jetzt Anteile an Investmentfonds im Privatvermögen der Wegzugsteuer, wenn sie einen Wert von mindestens 500.000 Euro erreichen oder der Anleger mehr als ein Prozent des Fondsvermögens hält.
Des Weiteren gibt es nun keine Bagatellgrenze bei Spezialfonds mehr - es fällt stets die Wegzugsteuer an. Darüber hinaus wurde die Zielgruppe insofern erweitert, dass die Regelung nun nicht nur Unternehmensbeteiligte betrifft, sondern auch viele private ETF-Investoren und Anleger mit vermögensverwaltenden Strukturen.
Die sogenannte Wegzugsteuer ist im Außensteuergesetz geregelt (§ 6 AStG) und greift, wenn natürliche Personen mit wesentlichen Beteiligungen oder bestimmten Vermögensarten ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt aus Deutschland ins Ausland verlegen. Dabei unterstellt der Gesetzgeber eine fiktive Veräußerung: Es wird so getan, als ob der Steuerpflichtige seine Kapitalanteile am Tag des Wegzugs verkauft hätte – auch wenn kein Verkauf tatsächlich stattgefunden hat. Die daraus resultierenden Wertsteigerungen werden sofort mit 25 Prozent Abgeltungsteuer zuzüglich Solidaritätszuschlag und gegebenenfalls Kirchensteuer belegt.
Mit den neuesten Änderungen soll laut Begründung des Gesetzgebers eine „Besteuerungslücke“ geschlossen werden. In der Vergangenheit wurden etwa Start-up-Beteiligungen gezielt in Fonds eingebracht, um die Wegzugsbesteuerung zu umgehen. Doch der neue Anwendungsbereich geht weit darüber hinaus – und trifft zunehmend auch international mobile Privatinvestoren.
Wen betrifft die Regelung konkret?
Die Wegzugsteuer gilt für alle Personen, die in den vergangenen zwölf Jahren mindestens sieben Jahre in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig waren. Auch zeitweise in Deutschland lebende Ausländer – etwa im Rahmen von Geschäftsführertätigkeiten oder Entsendungen – können betroffen sein, wenn sie Deutschland wieder verlassen.
Die Steuerlast entsteht sofort beim Wegzug – auch wenn keine tatsächliche Liquidität fließt. Die Steuer muss also aus anderen Mitteln aufgebracht werden. In der Praxis bedeutet das: Wer beispielsweise Anteile im Wert von einer Million Euro mit einem Gewinn von 800.000 Euro ins Ausland „mitnimmt“, muss rund 200.000 Euro Wegzugsteuer zahlen – obwohl kein Verkaufserlös zur Verfügung steht.
Stundung und Rückkehrregel: nur mit Einschränkungen
Ein Stundungsanspruch besteht nur noch eingeschränkt. Zwar kann die Steuerzahlung auf bis zu sieben Jahre verteilt werden, aber nur gegen Sicherheitsleistungen – und selbst das nicht mehr automatisch bei Wegzügen innerhalb der EU.
Der Bundesfinanzhof hat 2023 entschieden, dass diese Praxis für EU-Wegzüge gegen europäische Grundfreiheiten verstoßen könnte (Az. I R 35/20). Dennoch wird aktuell an der gesetzlich geforderten Sofortbesteuerung auch innerhalb Europas festgehalten. Im Einzelfall lässt sich allerdings über eine zinslose Stundung ohne Sicherheitsleistung verhandeln – eine Option, die gerade für Expats mit Rückkehrabsicht entscheidend sein kann.
Wie lässt sich die Wegzugsteuer vermeiden oder gestalten?
Betriebsvermögen nutzen: Bei Unternehmensanteilen kann unter Umständen eine Übertragung in das Betriebsvermögen einer originär gewerblich tätigen Personengesellschaft das deutsche Besteuerungsrecht sichern. Bei Fondsanteilen ist dieses Modell jedoch unpraktikabel.
Testamentsgestaltung: Auch Erbschaften und Schenkungen an im Ausland lebende Nachkommen lösen Wegzugsbesteuerung aus. Eine mögliche Gestaltung: Die Einsetzung eines in Deutschland lebenden Erben und ein aufschiebend bedingtes Vermächtnis für die Nachkommen im Ausland – mit Auszahlung bei deren Rückkehr.
Fazit: Der Wegzug muss heute detailliert geplant werden
Die 2025 wirksam gewordenen Änderungen der Wegzugsteuer markieren einen Paradigmenwechsel im internationalen Steuerrecht. Wer mit einem nennenswerten Kapital- oder Fondsvermögen im Ausland leben oder Vermögen grenzüberschreitend weitergeben will, sollte rechtzeitig strukturelle, rechtliche und steuerliche Maßnahmen treffen. Dabei ist eine individuelle steuerliche Gestaltungsberatung unerlässlich – insbesondere für Familienunternehmer, Expats und vermögende Privatinvestoren.
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