Einladung zum Probesterben: "Nachfolge ist ein Prozess, keine Hau-Ruck-Aktion"
24. März 2025
Wenn es am 2. Mai bei dem Event “Einladung zum Probesterben” um elementare Dinge der Nachfolgeplanung geht, werden führende Experten ihrer Disziplin über die aktuellen Entwicklungen rund um Mobilität, Erbschaft- und Schenkungsteuer sowie die Wegzugsbesteuerung sprechen - umfassend, multidisziplinär und ohne Tabus.
Einer dieser Experten ist Dr. Ulrich Möhrle. Der Rechtsanwalt, Steuerberater, Diplom-Kaufmann und Fachanwalt für Steuerrecht ist Partner der Kanzlei Möhrle Happ Luther in Hamburg, seine Schwerpunkte sind die Vermögens- und Nachfolgeplanung sowie die vollumfängliche Beratung von Private Clients. Hier zählt er zu den am häufigsten empfohlenen Beratern in Deutschland.
Welche Fallstricke in der Praxis zu meistern sind, wie etwa mit Schenkungen zu Lebzeiten umzugehen ist und was er sich von der neuen Bundesregierung erwartet, beantwortet Dr. Ulrich Möhrle vorab im Interview – und gibt damit einen Vorgeschmack auf detaillierte Ausführungen und spannende Debatten am 2. Mai im Club der Mallorca Zeitung/Diario de Mallorca.
Das Nachrichtenmagazin “Der Spiegel“ hat gerade das Thema Nachlass zum Titelthema gemacht und schreibt von einem „Erbfluch“ – auch mit Verweis auf prominente Fälle, in denen die Erbfolge alles andere als reibungslos klappt. Sind diese Fälle repräsentativ hinsichtlich der auftretenden Probleme?
Das sind aus meiner Sicht durchaus repräsentative, wie auch öffentlichkeitswirksame Fälle. Es ist tägliche Praxis, dass es im Zusammenhang mit Erben und Schenken Diskussionen in den Familien gibt. Ich schätze schon, dass 60 Prozent der Nachfolgen, die wir betreuen, streitig sind.
Sind die Zerwürfnisse im Paragrafendschungel begründet oder doch meist emotionaler Art?
In der Praxis sind es klassische emotionale Faktoren, die mit Wertschätzung zu tun haben. Das System Familie spielt gerade bei der Nachfolge in Familienunternehmen eine gigantische Rolle. Da geht es meistens nicht um die Einschätzung fachlicher Sachverhalte, sondern um Fragen wie: Werde ich als Person gesehen? Fühle ich mich gerecht behandelt gegenüber einem Geschwisterteil, der Stiefmutter, dem Stiefvater oder anderen Personen, die im Rahmen der Nachfolge berücksichtigt werden? Bei solchen emotionalen Fragen ist meine Tätigkeit häufig auch psychologischer Natur. Man versucht zu verstehen, warum Menschen mit bestimmten Erbfolgen nicht zufrieden sind und wie man gemeinsam Lösungen finden kann – unter Berücksichtigung der Interessen des Unternehmens, des Erblassers und auch weiteren betroffenen Personen.
Wäre hier nicht das Konzept des Probesterbens die ideale Lösung? Das heißt, den Erbfall durchzuspielen, um die rechtlichen und steuerlichen Konsequenzen zu simulieren?
Das kann eine ideale Ergänzung sein, löst Probleme aber nicht automatisch. Ich hatte einen prominenten Fall in Hamburg. Da hat der Vater gesagt: Ein Kind bezieht nur den Pflichtteil – aus Gründen, die aus seiner Sicht nachvollziehbar waren. Das Kind konnte die Argumente des Vaters aber nicht verstehen und fühlte sich zurückgesetzt. In Gesprächen und langen finanziellen Verhandlungen ist es uns gelungen, dass der Pflichtteil zu Lebzeiten gezahlt wurde, um damit Streit im Erbfall zu vermeiden. Meistens ist es aber so, dass Senioren Angst davor haben, ihre Entscheidung mit den Kindern oder Erbberechtigten zu diskutieren und ihnen die Gründe dafür darzulegen. Die Konflikte kommen dann später hoch, wenn die Erblasser nichts mehr damit zu tun haben. Ich rate: Sprechen Sie vorher mit allen Beteiligten und erläutern Sie Ihre Argumente, damit alle wissen, worauf sie sich einstellen können. Ob sie es dann akzeptieren, ist ein anderes Thema.
Der Titel unseres Events – Einladung zum Probesterben - soll bewusst das Thema enttabuisieren. Wie “normal” ist der Umgang mit dem Thema Nachfolge in Ihrer Praxis?
Bei Vorträgen konfrontiere ich die Zuhörer gerne mit drei Fragen. Erstens: Wer von Ihnen hat ein Testament oder eine Nachfolgeregelung? Dann meldet sich höchstens die Hälfte der Zuhörer. Zweite Frage: Wissen Sie, was da aktuell drinsteht? Nun melden sich vielleicht noch 40 Prozent der ersten Hälfte. Dritte Frage: Wissen Sie konkret, was passiert, wenn Ihnen auf dem Nachhauseweg etwas passiert? Dann melden sich vielleicht noch fünf Prozent. Das Bewusstsein für dieses Thema fehlt nach wie vor. Dabei betrifft es jeden in jeder Lebensphase, auch eine 25-jährige Person, die ein Unternehmen aufgebaut oder gerade eine Erbschaft oder eine große Schenkung bekommen hat. Eine Rolle bei der Unternehmensnachfolge spielt auch das Prinz-Charles-Syndrom – man traut es den Jüngeren nicht zu. In solchen Fällen ist eine Notfallregelung, die relativ schlank zu machen ist und die man in den Tresor legt, immer noch besser als gar keine Regelung. Aufklärung tut Not. Das Thema wird zwar, wie jetzt auch im “Spiegel” und in der “WirtschaftsWoche”, einmal jährlich durch die Medien getragen, aber das Verständnis in der Bevölkerung ist immer noch sehr gering, leider auch im Unternehmertum.
Stichwort Unternehmen: Der „Spiegel“ hebt gerade auch auf die weitgehende Steuerbefreiung bei der Vererbung von Unternehmen ab. Wie reibungslos klappt es denn in der Praxis mit der Verschonungsbedarfsprüfung?
Da gibt es sehr viele Fallstricke, weil wir in der Unternehmensnachfolge einen lebenden Organismus übertragen. Das ist ja kein Bankkonto oder eine Immobilie. Ein Unternehmen ist auch deswegen privilegiert, weil es Arbeitsplätze schafft, weil viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer betroffen sind. Und diese Arbeitsplätze sollen und müssen gesichert werden. In der Praxis ist es unglaublich schwierig, die Verschonungsbedarfsprüfung auf den Stichtag der Schenkung zu gestalten. Das ist gravierend, weil es sich ähnlich wie im Fall von Immobilien um Vermögensgegenstände handelt, die nicht mal eben dividierbar sind. Ganz häufig ist die Liquidität für eine fällige Steuer nicht vorhanden, und das führt dazu, dass Unternehmen verkauft werden müssen und nicht mehr über diesen sozialen Aspekt zur Verfügung gestellt werden können. Insofern müssen wir sorgfältig strukturieren, um Unternehmen und Familienvermögen zu schützen.
Deutschland wartet auf eine neue Bundesregierung. Rechnen Sie bei dem Thema Nachfolge mit wesentlichen Änderungen in den kommenden vier Jahren?
Ich würde mir sehr eine Erbschaftsteuerreform wünschen. Ich befürchte aber, dass eine solche nicht auf der Agenda steht. Die Parteiprogramme sind auch höchst unterschiedlich. Ich denke nicht, dass sich eine große Koalition auf eine Reform verständigen wird, darauf, die Regelungen insbesondere einfacher zu machen. Das Thema Erbschaftsteuer - und das zeigt auch der „Spiegel“-Artikel -, ist häufig auch mit Neid verbunden, wir sind sofort beim Thema soziale Ungleichheit und soziale Gerechtigkeit. Deswegen befürchte ich, dass in diesen Zeiten keine Vereinfachung und Verbesserung gelingen kann. Zudem lässt auch die Milliarden-Schuldenaufnahme wenig Spielraum.
Der Wunsch nach einer Vereinfachung der Gesetze kommt noch vor dem Wunsch nach einer Anhebung der Freibeträge?
Definitiv. Aber man muss natürlich auch sehen, dass Deutschland im Durchschnitt ein Hochsteuerland ist und die Gefahr besteht, dass Unternehmerinnen und Unternehmer dem Land den Rücken zuwenden. Dass gerade auch Familienunternehmen - und damit der Mittelstand, das Rückgrat unserer deutschen Wirtschaft - verkauft werden an größere Konzerne oder ausländische Unternehmen. In dieser globalisierten Welt ist es unglaublich wichtig, dass Deutschland als Investitionsstandort attraktiv bleibt. Und das hat auch mit der Besteuerung von Erbschaften zu tun.
Was sind die häufigsten Fehler bei Schenkungen zu Lebzeiten, die Sie beobachten?
Bei diesem Thema ist es fundamental, einen Plan zu entwickeln, um Fehler zu vermeiden. Ist die beschenkte Person auf eine Schenkung vorbereitet? Wie geht sie damit um? Kann ich als Schenker auf das Vermögen verzichten? Ich empfehle Mandanten, nur dann Schenkungen zu Lebzeiten zu machen, wenn sie auf dieses verschenkte Vermögen grundsätzlich nicht mehr für den Lebensabend angewiesen sein werden. Ich habe häufig beobachtet, dass aus steuerlichen Gründen und zur Ausnutzung von Freibeträgen zu Lebzeiten Vermögen verschenkt wurde, und später wollte es dann der Schenker zurück haben. Eine Schenkung hat für mich immer zwei Seiten. Es geht nicht nur um die Steuern, sondern auch darum, die potenziellen Erben schon früher in das Unternehmen einzubinden. Insofern bin ich im Grundsatz schon ein Freund von Schenkungen zu Lebzeiten - von verantwortungsvollen Schenkungen, bei denen das Kind nicht alleine gelassen wird, sondern über Gespräche an Vermögen und Unternehmertum herangeführt wird.
Wie attraktiv erweisen sich Nießbrauchsregelungen in der Praxis?
Das Nießbrauchsrecht ist häufig ein attraktives Instrument, steuerlich, aber auch hinsichtlich des Versorgungscharakters. Es sieht vor, dass die Substanz des Vermögensgegenstands auf die nachfolgende Generation übertragen wird - eine Immobilie, eine Unternehmensbeteiligung, ein Wertpapierdepot, also ein Vermögensgegenstand, der auch eine gewisse Rendite erwirtschaftet. Diese Erträge behält sich der Schenker vor. Das ist auch steuerlich attraktiv, weil Freibeträge nur in geringerem Umfang ausgenutzt werden. Im Detail kann das durchaus komplex werden und man muss Detailfragen klären - wer muss etwa dafür aufkommen, wenn das Dach einer Immobilie neu gedeckt werden muss? Aber die einfache Nießbrauchsgestaltung ist etwas, womit wir in der Praxis häufig sinnvoll arbeiten.
Gibt es eine Formel oder einen gemeinsamen Nenner, warum bei manchen Unternehmen die Nachfolge reibungslos klappt und bei anderen total schief geht?
Für mich hat das sehr viel zu tun mit Kommunikation und Transparenz. Es geht um ein gemeinsames Verständnis, um eine gemeinsame Aufgabe und gemeinsame Werte, die man vorab sauber klären sollte. Das kann auch in einer Familienverfassung geschehen. Ich denke da auch an meine eigene Vita. Ich bin in das Unternehmen, in dem ich heute tätig sein darf, eingetreten, als mein Vater 66 Jahre alt war. Nach meinen verschiedenen Ausbildungen und Tätigkeiten in Rotterdam, Brüssel oder München meinte er: Wenn wir zusammenarbeiten wollen, sollten wir jetzt beginnen, denn Nachfolge ist ein Prozess, und keine Hau-Ruck-Aktion. Ich habe dann 14 Jahre mit meinem Vater sehr intensiv zusammengearbeitet. Er hat mir Hinweise und Empfehlungen gegeben, die ich teilweise befolgt habe - und teilweise nicht. Ich hatte Freiraum, ich durfte Fehler machen und mich entwickeln. Ein solcher Umgang miteinander ist für mich ein Erfolgsversprechen.
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