Wegzugsteuer: Besiegen Sie das XXL-Monster!
Der Wirtschaftsstandort Deutschland ist erschüttert: Die Sorge um die Zukunftsfähigkeit Deutschlands, der Fachkräftemangel, hohe Energiepreise, das belastende Sozialsystem und die Steuerlast treiben den Mittelstand aus dem Land. Willi Plattes (CEO PlattesGroup) widmet sich in der neuen Podcast-Folge der wachsenden Unzufriedenheit unter deutschen Unternehmern und deren Überlegungen, der Bundesrepublik den Rücken zuzukehren. Zudem beleuchtet er die Steuermauer um Deutschland, das deutsche XXL-Monster Wegzugsteuer.
Die Stimmung in der Wirtschaft ist düster: Jeder vierte deutsche Unternehmer denkt darüber nach, Deutschland zu verlassen. Mallorca ist dabei wegen seiner emotionalen Rendite ein beliebtes Ziel. Ein zentrales Thema der Folge ist die Steuermauer um Deutschland, die Christian Lindner noch einmal erhöht hat.
Die "XXL-Monster"-Folge enthüllt die drei Köpfe der Hydra, der Wegzugsteuer: Diese greift nicht nur beim Wegzug des Unternehmers, sondern auch der Geschäftsführungstätigkeiten im Ausland sowie im Erbfall. Deren Steuerbelastung kann auf bis zu 80 Prozent des Unternehmenswertes steigen, teilweise ohne eine Möglichkeit der Stundung und ohne Liquiditätszufluss. Das kann Existenzen vernichten.
Im Dialog mit Ingo Wohlfeil gibt Willi Plattes einen Einblick in die möglichen Auswege aus dieser steuerlichen Zwickmühle.
Ingo Wohlfeil
Jeder vierte deutsche Unternehmer denkt darüber nach, Deutschland zu verlassen. Das besagt zumindest eine Studie des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft. Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Professor Dr. Russwurm, hat sogar noch einen nachgelegt und dieser Tage angedeutet, dass jedes dritte deutsche Industrieunternehmen erwägt, Deutschland den Rücken zu kehren. Und in die gleiche Kerbe schlägt momentan auch noch eine Umfrage des Verbandes der Deutschen Automobilindustrie. Mein Name ist Ingo Wohlfeil und mein Gast ist gleichzeitig Namensgeber dieses Podcasts. Willi Plattes, CEO der PlattesGroup. Willi, du hast am 2. Oktober eine Veranstaltung mit über 200 Unternehmen auf Mallorca gehabt. Da ging es um Auswandern und die Steuermauer um Deutschland. Und in einem Focus-Interview vom 17. Juli hast du auch schon mal auf dieses Thema hingewiesen. Da sprichst du von einem XXL-Monster der Wegzugsteuer. Willi, willst du mir Angst machen?
Willi Plattes
Ich glaube, wir müssen leider etwas Angst verbreiten. Die Situation, die wir im Augenblick in Deutschland haben, empfinden ich und sehr viele Unternehmer oder auch Unternehmensverbände sehr, sehr kritisch. Ich möchte das mal aus der Helikoptersicht ein bisschen betrachten. Wenn ein Kunde mit einer Leistung eines Dienstleisters nicht zufrieden ist, dann wechselt er an sich den Dienstleister. Das haben wir beim Elektriker, der nicht mehr funktioniert. Dann suchst du dir einen neuen Elektriker. Und in der international oder globalisierten Welt kann man auch den politischen Dienstleister austauschen. Und der politische Dienstleister, den wir im Augenblick in Deutschland haben, wird von den meisten Unternehmern und Unternehmen nicht mehr als sehr leistungsfähig empfunden.
Und deswegen höre ich auch mit Erschrecken, dass diese Argumente von den Verbänden und als wir die Veranstaltung hatten, da mit 200 Unternehmern es war unisono man hat keine kein Vertrauen mehr in die deutsche Politik und man will weg, man hat Zukunftsängste.
Ingo Wohlfeil
Das Klima hat sich also in den letzten Jahren in Deutschland schon sehr, sehr verdüstert. Aber können wir da ein bisschen konkreter werden? Weshalb wollen die Unternehmen denn weg?
Willi Plattes
Das ist der Fachkräftemangel, das sind die Energiepreise, das ist das Sozialsystem, das ist die Steuerbelastung. Und man darf nicht vergessen: Die Zukunftsfähigkeit wird nicht mehr dargestellt. Wir haben heute einen Bundeshaushalt, der vielleicht vier oder 5 % Möglichkeiten hat, um innovativ zu reagieren. Es wird immer mehr von den Politikern verteilt und es wird zu wenig darüber nachgedacht, wie das Geld in den Haushalt kommt, um es nachher zu verteilen. Und die Unternehmer sehen keine Zukunftsfähigkeit. Um dieses Sozialsystem und alles aufrecht zu erhalten, müsste der deutsche Staat immens die Steuer erhöhen. Und dann sind wir noch weniger leistungsfähig als Exportnation.
Und dieser gesamte Potpourri, der sich da entwickelt hat, Bildungssystem können wir auch noch dazunehmen. Das ist etwas, was kein Unternehmer mehr in Deutschland hält. Und das ist eine große Sorge.
Ingo Wohlfeil
Und das macht mir in der Tat auch ein bisschen Angst, wie sehr du da schwarzmalst, was allerdings auch von Umfragen ja auch tatsächlich gestützt wird. Wenn ich jetzt als deutsches Unternehmen keinerlei Perspektive mehr für mich in Deutschland sehe und das Land wechseln möchte, welche Schwierigkeiten warten denn da auf mich? Also in der EU kann ich mich ja niederlassen, wo ich möchte.
Willi Plattes
Ja, das war bis zum 31.12.21. War das so und dann hat Christian Lindner eine sogenannte Steuermauer aufgebaut, die wir zwar vorher schon hatten, aber die hat er noch mal um einige Steine erhöht. Und zwar musst du dir folgendes vorstellen, Ingo. Du hast ein Unternehmen. Das Unternehmen wäre 100 Millionen wert. Das hast du vor 20 Jahren gegründet mit einer GmbH, die 100.000 Euro Stammkapital hat. Also du bist ein erfolgreicher Unternehmer und jetzt sagst du, wir sind innerhalb der EU-Niederlassungsfreiheit. Ob ich nun jetzt von Hamburg nach München ziehe oder von Hamburg nach Wien oder nach Mallorca, da passiert mir ja nichts.
Nein, es passiert dir etwas in dem Augenblick, wo du als Anteilseigner deiner eigenen GmbH dann innerhalb der EU, nehmen wir mal als Beispiel Spanien, umziehen willst, dann steht Christian Lindner an der Grenze und sagt: "Lieber Ingo, jetzt hast du Steuern zu zahlen, weil ich das Besteuerungsrecht verliere." Bis zum 31.12.21 wurde diese Steuerlast gestundet, zinslos gestundet bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag, also eine Art Ewigkeitsstunde. Und das ist weggefallen. Also heute sagt Christian zu dir, deine Firma ist 100 Millionen wert und 100.000 hat die dich gekostet. Diese Differenz, die hast du zu besteuern, und zwar mit 26,5 %, circa 26,5 %.
Willi Plattes
Heißt also, wenn du jetzt nach Mallorca ziehst, hast du über 26 Millionen an Christian Lindner zu zahlen und du hast keinen Liquiditätszufluss. Also das empfinde ich schon als ein ein Teil dieses sogenannten XXL-Monsters, was wir ja besprechen. Das ist eins der Monster.
Ingo Wohlfeil
Aber das ist ja eigentlich eine logische Schutzmaßnahme der Bundesrepublik Deutschland. Ich möchte ja verhindern, dass ich wandere und meine Steuern irgendwo anders lasse. Kann man das auch als Abfindung sehen? Dafür, dass ich in der Bundesrepublik Deutschland die letzten 20 Jahre allerlei Vorteile habe genießen können?
Willi Plattes
Ja, das kann man als Abfindung für den Staat sehen. Ja, das ist ein gutes Beispiel. Dann dürfen aber die Politiker nicht hingehen, dass man sagt: Niederlassungsfreiheit innerhalb der EU. Also wofür haben wir die EU, wenn nicht die Politiker sehen, die stellen sich immer hin: In der EU soll alles angeglichen werden. Wir haben eine Währung. Dann sollen die Politiker bitte aufhören zu sagen: "Wir lieben die EU." Nein, die EU wird vernachlässigt. Es ist für mich ehrlich gesagt nicht mehr verständlich.
Ingo Wohlfeil
Also auf dem Papier habe ich 100 Millionen. Davon muss ich jetzt relativ zeitnah 26 Millionen an Christian Lindner abgeben. Das bedeutet ja für viele, dass sie wahrscheinlich ihre Firma verkaufen müssen, weil sie gar nicht die Liquidität haben.
Willi Plattes
Um ja mal was zu stemmen. Man kann dieses Geld auch stunden über einen Zeitraum. Oder man kann sagen, dass du nach fünf oder sechs Jahren wieder zurückziehst. Diese Möglichkeit besteht, aber die Belastung von diesen 26 Millionen ist auf dem Papier da und damit musst du dich auseinandersetzen.
Ingo Wohlfeil
Dieses XXL-Monster hat ja drei Köpfe insgesamt. Was ist denn der zweite Kopf der Hydra?
Willi Plattes
Ja, jetzt sitzt du hier auf Mallorca, hast die 26 Millionen unter Umständen bezahlt. Und jetzt ist ja die große Frage: Deine Firma bleibt ja in Deutschland, Aber du bist ja Geschäftsführer, Du triffst ja die Entscheidungen. Und jetzt hast du hier ein kleines Büro aufgebaut, um, wie das heute üblich ist mit Homeoffice etc., kannst du ja sehr viel von Mallorca aus in Deutschland erledigen. Heißt also deine Geschäftsführungstätigkeit zur weiteren Wertschöpfung deines Unternehmens findet jetzt auf Mallorca statt. Und da sagt Christian "Hallo!" Das heißt, wesentliche Teile des Betriebes sind auch aus Deutschland raus und dafür bezahlst du noch mal Steuern.
Jetzt hast du ja der Gesellschaft selber Substanz entzogen, Besteuerungssubstanz. Denn diese Wertschöpfung hat jetzt Spanien zu versteuern. Das nennen wir Steuerfritzen: Eine Geschäftsführungs-Betriebsstätte. Werte werden da geschöpft und die hast du noch mal zu versteuern. Das heißt, von den 100 Millionen kassiert Christian noch mal 30 %, die du zu zahlen hast und das ist nicht stundbar.
Ingo Wohlfeil
Und du kannst diesen Albtraum tatsächlich noch vollenden, denn Christian könnte unter Umständen noch mehr Geld von meinem Unternehmen bekommen. Und jetzt sind wir beim dritten Kopf der Hydra.
Willi Plattes
Wir entwickeln uns ja in unserer Gesellschaft zu Weltbürgern. Immer mehr. Die Kinder gehen im Ausland, studieren, verlieben sich, bleiben im Ausland und dann tritt, irgendwann tritt der Erbfall ein. Nehmen wir als Beispiel: Du wärst noch in Deutschland. Deine zwei Kinder, die sind im Ausland. Der Erbfall tritt ein. Was passiert dann? In dem Augenblick passiert ja, dass die Gesellschaftsanteile; weil deine Kinder erben, ist sofort auch der erste Kopf mit den 26 % der Wegzug vollzogen. Also sind da 26 Millionen zu zahlen. Wenn jetzt die Kids auch noch die Geschäftsführung übernehmen, sind die 30 %, die wir eben benannt haben.
Aber jetzt kommt noch die Erbschaftssteuer dazu, die dann auch noch mal mit 30 % zu Buche schlägt. Das heißt, wir hätten eine Gesamtsteuerbelastung von über 80 % zu zahlen und dass ist existenzvernichtend. Ich glaube, darüber brauchen wir uns nicht länger zu unterhalten. Heißt also, wir müssen alle drei Köpfe dieses Monsters betrachten. Und das ist ein wesentlicher Punkt, den wir auch bei dieser Veranstaltung mit den 200 Unternehmern sehr intensiv besprochen haben. Und sehr vielen ist das nicht bewusst.
Ingo Wohlfeil
Du bist Steuerberater. Ich möchte mit dir gar nicht diese Köpfe betrachten. Ich möchte, dass du sie abschlägst. Jetzt kommt deine Kompetenz ins Spiel. Wie kann man denn diese unglaubliche Summe reduzieren und auf was für einen Betrag kann man das durch deine Arbeit reduzieren?
Willi Plattes
Ja, das Abschlagen geht. Aber wir wissen ja, wenn wir einen Kopf abschlagen, kommen zwei Köpfe neu. Also, wir müssen der Hydra ins Herz stechen, damit nichts nachwächst. Das heißt also, wir müssen grundlegend strukturieren. Und diese grundlegende Strukturierung, das ist ein Mammutprojekt, das dürfen wir bitte nicht außer Acht lassen. Dazu kommt natürlich jetzt wieder: Wir haben am Anfang darüber gesprochen. Warum wollen die Deutschen weg? Warum wollen so viele Unternehmer weg? Jetzt kommt wieder dieses Bürokratiemonster. Man hat so viel zu gestalten, so viel steuerrechtlich, zivilrechtlich, erbrechtlich zu berücksichtigen, damit der Stich ins Herz auch wirklich dazu führt, dass die Hydra nicht mehr aufsteht. Das ist die Aufgabe.
Ingo Wohlfeil
Wenn ich jetzt also mittelständischer Unternehmer bin in Deutschland, der überlegt, nach Mallorca zu ziehen und das jetzt gerade alles gehört habe, was da an Steinen mir in den Weg gelegt wird, dann wäre wahrscheinlich der nächste logische Schritt, dich mal anzurufen.
Willi Plattes
Ja, das kann er gerne machen. Und dann werde ich sicherlich mit dem Kollegen, mit dem deutschen Kollegen intensiv über die Themen sprechen. Und dann müssen wir das konzeptionieren. Das ist unsere Aufgabe. Und ich muss jetzt natürlich folgendes dazu sagen. Ingo, wir verdienen unser Geld damit. Das ist schön für uns. Wir haben 100 Mitarbeiter und die sind auch froh, dass sie solche tollen Fälle haben, weil das ist Steuerrecht am Hochreck und es gibt wenig Steuerberater, die bei diesen länderübergreifenden Themen wirklich sattelfest sind. Und da haben wir ein Netzwerk mittlerweile aufgebaut, was funktioniert. Das ist die eine Sache, Geld verdienen.
Aber mir tut das so weh, was in Deutschland passiert, was da weggeht, was für ein Brain weggeht, was an Zukunftsfähigkeit weggeht. Denn wir haben ja nicht nur das Thema Immigration zu bewältigen in Deutschland, wir müssen uns auch mit der Immigration beschäftigen. Und wenn ich die beiden Dinge miteinander vergleiche das, was bei der Immigration, also die Auswanderung, was da geschieht, was da ein Potenzial Deutschland verlässt. Ich muss dir ganz ehrlich sagen, da wird mir angst und bange. Und wenn ich Christian Lindner wäre, hätte ich Achselnässe bis zur Hüfte, wenn ich das wirklich objektiv betrachte, was da im Augenblick geschieht.
Ingo Wohlfeil
Gibt es da Firmen, die sich bereits jetzt an dich wenden, eben um diesen Umzug sauber Richtung Spanien oder Mallorca über die Bühne zu bringen?
Willi Plattes
Wir haben sehr viele Anfragen. Wir haben eine eigene Abteilung mit sieben Leuten, die nichts anderes machen. Aber es geht nicht nur um die Umzüge nach Spanien, es geht im Endeffekt um andere Länder. Das geht auch nach Amerika. Amerika hat Energiepreise, die sind über jeden Zweifel erhaben. Und da muss man ja auch mal zukunftsträchtig denken. Wir betreuen einige Länder, da haben wir auch die Kompetenzen aufgebaut. Aber Mallorca hat natürlich etwas Besonderes, wo die Firma, wo der Geschäftssitz ist, das ist ein Thema. Man sucht ja auch Lebensqualität. Und Mallorca ist nun mal in Europa ein Ort mit einer unheimlich hohen Lebensqualität.
Wir haben ja bisher nur über wirtschaftliche Faktoren gesprochen. Wir müssen auch die emotionale Seite sehen. Wir haben hier auf Mallorca exzellente Schulen, internationale Schule, das Gesundheitssystem funktioniert, und ich sage das immer ein bisschen leicht, locker. Wir dürfen nicht nur die Zinsen als Ertrag sehen, sondern es geht auch darum, dass wir den Menschen eine bestimmte emotionale Rendite verpassen. Und die findet man hier. Das kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen.
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