Der Mittelstand: Die Lebensader des deutschen Wohlstandsmodells
Es zeigt sich zunehmend: Unsere gesellschaftliche Fähigkeit, Krisen zu bewältigen, ist selbst in der Krise. Die politischen und gesellschaftlichen Defizite verstärken sich gegenseitig: Von der Überbürokratisierung und den Defiziten in der demokratischen Repräsentation bis hin zu einer verbreiteten Unfähigkeit zur Selbstkritik, Egozentrik, Misstrauen und dem Verlust der Urteilsfähigkeit – all diese Faktoren schwächen den Mittelstand und damit die Grundlage unseres Wohlstands.
Im aktuellsten Youtube-Video von Willipedia diskutieren Christoph Ahlhaus, ehemaliger Erster Bürgermeister von Hamburg, Vorsitzender des BVMW und Präsident des europäischen Mittelstandsverbandes, Jens Binding, Rechtsanwalt, Steuerberater und Partner bei Grant Thornton, sowie Willi Plattes, CEO der PlattesGroup, über die aktuellen Herausforderungen und Lösungsansätze für den deutschen Mittelstand.
Willi Plattes:
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich begrüße Sie aus unserem Studio auf der schönsten Insel der Welt. Und heute habe ich ganz besondere Gäste da. Zuerst darf ich begrüßen Christoph Ahlhaus, Vorsitzender des Bundesverband mittelständischer Wirtschaft, Vorsitzender des Bundes-Wirtschaftssenats und Präsident des Europäischen Mittelstandsverbandes mit über 2, 4 Millionen Mitglieder. Christoph, vielen Dank, dass du hier bist.
Christoph Ahlhaus:
Vielen Dank euch! Der Platz ist gut, dass ihr wieder tolle Gespräche organisiert mit viel Mehrwert für mittelständische Unternehmen.
Willi Plattes:
Ja, das schauen wir mal, ob wir heute gute Gespräche haben und viel mehr Wert. Ich bin aber sehr positiv gestimmt, dass uns das gelingt. Zu meiner Rechten ist Jens Binding Partner, Rechtsanwalt, Steuerberater bei Grant Thornton aus Deutschland, eine Unternehmensberatung, eine Mittelstandsberatungsgesellschaft mit über 2000 Mitarbeitern. Vielen Dank Jens, dass du hier zu Gast bist in unserem Studio
Jens Binding:
Vielen Dank für die Einladung.
Willi Plattes:
Gerne. Warum stehen wir hier und wollen diskutieren? Wir beide als Rechtsanwälte und Steuerberater. Wir beraten Sie, unsere Mandanten. Und bei dieser Beratung kommt es ja nicht nur darauf an, dass wir wissen, wie Steuergesetze und Zivilrecht funktioniert, sondern wir müssen auch wissen, wie Politik denkt. Wir müssen wissen, wie Verbände denken, denn das müssen wir wissen, damit wir Steuern und Zivilrecht ihnen so präsentieren können, dass wir alle Bereiche, die notwendig sind, um zukunftsgerichtete Entscheidungen im Unternehmen zu treffen, dass wir die mit berücksichtigen. Und das ist der Grund, warum wir hier sitzen. Ich denke, dieser Mehrwert, den wir als Kanzlei für oder als Kanzleien für unsere Mandanten kriegen. Ich glaube aber auch, dass es für dich, Christoph, in deiner Position wichtig ist, wie dann Steuerfritzen und Rechtsanwälte denken, damit ihr auch wisst, was auf der Seite los ist. Und deswegen haben wir uns entschieden unter diesem Dach, was ich gerade geschildert habe, dass wir einfach mal anfangen zu diskutieren.
Christoph Ahlhaus:
Sehr gerne und damit auch die Verbandsfuzzis was lernen. Sehr schön.
Willi Plattes:
Aber Christoph, das ist ja eine eine Wucht, eine unheimliche Anzahl von Mittelständlern, die du vertrittst. Kannst du dazu etwas sagen?
Christoph Ahlhaus:
Gerne. Ja, also unser Verband, der Bundesverband Mittelständische Wirtschaft in Deutschland, hat 28. 000 Unternehmerinnen und Unternehmer und also Unternehmen als Mitglieder. Das ist die geballte Kraft des deutschen Mittelstands. Der deutsche Mittelstand, das weiß man, ist das Rückgrat des Wohlstands, des Aufschwungs, aber auch im Gegensatz zu den Großkonzernen, der Sicherheit und der Stabilität unserer Wirtschaft. Und ich sage immer, wir haben und deswegen ist es so wichtig, da geht es nicht darum, nur über die, sage ich mal BWA und die Gewinne und die Bilanzen einzelner Unternehmen zu sprechen, sondern wenn es dem Mittelstand als Rückgrat des Wohlstands in diesem Land gut geht, dann geht es den Menschen gut. Dann haben wir eine soziale Sicherheit für viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und deren Familien, die da dranhängen. Aber mit der sozialen Sicherheit haben wir den sozialen Frieden, mit dem sozialen Frieden als unabdingbare Voraussetzung für die Demokratie haben wir einen stabilen Staat. Wir diskutieren in Deutschland momentan sehr viel über unsere Demokratie. Die hängt ganz elementar damit zusammen, dass der Wohlstand über mittelständische Unternehmen in Deutschland funktioniert. Und deswegen ist das nicht nur eine Aufgabe für die einzelnen Unternehmen, sondern eine Verantwortung für die gesamte Gesellschaft.
Willi Plattes:
Toll gesagt. Jetzt sind wir in Deutschland. Ja, jetzt habe ich die Zahl gehört, dass zehn Gesetze in Deutschland, acht davon in Brüssel. Also brauchen wir ja nicht nur das Verständnis für die deutsche Seite, für die deutsche Gesetzgebungs-Seite, bleiben wir mal dabei, sondern auch wir müssen nach Brüssel schauen, was da geschieht. Was kannst du dazu sagen?
Christoph Ahlhaus:
Also das wird immer noch unterschätzt, nicht nur in Deutschland, sondern generell in den Nationalstaaten. Ich merke das auch in der Medienberichterstattung. Man fokussiert sich sehr auf den nationalen Gesetzgeber. Wir kritisieren in Deutschland momentan sehr die Ampel, aber in Wirklichkeit, ohne dass ich die in Schutz nehmen will, wird natürlich vieles schon vorweg in Brüssel entschieden. Und da, glaube ich, müssen wir den stärkeren Fokus inzwischen hinlegen, dass wir europäische Politik kritischer begleiten, lauter begleiten, selbstbewusster mit unseren Interessen begleiten, als das bisher geschieht und vor allem auch in der Gesellschaft, in den Medien klar machen: Euer Schicksal wird nicht mehr nur im Nationalstaat entschieden, sondern weit mehr inzwischen auf europäischer Ebene. Da müssen wir den Fokus hinlenken und unserer Ursula auch mal klar sagen, wo der Weg lang zu gehen hat.
Willi Plattes:
Ja, also du brauchst auch inhaltliche Aussagen. Denn wenn man laut werden soll, dass das wollen wir ja alle, dann brauchen wir auch fundierte inhaltliche Aussagen.
Christoph Ahlhaus:
Und das ist ein ganz wichtiger Stichpunkt. Und deswegen finde ich unser Gespräch heute hier auch so wichtig und gewinnbringend für uns. Wir haben natürlich viel Kritik an uns, kommen viele Unternehmerinnen und Unternehmer und sagen, könnt ihr nicht mal, das ist schwierig, das ist schwierig, das dreht uns den Hahn ab. Wir erleben den Exodus vieler mittelständischer Unternehmer und Unternehmen aus Deutschland und sogar aus Europa, weil die Gesetzgebung eben so ist, dass Mittelstand nicht mehr vernünftig existieren kann. Aber die Frage des Meckerns ist noch nicht allein die Lösung. Wie sagst du immer so schön.
Willi Plattes:
Jammern ist keine unternehmerische Aktivität.
Christoph Ahlhaus:
Und deswegen brauchen wir die fachliche Expertise, dass wir genau überlegen wie können wir die Kritik auch ummünzen in vernünftige Lösungen? Weil wir wollen ja, sage ich mal konstruktiv sein und nicht nur meckern. Und da brauchen wir Fachleute auch, zum Beispiel wie eben Grant Thornton, um dann eben auch die richtigen Lösungen in den richtigen Kanal zu geben. Das können Verbandsfuzzis nicht alleine. Wir transportieren und wir brauchen aber die Expertise von den Fachleuten.
Willi Plattes:
Was sagst du dazu, Jens?
Jens Binding:
Ich finde es richtig, Wir sehen an vielen Gesetzgebungsverfahren, die eben auf europäischer Ebene mehr oder minder durchgelaufen sind. Der deutsche Gesetzgeber hat da nicht mehr sehr viel Handhabe. Meistens setzt er das dann einfach eins zu eins um oder.
Christoph Ahlhaus:
Schlimmer noch, manchmal.
Jens Binding:
Ein bisschen härter.
Christoph Ahlhaus:
Das sogenannte Goldplating nennen wir das.
Jens Binding:
Es hat so insbesondere bei den Meldepflichten angenommen angefangen das Thema, das ist einmal durchgerauscht und derzeit bauscht sich das immer mehr auf und man sieht in der Diskussion gerade den Mittelstand nicht so sehr vertreten, insbesondere auf europäischer Ebene. Und wenn man dann erst in der Umsetzung auf nationaler Ebene anfängt, ist es meistens schon halbwegs zu spät.
Willi Plattes:
Korrekt. Und da ist unsere Expertise gefragt, wie man das hinbekommt und welchen Einfluss wir da auf den Gesetzgeber nehmen können, um Verständnis zu bekommen. Und meine Zuhörerinnen und Zuhörer, das ist ja wichtig. Wir müssen das als Ihre Berater ja auch wissen. Wo sind die Schwerpunkte, wo wir darauf achten müssen. Denn bei aller Liebe, wir können nicht entscheiden, wie Ursula sich entscheidet. Aber wir haben Möglichkeiten, über dich oder über euch im Endeffekt Druck zu machen und das etwas stärker zu fokussieren. Und meine Damen und Herren, ganz einfaches Beispiel. Wir haben ja im Augenblick in Deutschland eine sehr schlechte Stimmung und die gesamten Krisen, die wir weltweit haben, das sind ja multiple Krisen. Ich will nur Ukraine, Klimakrise, Gaza usw. benennen, das sind ja nur einige. Und jetzt geht es darum, wie reagiert man in Deutschland? Und sehr viele sind unsicher. Sie haben keine Zukunftsperspektive mehr, sehen keine Zukunftsperspektive und denken unter Umständen daran. Wo investiere ich weiter? Gehe ich ganz aus Deutschland weg? Das sind ja Themen. Und wenn wir jetzt innerhalb der EU bleiben, passiert folgendes: Das muss man sich einfach nur auf der Zunge zergehen lassen. Wenn Sie von Hamburg nach München ziehen, bezahlen Sie keine Steuern. Aber wenn Sie von Hamburg nach Wien ziehen, oder nach Mallorca, da ist es auch schöner. Ja, höhere Lebensqualität, sage ich. Wien ist auch eine traumhafte Stadt. Und dann bezahlen Sie Wegzugssteuer. Kannst du das kurz erklären, was da passiert?
Jens Binding:
Ja, die Wegzugsbesteuerung ist, man nennt es mal eine trockene Besteuerung. Das heißt, der deutsche Staat wird an dem Zeitpunkt des Grenzübertrittes das Unternehmen bewerten und wird dann darauf seine Steuern erheben. Und wir sehen, dass genau die Themen im Rückgrat des Deutschen, der deutschen Wirtschaft, dem Mittelstand, sehr erheblich. Die Globalisierung nimmt immer mehr zu, die Energiekosten verändern sich, es werden neue Märkte erschlossen und gerade wenn neue Märkte erschlossen werden, ist es meistens auch Geschäftsführungssache, Eigentümersache das Thema aufzubauen. Ein paar Jahre ins Ausland zu gehen und dann kommt dieses Thema hoch, was mal entstanden ist. 1968 war das mal in der Presse, dann hat man dieses Gesetz geschaffen. Dieses Gesetz geht aber ein wenig an den Themen vorbei. Und das soll die Frage Herr Ahlhaus, bei Ihnen im Mittelstand ist das etwas, was Sie sagen, da müssen wir anfassen, da müssen wir etwas weiter nach vorne gehen. Da müssen wir vielleicht auch mit dem Mittelstand zusammen sprechen.
Christoph Ahlhaus:
Auf jeden Fall.
Willi Plattes:
Darf ich vielleicht ein kurzes Beispiel machen. Also nehmen wir einfach mal an, Sie haben ein Unternehmen. Wenn Sie das heute verkaufen würden, würden Sie 100 Millionen bekommen. Also ich nehme glatte Zahlen, weil ich furchtbar schlecht im Kopfrechnen kann. Und jetzt? Diese Firma hat einen Buchwert von einer Million. Und jetzt wollen sie wegziehen nach Österreich. Bleiben wir bei Österreich oder Spanien. Kann auch sein. So, und dann steht Christian Lindner an der Grenze. Bewertet Ihr Unternehmen mit 100 Millionen und 1 Million Buchwert. Das sind 99 Millionen. Und dann haben Sie auf die 99 Millionen, weil Sie wegziehen, 26,375 % ohne Kirchensteuer haben Sie Einkommensteuer zu zahlen. Das ist zu bezahlen. Punkt. Ende. Aus. Ja, es gibt Stundungsmöglichkeiten usw. wollen wir jetzt nicht im Detail drangehen, aber das ist Europa so und das widerspricht im Endeffekt dem europäischen Gedanken auf jeden Fall. Also das ist für mich nach wie vor völlig unverständlich. Ich wollte das nur als Beispiel geben.
Christoph Ahlhaus:
Du hast völlig recht. Und um die Frage klar zu beantworten ich meine, wir erleben ja momentan, dass Lieferketten und Geschäftsbeziehungen und Sitze von Unternehmen sehr im Wandel sind. Und wir haben immer auf die Globalisierung gesetzt. Deutschland war Exportweltmeister und unser ganzer Wohlstand lebt auch vom Export und vom internationalen Handel und damit auch von der Globalisierung. Nun haben wir in den letzten Jahren gesehen, durch Dinge, die wir, ja können wir auch der Politik nicht alle anlasten, die eben gekommen sind. Auch Ursula von der Leyen kann den Ukrainekrieg nicht nicht beenden und die den Klimawandel und Corona. Aber all diese Dinge, die wir politisch nicht verändern können, auf die müssen wir uns einstellen. Und wir erleben ja jetzt den Wechsel der Lieferketten. Und wenn jetzt viele Unternehmer sagen, hm, die haben Lust, teilweise auch wieder nach Europa zurückzukommen. Aber wenn sie das natürlich erleben, was du auch gerade beschreibst, oder wenn sie die Wahl haben, gehe ich vielleicht in ein anderes europäisches Land oder gehe ich wer weiß wohin und sehen, es bringt ihnen gar kein Vorteil, erst mal innerhalb Europas vielleicht sich diversifiziert aufzustellen, dann ist das eine Schwächung des Wettbewerbsstandortes Europa und damit auch von uns selbst.
Weil wir müssen da auch etwas europäischer denken. Und wir müssen, wie du immer schön sagst, auch neu denken, neu denken, dass wir auf europäischer Ebene, auf nationaler sowieso, wieder lernen, Lust zu haben. Das gilt für die gesamte Gesellschaft, übrigens nicht nur für Unternehmer. Lust am Wettbewerb, an Leistung und auch den Willen haben, mal irgendwo vorne zu sein. Ich kann doch nicht Herausforderungen immer nur als Probleme sehen und wie es die europäische Ebene und auch leider unsere nationalen Gesetze machen, immer nur durch Restriktionen, durch Berichtspflichten und sonst was darauf reagieren. Ich kann doch mal auch ein Problem, was eine typisch mittelständische Tugend ist, als Chance sehen, wo ich ein Geschäft draus machen kann. Klimawandel kann eine Riesenchance sein. Warum nimmt die europäische Ebene nicht einfach mal 100 Milliarden in die Hand? Holt die besten Leute her, legt hier ein Innovationsprogramm auf mit dem Willen, wir wollen Nummer eins sein. Nee, wir machen lieber Berichtspflichten und Restriktionen und tun den Deckel an der Flasche festschrauben und lauter so einen Käse, anstatt mal zu sagen wie können wir das Problem wirklich bekämpfen?
Willi Plattes:
Also ich kann dir nur Recht geben. Das ist teilweise erschreckend, was da passiert. Vor zehn Jahren wurde gesagt, Europa soll die wirtschaftsstärkste Region auf der Welt werden. Das was wir heute sind, wir sind Bürokratieweltmeister. Nur in Deutschland haben wir 65 Milliarden Bürokratieaufwand im Mittelstand. Das ist Weltspitze.
Christoph Ahlhaus:
Ja, ich will dich nicht unterbrechen. Aber es ist ja noch viel schlimmer. Wir haben jetzt gerade in Deutschland ein Bürokratieentlastungsgesetz verabschiedet, immerhin 900 Millionen Entlastung. Das Statistische Bundesamt sagt, die Bürokratie kostet uns 50 Milliarden. Da sieht man also, wenn man den Mount Everest besteigen will, dann sind wir jetzt gerade mal auf dem ersten Maulwurfshügel angekommen und feiern uns, wie toll wir das sind. Aber das Schlimme ist: Wie jedes Gesetz, was wir in Deutschland abschaffen, kommen in Brüssel fünf neue dazu und das ist etwas, dann müssen wir neu denken. Und es langt nicht, nur an Einzelfragen anzusetzen, sondern wir brauchen mal hier wirklich die Schere im Kopf und müssen sagen, wir haben den Willen, es zu ändern. Und wir müssen Verantwortung übernehmen für den Wohlstand, auch künftiger Generationen in Europa.
Jens Binding:
Ich finde vor allem vom Maß her jetzt gerade, was wir angesprochen haben mit der Flexibilität, mit der Internationalität und dem Wegzug, das ist ja immer so sage ich mal, ein Missbrauch. Man misstraut ja, das steht aber, wenn man sich mal die Zahlen ansieht: Es gibt Studien darüber, wie die Millionärsdichte national ist, wie der Transport aber auch des Vermögens von A nach B ist. Wenn man sich das mal betrachtet, ist Deutschland, glaube ich Platz vier in man-Satistiken gar nicht mehr auf. Also hier werden teilweise auch Verwaltungshürden aufgebaut, aus einem Misstrauen heraus. 1968 mal passiert. Die sind wir dir gar nicht mehr der aktuellen Situation entsprechen und vielleicht auch gerade Innovation und Fortschritt entgegenstehen auf der europäischen Ebene.
Willi Plattes:
Jens, du hast komplett recht. Ich möchte noch eins hinzufügen und das ist: Wir erziehen heute unsere Kinder als Weltbürger. Das ist eine verteufelte Aufgabe von uns in einer international orientierten Welt, unsere Kinder wirklich als Weltbürger und nicht als Deutsche, nur als Deutsche zu erziehen. Und jetzt müssen Sie sich bitte vorstellen, meine Damen und Herren, Ihr Kind studiert, ich sag mal auf Mallorca, und dann tritt der Erbfall ein. Der ist ja nur leider nicht immer planbar. Und dann wird, wenn das Kind hier ansässig ist, wird die Wegzugsteuer ausgelöst und ist nicht stundbar. Das ist ein Riesenthema. Jetzt müssen Sie sich vorstellen die Wegzugssteuer wird ausgelöst. Ich muss mich korrigieren Es sind nicht 26,375 sondern etwas über 28 %. Verzeihen Sie bitte die falsche Zahl vorhin. Und dann müssen Sie auch noch 30 % Erbschaftssteuer bezahlen. Jetzt müssen Sie sich vorstellen, das Kind hat das Geld ja nicht, um das zu bezahlen, muss also eine Ausschüttung aus der Gesellschaft nehmen, unter Umständen sogar Diquotal. Also das ist Existenzvernichtung. Und das ist eine Gesetzgebung innerhalb Europas. Für mich völlig unverständlich. Und, Christoph, das müssen wir auch weiternach Berlin und nach Brüssel tragen.
Christoph Ahlhaus:
Auf jeden Fall bin ich ganz deiner Meinung.
Willi Plattes:
Jens, was machen wir? Wir beraten so, dass sie wegziehen können.
Jens Binding:
Man berät so, dass es für das Unternehmen nicht zum Exodus führt. Das ist eines der wichtigsten Punkte. Leider Gottes ist die Beratung häufig in eine Richtung, die wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht immer hundertProzentig gerecht wird. Weil wir Themen haben wie: Bitte komm zurück, bitte mach das nur kurzfristig. Unabhängig von deinem Geschäftsaufbau, ist es jetzt der Markt, den du selber entwickeln willst. Aber es gibt einen Zeitpunkt, zu dem du wieder zurückkommen musst. Über diesen Zeitpunkt hinweg finden wir vielleicht eine Möglichkeit, dass er auch noch der Witz: Also wenn man halt wegzieht und man will wieder zurückkommen, dann kann man sagen, ich will wieder zurückkommen. Dennoch wird diese Steuer ja fällig. Dann kann man halt sagen, komm, machen wir jetzt nicht. Trotzdem will der Staat eine Sicherheitsleistung haben und die ist meistens genauso hoch wie die Steuer.
Willi Plattes:
Dann kann sie auch bezahlen.
Jens Binding:
Genau. Und dass man halt sagt, guck mal, das sind die Anteile im Unternehmen, das ist meine Sicherheit, wird er meist nicht akzeptiert. Und dann? Das sind die Themen, mit denen wir arbeiten. Das sind die Themen, wo wir versuchen, auch die Lösung mitzubringen, damit wir gerade der Wirtschaftlichkeit des Unternehmers gerecht werden können.
Willi Plattes:
Also wir haben hier auf Mallorca eine Vielzahl von etwas stärker individualisierten Persönlichkeiten und wir haben sehr häufig diesbezüglich auch Anfragen. Und wir stellen grundsätzlich fest, der deutsche Mittelstand will in Deutschland bleiben, er möchte weniger Bürokratie und er möchte mehr Flexibilität haben, um wieder 50 % des gesamten Bruttosozialproduktes in Deutschland über den Export zu erzielen. Und meine Damen und Herren, das ist das, was der Mittelstand bewegt. Der Mittelstand ist in diesen Regionen gefestigt, möchte da bleiben. Und wir müssen dafür sorgen, dass die allgemeinen Rahmenbedingungen auch steuerlicher und zivilrechtlicher Art, so ich sage mal, vorangetrieben werden mit deiner Hilfe, mit eurer Hilfe, dass es wirklich wieder mit in Deutschland richtig nach vorne geht. Es sieht nicht besonders gut aus.
Christoph Ahlhaus:
Das ist richtig und deswegen müssen wir daran arbeiten. Das ist völlig richtig, was du sagst. Der Mittelstand ist grundsätzlich sehr standorttreu, sehr standorttreu und verbunden mit Deutschland. Teilweise ja auch die Beschäftigten über Generationen dabei. Mittelständler denken im Gegensatz zu Großkonzernen nicht in Quartalsabschlüssen, sondern in Generationen ihrer Familie und ihrer Mitarbeiter, für die sie sich auch in besonderer Weise, weil sie sie in der Regel kennen, über Jahre und Jahrzehnte Verantwortung übernehmen wollen und verantwortlich fühlen. Und das ist ja ein Stück der Stabilität, die wir ja auch immer hatten gegenüber anderen Ländern, dass wir, wenn es mal kriselt, ich denke zuletzt an die Finanzkrise. Warum sind wir in Deutschland besonders schnell da rausgekommen? Weil unsere mittelständische Struktur dafür gesorgt hat, dass eben nicht beim ersten Flackern der der Wohlstandslampe, sage ich mal, die Leute freigesetzt worden sind. Deswegen konnten wir auch schnell wieder durchstarten und waren da vorne. Aber da hat der Staat sowohl auf nationaler als auf europäischer Ebene eine Verantwortung, dass das auch so bleibt und dass das so bleibt, ist in der aktuellen Situation überhaupt kein Selbstgänger mehr. Und deswegen müssen wir gemeinsam, Beratungsunternehmen, Unternehmerinnen, Unternehmer selbst, die auch mehr die Stimme erheben müssen als bisher und wir als Transmissionsriemen zu Politik und Gesellschaft gemeinsam an Lösungen arbeiten, die unsere Wettbewerbsfähigkeit und damit unseren Wohlstand und sozialen Frieden in unserem Land erhalten.
Willi Plattes:
Meine Damen und Herren, Sie sehen ein komplexes Thema. Wir haben tolle Berater aus Deutschland, Mittelstandsberater. Wir haben Vertreter des Mittelstands auf deutscher Ebene, auf europäischer Ebene. Und, meine Damen und Herren, wir stehen gerne bereit, auf der schönsten Insel der Welt mit Ihnen da auch darüber zu sprechen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Autor: Jörg Jung /
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