Unternehmensnachfolge: Wie die heikle Stabübergabe gelingen kann
23. Oktober 2024Familienunternehmer sind so etwas wie Staffelläufer: Auch wenn sie Spitzenleistung abliefern und die Konkurrenz abhängen, kommt es doch vor allem auf den Moment an, wenn sie den Stab an den nächsten Läufer abgeben. Läuft die Übergabe nicht rund oder fällt der Staffelstab gar zu Boden, ist das Rennen gelaufen. Ähnlich tragisch ist eine missglückte Unternehmensnachfolge – ein strategischer Prozess, der darüber entscheidet, ob ein Unter-nehmen weiterhin Erfolg hat oder das Lebenswerk womöglich zerschlagen wird.
Unterschätzte Risiken
„Das Thema liegt uns besonders am Herzen“, sagt Willi Plattes, CEO der Wirtschafts-, Steuer- und Rechtskanzlei PlattesGroup, die Unternehmerfamilien auf dem Weg der Nachfolgeregelung begleitet – von der strategischen Vorbereitung bis zur praktischen Umsetzung. „Aus der engen Zusammenarbeit mit Familienunternehmern wissen wir, dass dieses Thema eines der wichtigsten Projekte in ihrer gesamten Laufbahn ist.“
Und es gibt beständig Beispiele, wie die Übergabe des Staffelstabs schief geht. Es werde unterschätzt, dass der Übergang von einer Generation zur nächsten eben nicht nur ein formaler Prozess auf dem Papier ist, sondern gleichermaßen rationale wie empathische Fähigkeiten gefragt seien, wenn es um viel Geld, aber auch um das Familienglück gehe. „Man bewegt sich da in stürmischen Gewässern, in einer Art Bermudadreieck aus Geld, Macht und Liebe“, so Plattes.
Die neue Vielfalt in der Unternehmensspitze
Dabei sei durchaus ein Umdenken zu beobachten: Der Unternehmensgründer, der klammert und nicht loslassen will, ist immer seltener anzufinden. In den Unternehmensspitzen ist eine neue Diversität auszumachen. War früher die Unternehmensführung stark an den Eigentümer gebunden, sind heute diese beiden Funktionen immer häufiger unabhängig voneinander. Anders gesagt: Wer das Unternehmen morgen leitet, ist nicht mehr zwingend derjenige, der die Eigentumsanteile hält. Gleichzeitig muss diese neue Diversität – auch infolge der Zunahme der Zahl der Gesellschafter und deren globaler Mobilität – gemanagt werden. Denn je vielfältiger die Struktur, desto größer die Herausforderung, alle Interessen unter einen Hut zu bringen und gleichzeitig das Unternehmen erfolgreich zu führen.
Eine weitere Herausforderung ist die Frage der Eignung der Nachfolger oder Nachfolgerinnen. „In Deutschland benötigen wir eine Lizenz zum Fischen oder Jagen – aber Gesellschafter wird man einfach durch eine Unterschrift“, gibt Plattes zu bedenken. Zumal manch Unternehmensanteil aus rein steuerlichen Gründen übertragen wird. Um im Bild des Staffelläufers zu bleiben: Wer den Stab übernimmt, muss durch ein Trainingsprogramm ausreichend fit für die neue Aufgabe sein. Dieses Programm besteht etwa aus Schulung, Mentoring sowie auch einer bewussten Auseinandersetzung mit den Herausforderungen, die auf künftige Gesellschafter zukommen.
Die Familienverfassung als langfristige Lösung
Den Rahmen für eine gelungene Unternehmensnachfolge bildet oftmals eine Familienverfassung. Sie verschriftlicht einerseits die gemeinsamen Haltungen, Erwartungen und Werte einer Gesellschafterfamilie, hilft andererseits aber auch dabei, klare Strukturen und Befugnisse festzulegen – und dies im optimalen Fall rechtlich bindend. Um überhaupt ein gemeinsames Verständnis zu entwickeln und Missverständnisse zu vermeiden, empfiehlt Plattes ein bewusstes Erwartungsmanagement, das die Realität der heutigen Gesellschaft widerspiegelt. Die Familienmitglieder müssen sich offen einer Reihe von Fragen stellen: Was erwarten wir vom Unternehmen? Was darf das Unternehmen von uns erwarten? Was sind wir bereit zuzusagen? Wer gehört überhaupt zur Familie und darf Gesellschafter werden? Es sind Fragen, die innerhalb der Familie geklärt werden müssen, bei denen ein externer, fachkundiger Rat aber wichtige Orientierung gibt und Rechtssicherheit garantiert.
Ist der Rahmen einmal erfolgreich abgesteckt, kann sich das Potenzial frei entfalten. Denn mit der nächsten Generation kommen nicht nur neue Herausforderungen und Risiken, sondern auch neue Denkweisen und zeitgemäße Lösungsansätze fernab klassischer Hierarchien und Denkmuster der Elterngeneration. Anders ausgedrückt: Der Staffelstab geht im besten Fall über an junge Talente, die mit ausgeprägtem Teamgeist, neuen Strategien und frischen Kräften durchstarten.
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