Neue BFH-Vorgaben für Außenprüfung mit weitreichender Bedeutung für international tätige Unternehmen
23. September 2025
Mehr Klarheit für international tätige Unternehmen in Fragen der Steuerprüfung: Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in seinem Beschluss XI R 15/23 eine Grundsatzentscheidung zur Frage getroffen, welche elektronischen Unterlagen im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung vorzulegen sind. Das Urteil, das am 18. September veröffentlicht wurde, präzisiert die Abgrenzung zwischen zulässigen Anforderungen der Finanzverwaltung und unzulässigen Pauschalverlangen – mit erheblicher Tragweite für Unternehmen, die länderübergreifend tätig sind.
Keine "Datenfischerei": die Kernaussagen der BFH-Entscheidung
- E-Mails sind vorlagepflichtig, wenn sie steuerrelevante Informationen enthalten. Damit gelten sie als Handels- oder Geschäftsbriefe im Sinne der Abgabenordnung (§ 147 Abs. 1 Nr. 2 und 3 AO) oder als „sonstige Unterlagen“ (§ 147 Abs. 1 Nr. 5 AO).
- Nicht zulässig ist die pauschale Anforderung eines sogenannten „Gesamtjournals“ aller E-Mails eines bestimmten Zeitraums. Ein solches würde erst erstellt werden müssen und umfasst auch nicht steuerrelevante Inhalte – hierfür fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage.
- Unternehmen haben ein „Erstqualifikationsrecht“: Sie selbst entscheiden, welche E-Mails steuerlich relevant sind, und legen nur diese vor. Gleichzeitig besteht die Pflicht, alle relevanten E-Mails vollständig bereitzustellen.
- Das Finanzamt muss seine Anforderungen konkretisieren: Es darf keine allgemeine Vollständigkeitsprüfung verlangen, sondern muss klar auf Sachverhalte, Zeiträume und steuerliche Bezüge eingehen.
Bei einer Außenprüfung handelt es sich um jede Prüfung durch die Finanzbehörde außerhalb des Finanzamts, also „draußen“ beim Steuerpflichtigen. Sie kann verschiedene Prüfungsarten umfassen, neben einer Betriebsprüfung auch eine Lohnsteuer-Außenprüfung oder eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung.
Internationale Bedeutung: Balanceakt zwischen Steuerrecht und DSGVO
Gerade für grenzüberschreitend tätige Unternehmer und Familienunternehmen ist dieses Urteil von hoher Relevanz:
- Verrechnungspreise: E-Mails, die Absprachen oder Dokumentationen zu Transfer Pricing enthalten - also zur Preisgestaltung für Waren und Dienstleistungen innerhalb eines international tätigen Konzerns -, gelten ausdrücklich als vorlagepflichtige Unterlagen.
- Länderübergreifende Kommunikation: Internationale Steuerstrukturen, Finanzierungen oder Immobilieninvestitionen werden oft in E-Mail-Ketten abgestimmt. Diese Korrespondenz fällt nun eindeutig unter die steuerliche Aufbewahrungspflicht.
- Compliance und Datenschutz: Die Entscheidung stärkt Unternehmen, indem sie eine übermäßige Datenherausgabe, zum Beispiel eines Gesamtjournals, verhindert. Gleichzeitig verlangt sie aber präzise Prozesse, um steuerlich relevante Informationen herauszufiltern – ein Balanceakt zwischen Steuerrecht und DSGVO.
Handlungsempfehlungen für Unternehmen
Damit Sie für künftige Prüfungen gerüstet sind, empfehlen wir folgende Maßnahmen:
- Revisionssichere E-Mail-Archivierung: Einrichtung eines Systems, das E-Mails nach steuerlicher Relevanz filtert und unveränderbar speichert.
- Selektionsprozesse etablieren: Definition klarer Kriterien, welche E-Mails steuerlich relevant sind. Darunter fallen zum Beispiel Verrechnungspreise, Vertragsabschlüsse oder Rechnungsinhalte.
- IT und Steuerabteilung verzahnen: enge Zusammenarbeit zwischen technischer Infrastruktur und fachlicher Qualifikation.
- Dokumentation des Auswahlprozesses: Festhalten, wie die „Erstqualifikation“ vorgenommen wurde, um Transparenz gegenüber der Finanzverwaltung zu sichern.
- Grenzüberschreitende Standards: Internationale Standorte sollten harmonisierte Archivierungs- und Prüfprozesse einführen, damit konsistente Datenstrukturen vorliegen.
Mit dem Beschluss vom 30. April 2025 – er wurde erst jetzt nach seiner Anonymisierung, redaktionellen Aufbereitung und internen Abstimmung veröffentlicht –, schafft der BFH Klarheit in einem bislang unsicheren Bereich. Unternehmen sind verpflichtet, steuerlich relevante E-Mails vorzulegen. Gleichzeitig wird aber die Gefahr einer unverhältnismäßigen „Datenfischerei“ durch die Finanzverwaltung begrenzt.
Für international aktive Unternehmer bedeutet das: Eindeutige Archiv- und Selektionsprozesse sind unverzichtbar. Nur so lassen sich steuerliche Pflichten erfüllen, ohne vertrauliche, nicht steuerrelevante Korrespondenz preisgeben zu müssen.
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