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Der MZ-News-Talk: Die Wohnungsnot und politische Machtspiele

Ihr monatliches Mallorca-Update immer am Puls der Insel mit dem Chefredakteur der Mallorca Zeitung, Ciro Krauthausen, und Jörg Jung.

Es rumort weiter auf Mallorca. Die Wohnungsnot bietet sozialen Brennstoff. Am vergangenen Sonntag gingen Zehntausende gegen Massentourismus sowie den Mangel an bezahlbarem Wohnraum in Palma auf die Straße. Unterdessen vermeldet die Insel 10 Prozent mehr Besucher als im Vorjahreszeitraum. Und was passiert unterdess im Balearen-Parlament? Zerstrittenheit und eine Wohnungsministerin, die hinwirft.

Willipedia Podcast-Producer Jörg Jung und MZ-Chefredakteur Ciro Krauthausen reden darüber ...

Jörg Jung
Ja, auf Mallorca läuft es nur irgendwie nicht in die Richtung, die eigentlich politisch geplant war, finde ich. Wir reden darüber. Mit dem Chefredakteur der Mallorca Zeitung, Ciro Krauthausen. Hallo, ich grüße dich! Hallo, ja zum MZ-News Talk, Juli 2024. Und wir haben es schon kommen sehen, dass es weiterhin ein Thema bleibt. Das, was wir in den vergangenen Monaten und Wochen so besprochen haben. Wir sind bei Wohnungsnot, wir sind bei Überfüllung der Insel, wir sind bei einer Inselregierung, die sich nicht wirklich immer eins ist. Das alles ist jetzt irgendwie zu einem Höhepunkt gekommen, nur halt in die falsche Richtung, also nicht die, die man wollte. Ist zumindest meine Meinung. Ich bin mal gespannt auf Ciros Meinung. Also zum einen hat man gesagt, wir wollen mehr Wohnraum schaffen, bezahlbaren Wohnraum, weil den finden die Insulaner hier nicht mehr wirklich. Gleichzeitig wird die Insel immer voll und wir müssen was dagegen tun. Wohnraum schaffen läuft sehr langsam und jetzt haben die US-Amerikaner tatsächlich die Insel für sich entdeckt. Also mehr Zulauf, weniger Wohnungen, das ist mein Eindruck. Wie ist dein Eindruck dazu?

Ciro Krauthausen
Oh, da müssen wir aber einiges aufdröseln. Wir haben Zeit. Ich glaube, man kann das nicht so vermengen, wie du das jetzt gerade gemacht hast. Okay. Ja. Wo fangen wir an? Wo in der Regierung? Sagen wir mal, so lichten sich die Reihen. Es hat eine nationale Entscheidung gegeben seitens der Rechtspopulisten Vox. Es ging in im Streit um die Verteilung über die spanischen autonomen Gemeinschaften, also dem Äquivalent zu den deutschen Bundesländern von unbegleiteten Minderjährigen, die auf den Kanaren gelandet waren und die verteilt werden müssen über Spanien. Vox weigerte sich, in den autonomen Gemeinschaften, wo Vox mitregiert, diese unbegleiteten Minderjährigen aufzunehmen, stellte die PP vor ein Ultimatum. Und die PP. PP ist die Volkspartei. Die Konservativen, die in Spanien weit in der Opposition sind, aber hier auf den Balearen mitregieren, weigerte sich das einzuhalten, pochten auf der Solidarität zwischen den Regionen. Und daraufhin kündigte Vox die Regierungskoalition in fünf Regionen auf, unter anderem hier auch auf den Balearen. Wobei: auf den Balearen handelte es sich nicht um eine Regierungskoalition, sondern um einen sogenannten Rechtspakt. So haben wir den immer bezeichnet. PP und Vox hatten 110 Punkte vereinbart, ein Regierungsprogramm. Aber Vox war nicht direkt an der Regierung beteiligt, sondern duldete sie nur oder stimmte mit ihr in zentralen Fragen. Auch das wurde aufgekündigt. Und jetzt ist tatsächlich die konservative Ministerpräsidentin Marga Prohens faktisch –solange das aufgekündigt ist und solange sich das nicht ändert, regiert in der Minderheit. Sie haben nur 25 Stimmen, 30 bräuchte es, um die Mehrheit zu erlangen im Balearenparlament. Das muss noch so ein bisschen ausbaldowert werden, weil die örtliche Vox auch sehr zerstritten ist. Es kann sein, dass da noch ein paar Abgeordnete dann doch noch mitziehen. Aber im Endeffekt und das finde ich sehr interessant, ist Marga Prohens jetzt nicht mehr an diesen Pakt oder an diese, an diese 110 Punkte so gebunden? Die Rechtspopulisten nutzten auch diese. Diese Position nicht in der Regierung zu sein, aber trotzdem in Forderungen stellen zu können, haben die sehr geschickt ausgenutzt und ihre Programmpunkte so durchgesetzt. Es war eigentlich ein ständiges Hin und Her und sicherlich auch aus der Perspektive der Ministerpräsidentin ein Ärgernis. Das ist sie jetzt erst mal los.

Jörg Jung
Jetzt haben wir aber das Problem, dass einer dieser Punkte war. Ja, und das habe ich ja vorhin angesprochen, zum Beispiel: Man braucht mehr bezahlbaren Wohnraum auf Mallorca. Da wurde ganz groß getönt und gemacht. Und jetzt gibt es sogar zu all dem, dass die Vox jetzt noch gesagt hat, wir unterstützen diese Regierung, diese PP-Minderheitsregierung nicht mehr weiter. Jetzt gibt es noch Zores rund um die Bauministerin. Also da scheint ja auch alles jetzt irgendwie ins Stocken zu geraten, oder sehe ich das zu dramatisch?

Ciro Krauthausen
Eindeutig zu dramatisch. Weil du kannst ja nicht erwarten, dass binnen von wenigen Monaten jetzt hier die die Wohnungen wie Pilze aus dem Boden schießen. Die Wohnungsministerin ist entlassen worden, offenbar auf gegenseitigen Einverständnis. Wir hatten gestern ein Interview mit der Ministerpräsidentin und sie beharrte darauf, dass da rein familiäre Gründe war. Vorlagen, das ist hier halt nicht, um inhaltliche Gründe ging. Die gute Marta Vidal, so hieß diese Wohnungsministerin, kommt aus Menorca, hat drei kleine Kinder, musste immer hin und her pendeln usw. und so fort. Also es bestanden anscheinend offenbar auch familiäre Gründe. Unabhängig davon hatte sie jetzt in der Öffentlichkeit keine so geschickte Figur gemacht und war jetzt sicherlich nicht die angesehenste und renommierteste Ministerin im Kabinett. Sie hat aber, das muss man ihr zugutehalten, und das hielt auch die Ministerpräsidentin in dem Interview betonte, dass sie hat im Grunde genommen schon auch die Grundlage dafür gelegt, für das, was jetzt geschehen soll. Also eine ganze Reihe von Maßnahmen, die jetzt in den kommenden Jahren greifen sollen, um mehr Wohnraum zu schaffen auf der Insel.

Jörg Jung
Ist das dann realistisch. Also ist klar, es hat langsam angefangen, aber aufgrund der politischen Konstellation. Jetzt ist noch die Ministerin weg. Also es hat langsam angefangen, geht es noch langsamer weiter? Das wäre dann die große Frage und der Blick in die Glaskugel.

Ciro Krauthausen
Na ja, es kommt ein anderer Minister. Wenn die Grundlagen gelegt sind, kann man ja darauf weiterarbeiten. Und natürlich geht das viel zu langsam angesichts der extremen Wohnungsnot. Aber das wird man nicht lösen können, so einfach das wird, das wird Jahre dauern, bis da etwas passiert.

Jörg Jung
Es wird aber auch die Seele des Volkes, der Mallorquiner nicht besänftigen. Also wir haben ja wieder das große Thema Demonstrationen gegen die Überfüllung der Insel, gegen den Massentourismus, gegen diese Wohnungsnot. Also wie schätzt du jetzt diese Sache ein? Vor allem und zumal auch die Aussage Die Insel muss weniger Menschen und Touristen beherbergen, dafür vielleicht höherwertig und qualitativer. Ich erlebe aber persönlich, dass es eigentlich wieder von von von den Massen her wieder viel mehr wird, die sich Richtung Mallorca orientieren. Jetzt sind die US-Amerikaner, wir haben es schon mal angesprochen, da könnte sich ja was entwickeln. Es entwickelt sich es. Mittlerweile ist der Michael Jordan da. Michelle Obama ist immer irgendwie da und jetzt haben die langsam Geschmack daran gefunden und irgendwie. Also dann sind wir doch an einem Punkt. Mallorca wird voller und das, was man eigentlich wollte, geht alles zu langsam und vielleicht sogar neben dran vorbei.

Ciro Krauthausen
Naja, also die Amis, jetzt mal salopp gesagt die Amis, die Amis sind noch keine Masse hier auf der Insel. Warte mal ab. Nein, nein. Also das ist: Es gibt eine tägliche Flugverbindung nach New York und das war es auch. Aber das sind keine, das ist kein Massentourismus, das ist schon. Wenn man so will, ist das, was von einigen hier auf der Insel befürwortet wird, die Insel immer höherwertiger anzusiedeln, was, was den Tourismus betrifft, auch da allerdings muss man vorsichtig sein, das plakativ, das kommt das sicherlich rüber. Also höherwertigen Tourismus, teureren weniger Leute und mehr Einnahmen das ist sozusagen die Ausrichtung. Aber auch da sprachen wir die Ministerpräsidentin gestern an und auch sie meinte zu Recht Nein, das muss nicht unbedingt Luxustourismus bedeuten. Man kann auch Qualitätstourismus schaffen oder darauf achten und und da daran arbeiten, der jetzt nicht unbedingt die Superreichen anspricht. Ja und ähm ja und jetzt kommen immer mehr Leute, also die Besucherzahlen bis jetzt, also wir sind jetzt gerade Mitte Juli, sind im Vergleich zum Vorjahr, ich schätze mal, so müsste man gucken, also 10 % über den Besucherzahlen des Vorjahres werden wir auch noch mal sehen. Mal sehen, wie es weitergeht. Und abgerechnet wird erst am Ende des Jahres. Also es ist, es ist schon diese große Sorge auf der Insel da, die hat man ja jetzt auch auf dieser einen weiteren großen Demonstration gesehen am Sonntag, dass es so nicht weitergehen kann, dass man im Grunde genommen das Wirtschafts und Tourismusmodell der Insel umbauen muss, dass mehr Urlauber nicht mehr Wohlstand bringen. Im Gegenteil. Das ist halt so, das ist tatsächlich, das kann man auch statistisch belegen. Trotz dieser steigenden Urlauberzahlen über die vergangenen Jahre hinweg ist das Pro Kopf Einkommen gesunken. Und dass da etwas geschehen muss, da auch da signalisiert ja die Regierung im Prinzip, dass man willens ist, umzubauen, etwas zu tun. Muss man jetzt auch noch mal abwarten. Es ist wurden jetzt Arbeitsgruppen einberufen und diverse Studien in Auftrag gegeben. Und das ist natürlich so, was kann sich hinziehen und danach schauen wir mal, ob dann tatsächlich auch Entscheidungen getroffen werden, die ja dann teilweise auch schmerzhaft sein können für einige Gruppen der Bevölkerung.

Jörg Jung
Inwiefern wägst du denn zum Beispiel die Politik ist willens mit das Volk ist aber auch willens ab. Also wir haben ja die Demonstrationen erlebt. Wir haben ja auch in Barcelona erlebt, dass Touristen, die mit Wasserpistolen bespritzt wurden und dass da also die haben. Auch das Problem. Ist es dann nicht irgendwie tatsächlich ein Wettlauf gegen die Zeit, also als Politik was zu unternehmen befolgt, bevor die Stimmung dann wirklich überkocht?

Ciro Krauthausen
Ich glaube. Ich glaube, die Stimmung ist übergekocht, weil es ist nicht so gewöhnlich, dass so große Mengen an Mallorquinern auf die Straße gehen. Es ist eine relativ kleine Insel, das darf man nicht vergessen. Also jetzt, hier auf Mallorca sind es jetzt rund 900.000 Einwohner. Und wenn, dann gut man über die Zahlen kann man sich streiten bei der Demonstration. Aber wenn dann so viele auf die Straße gehen, dann ist das schon ein ist ja schon was. Aber jetzt sozusagen diese Aktionen, die durch die Presse gegangen sind oder durch die Medien gegangen sind, wie zum Beispiel das mit den Wasserpistolen, das sind ja nur kleine Gruppen, das sind ja sozusagen so Radikale, die es vorher auch schon gegeben hat. Das ist jetzt nicht das, ich glaube auch, man muss das immer wieder betonen. Also es ist nicht so, dass die Menschen hier sagen, kein Tourismus will "Tourist go home" und wir wollen hier keine Urlauber mehr. Es ist immer, es ist nur sozusagen, es wird Druck aufgebaut, um das anders zu gestalten. Und es ist auch anders zu lenken. Auch da gibt es ja sicherlich Möglichkeiten.

Es gibt noch einen Punkt, wo auch ich war. Ich bin ja jetzt hier, wo ich gestern mit der Ministerpräsidentin gesprochen habe, muss man sagen. Da hatte sie auch einen Punkt. Also wir fokussieren das immer so sehr auf Mallorca, aber sie sagte natürlich zu Recht: Ja, dann schaut euch doch an, was in Rom ist oder was in Venedig ist oder was in Dubrovnik oder Paris oder you name it. Das ist ja ein weltweites Problem, was sich da ergeben und und alle schauen, wie man damit umgeht. Und man kann jetzt glaube ich, keine Lösung von jetzt auf gleich erwarten, von weder von der Regierung noch von irgendjemand hier auf der Insel. Aber zumindest macht man sich auf den Weg. Und ich denke auch, sozusagen, der Druck der Straße ist in der Hinsicht sicherlich irgendwie zu begrüßen. Die Kritik an dem an dem Wirtschaftsmodell, das so stark vom Tourismus abhängig ist, die gab es schon sehr lange. Da gab es schon, gibt es da gibt es schon Organisationen oder oder Verbände, die sich sehr, sehr lange damit beschäftigen und auch diese Kritik formulieren, die auch im Grunde genommen, ich sage das eigentlich auch schon seit Jahren. Eigentlich ist es Konsens auf der Insel, dass es so nicht weitergehen kann. Aber was das ganze Fass zum Überlaufen gebracht hat, ist halt die Wohnungsfrage. Das hat das alles sozusagen verschärft und nun diese, diese Gemengelage zusammengebracht.

Jörg Jung
Wenn auf dem Campo jetzt die 45 Quadratmeter, ich möchte euch zitieren, auch schon 120.000 € kosten, dann weiß man, wo die Reise zumindest noch mittelfristig hingeht. Das war der MZ-News Talk, Juli 2024. Ich bedanke mich bei Ciro Krauthausen.

Ciro Krauthausen
Jörg, ich habe zu danken.

Autor: Jörg Jung / Mitarbeit: C. Schittelkopp

23. Juli 2024

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