Katar & Co: Auf dem Weg zum neuen Europa?
Es herrscht eine politische und wirtschaftliche Plattenverschiebung auf unserem Planeten. Die USA sind mit sich selbst beschäftigt, Deutschland sowie weite Teile Europas verlieren an Kraft und Mohammed bin Salman, Kronprinz von Saudi-Arabien betitelt sein Land als das "neue Europa".
Dr. Holger Bingmann (Unternehmer, CEO von "Thinking Arabian" und u.a. Präsident der Internationalen Handelskammer), Willi Plattes sowie Jörg Jung diskutieren über Pro und Kontra des Standorts Deutschland, die Rolle der VAE im politischen und wirtschaftlichen Wandel sowie Mallorca als Ideen-Kraftwerk.
Jörg Jung
Herzlich willkommen zu einem Podcast, der wirtschaftlich wird, der politisch wird, der aber auch emotional wird, weil das Thema gibt es einfach her. Wir reden von der aktuellen Situation wirtschaftlich in Deutschland, machen dann einen kleinen Flug und kommen in den Golfstaaten an, was dort so los ist. Ein echter Experte ist bei uns dazu im Studio Dr. Holger Bingman, Unternehmer in Deutschland und Verbandspräsident der Internationalen Handelskammer. Er wird uns, glaube ich, sehr, sehr viel über die Golfstaaten informieren und vor allem eine Einschätzung geben, warum sich das alles so toll entwickelt. Erst mal herzlich Willkommen! Herr Dr. Bingmann.
Dr. Holger Bingmann
Ich freue mich, hier zu sein.
Jörg Jung
Stell dich uns mal vor, bevor ich es tue. Wer ist Dr. Holger Bingmann?
Dr. Holger Bingmann
Ich bin Anfang 60. Meine größte Leistung ist, dass ich vier Kinder habe und glücklich verheiratet bin. Ich bin Unternehmer seit meinen dreißiger Jahren, in verschiedenen Funktionen. Woran ich am meisten Spaß hatte in diesen Jahrzehnten Unternehmertum ist auch, Arbeitgeberverbände zu leiten. Das ist eine wunderbare Schnittstelle zwischen Industrie, zwischen Wirtschaft und Politik, wo man es immer wieder es schafft, beide Seiten an einen Tisch zu bringen und versucht, die Unternehmerschaft nach vorne zu bringen und der Politik deutlich zu machen, wie wichtig Unternehmen für Deutschland sind. Aus dieser Zeit heraus bin ich heute noch der Präsident der Internationalen Handelskammer und habe eine ganz spezielle Passion für die arabische Region, speziell die Länder am Golf, die wir auch mit einem Unternehmen namens "Thinking Arabian" beraten, wo wir speziell merken, dass deutsche Mittelständler einen großen Bedarf haben, sich in der Region niederzulassen. Hier begleiten wir.
Jörg Jung
Wir haben mit ihm eben eine echte Kompetenz zu diesem Thema, wenn es um Golfstaaten geht. Die wirtschaftliche und politische Entwicklung. Genau das soll nämlich unser Thema dieses Podcast sein. Noch einmal: Schön, dass du da bist.
Dr. Holger Bingmann
Ich freue mich.
Jörg Jung
Und natürlich der CEO der PlattesGroup, NEU DENKEN, neu handeln. International. Willy Plattes, auch dir herzlich Willkommen!
Willi Plattes
Vielen Dank.
Jörg Jung
Ja, wir müssen in den Dialog gehen. Wir haben gesagt, es wird ein sehr komplexes Thema. Warum entwickeln sich die Golfstaaten so unfassbar in ihrer Wirtschaft, in dieser Dynamik, die kaum aufzuhalten ist? Und warum ist es weiter nördlich, zum Beispiel in Deutschland irgendwie andersrum? Jetzt müssen wir aber erst mal lieber Holger herausfinden oder definieren: Was sind denn in diesem wirtschaftlichen Sinne die Golfstaaten, diese aufstrebenden Golfstaaten? Was definieren wir jetzt da rein in die Kiste?
Dr. Holger Bingmann
Also zu Arabien zählen generell 23 Länder. Aber ich glaube, wir alle verbinden, wenn wir von Arabien reden oder von Golfstaaten reden, verbinden wir immer ganz vorne dran die Vereinigten Emirate, verbinden Saudi Arabien, aber genauso Katar und nicht nur seit der Weltmeisterschaft, umliegend Kuwait, Bahrain und unbedingt den Oman, der in meinen Augen auch einer der absolut kommenden Gebiete da unten ist.
Jörg Jung
Jetzt habe ich am Anfang schon angesprochen und damit will ich zu Willi Plattes gehen, wir haben die Golfstaaten aufstrebend, wir haben sie alle eben aufgezählt. Wir haben ein Deutschland, wo es irgendwie andersrum ist und alles ein bisschen so gefühlt bergab geht und zwischendrin auf Mallorca und in der Mitte sitzt Willi Plattes. Wie kriegst du das alles mit von oben, von unten - Das verknüpft sich ja irgendwie alles auf Mallorca.
Willi Plattes
Ja. In unserer Eigenschaft als Rechtsanwalts- und Steuerbüro bieten wir ja gemeinsam mit unseren Mandanten ein Wirtschaftsforum an. Dieses Forum NEU DENKEN, was wir jetzt schon im siebten Jahr sehr erfolgreich durchführen. Und da beleuchten wir nicht nur die Themen, die steuerlich oder wirtschaftlich oder für generationenübergreifende Themen notwendig sind, sondern wir betrachten auch die Entwicklung auf der Welt. Wir wissen ja, dass wir im Augenblick in einem, ich sage mal, in einer Situation sind, die keiner richtig einschätzen kann. Es gibt Gefahrensituationen, ob das Taiwan ist, ob das jetzt der Gazakrieg ist, ob das Ukraine ist, ob Trump wiedergewählt wird, diese immense Gemengelage, die wir ja haben, die gilt es ja auch zu beobachten, zu beachten und daraus unternehmerische Entscheidungen zu treffen. Und hinzu kommt natürlich, dass wir derzeit in Deutschland eine Situation haben, dass viele Unternehmer, in der Welt am Sonntag war die letzte Woche Titelseite, dass die Hälfte der Unternehmer Deutschland verlassen will. So, das empfinde ich erschreckend.
Jörg Jung
Aber warum ist das so? Was läuft in Deutschland schief? Was zum Beispiel weiter südlich in den Golfstaaten besser gemacht wird? Kann man das schon mal so als Vergleich irgendwie gegeneinanderstellen?
Dr. Holger Bingmann
Also es ist sicherlich schwierig, aber lass es uns vielleicht noch ein Stück dramatischer sehen. Ergänzend zu dieser Umfrage der Familienunternehmer gab es im Spätherbst noch eine Umfrage des DIHK an die deutschen Unternehmen. Und da hat sich zum ersten Mal herausgestellt, dass die deutschen Unternehmen im Ausland glücklicher sind als in Deutschland. Und da kommen wir natürlich zu deiner Frage Was? Was läuft bei uns schief? Ich glaube, das nehmen wir alle wahr. Es ist angefangen von einem hohen Energiepreisniveau über absoluten Fachkräftemangel bis hin zu Regulierungsschwierigkeiten, wo wir einfach viel zu lange brauchen, bis hin zu einem Steuerniveau, wo Deutschland auch innerhalb der Europäischen Union einfach an der Spitze ist. Und logisch ist dann, dass man eben in andere Länder blickt. Wie könnte es dort sein?
Jörg Jung
Jetzt bin ich aber froh, dass wir mit einem deutschen Unternehmer reden, weil man könnte es ja auch in Deutschland auf die äußeren Einflüsse schieben. Es sind aber nicht nur die äußeren Einflüsse, da ist auch viel selbstgemacht oder?
Dr. Holger Bingmann
Aber auch immer Positives. Ich will nicht immer nur auf die Politik oder auf den deutschen Unternehmer einhauen. Wir sind nach wie vor die viertstärkste Wirtschaftsmacht in der Welt. Also wir sind nur dabei, diese Position ein Stück zu verlieren.
Willi Plattes
Ja, wir essen unsere Saatkartoffeln in Deutschland, also unsere Zukunftsfähigkeit wird in Frage gestellt. Das fängt bei der Bildung an, das dürfen wir nicht vergessen. Und das sind alles Themen, die deutsche Unternehmen oder die Hidden Champions, die ja enkelfähige Zukunftsthemen haben. Die sehen da nicht mehr die Zukunft für ihre Enkel. Und das ist eine große Sorge.
Dr. Holger Bingmann
Jetzt könnte man natürlich sagen: Was haben wir alles in den letzten zehn Jahren durchgestanden?. Das ist von der Finanzkrise angefangen über Korona. Wir haben die Ukrainekrise mit einem unglaublichen Wegfall eines Geschäftsmodells Russland weg. Wir erleben einen zunehmenden Vertrauensverlust gegenüber China. 10 % der Unternehmen wollen aus aus China weg. Israel-Krieg hat Gott sei Dank noch nicht so große wirtschaftliche Auswirkungen, weil der Ölpreis einigermaßen stabil geblieben ist. Aber wir erleben so kleine Dinge wie Huthis, und trotzdem sind wir im Prinzip immer noch ein Dickschiff der Wirtschaft, was vorangeht. Aber wir beginnen ganz klar zu schwächeln. Und wir beginnen ganz klar zu merken, so kann es nicht weitergehen. Und da kommt eben dann logischerweise der Blick oder der Wunsch: Lasst uns doch mal mit anderen Märkten beschäftigen.
Willi Plattes
Ich nenne das ja immer einen Wechsel des politischen Dienstleisters. Die Unternehmer sind mit dem Dienstleister Deutschland nicht mehr zufrieden. Das ist genauso, wie man zu Hause ist und man ist nicht mehr mit dem Elektriker zufrieden. Dann sucht man sich einen anderen Elektriker. Und da ist nicht ausschlaggebend die Steuerbelastung, sondern einfach die Zukunftsfähigkeit. Das sind meine Erfahrungen.
Dr. Holger Bingmann
Und da haben uns natürlich andere Länder schon etwas voraus. Also vielleicht mal nur so einige Beispiele. Der Anti Inflation Act der Amerikaner, der ist natürlich im Prinzip unfair. Klar, das sind über 700 Milliarden Dollar, die sie in die Hand genommen haben oder in die Hand nehmen, um mit Energiepreisen und Grundstückspreisen und Steuervorteilen eine ganz andere Wettbewerbsfähigkeit herzustellen. Und wir kommen sicherlich noch auf andere Punkte. Aber originellerweise ist der Vorstand einer Aktiengesellschaft seinen Aktionären schadensersatzpflichtig. Eigentlich, wenn er dieses Angebot nicht annimmt. Also eine energieintensive Aktiengesellschaft aus Deutschland, die jetzt nicht nach Amerika oder nach Saudi Arabien oder UAE geht, ist im Prinzip seinen Aktionären gegenüber schadensersatzpflichtig, weil die andere Gegend so viel attraktiver ist. Da sind wir.
Jörg Jung
Schon. Mir ist gerade ein Begriff vom Willy Plattes im Kopf hängengeblieben "der politische Dienstleister". Dann ging es Richtung Vereinigte Staaten von Amerika. Wir denken, dass wir diesen politischen Dienstleister kennen. Wie ist denn der politische Dienstleister Golfstaaten im einzelnen so aufgestellt? Ich meine da gibt es ja jetzt nicht immer die besten Schlagzeilen. Also wie kann ich den einschätzen, den politischen Dienstleister Golfstaaten?
Dr. Holger Bingmann
Also ich glaube was ich allen meinen Mandanten, die wir da runter begleiten dürfen immer sage, es ist keine Demokratie! Also davon darf man nicht ausgehen. Und oftmals ist auch die Frage: ist meine Investition sicher? Und auch da kann man nur sagen, es ist keine Demokratie, aber es ist ein absolutes Zukunftsmodell. Und die Energie in diesen Ländern, die ist einfach bewundernswert. Also ich habe die Nachkriegszeit mit meinem unternehmerischen Vater so erlebt, mit welcher Energie hier Unternehmen aufgebaut wurden. Und da unten entscheidet man vor zwei Jahren einfach, wir wollen eine papierlose Verwaltung und seit Anfang diesen Jahres ist sie so und sie funktioniert. Und diese Dinge sind natürlich, es ist nicht immer unbedingt korrekt, wie alles gemacht wird. Und das Kafala System, also das etwas schwierige Halten von sehr vielen Arbeitenden, das sind schon noch Überreste einer Zeit, an der die Emirate und die anderen Golfstaaten versuchen zu arbeiten und wegzukommen. Aber es ist die Konsequenz, die mich begeistert, da unten einfach nach vorne zu schauen und dann zu machen. Natürlich ist viel Kapital da, um zu machen, aber es wird einfach gemacht und es wird nicht ewig diskutiert.
Willi Plattes
Ja, aus dieser wirtschaftlichen Macht, die natürlich durch die Öl- und Gasvorkommen entstanden ist, strebt man mittlerweile auch politische Macht an. Also man will auf der Welt anerkannt werden und man will auch als zukünftiger Player mit am Tisch sitzen. Das ist das, was man sich dort auf die Fahnen geschrieben hat. Also wenn ich jetzt an den Kronprinzen von Saudi-Arabien denke, Mohammed bin Salman, er sagt, wir sind das zukünftige Europa. Und wenn ich das so sehe, wenn ich jetzt die Investitionen sehe, die dort gemacht werden, auch in grünen Wasserstoff, das ist immens, was da für Geld in die Hand genommen wird. Und um grünen Wasserstoff wirklich weltmarktfähig zu halten, braucht man einen Kilowatt-Preis von einem Cent. Und das wird dort gewährleistet. Also da ist Deutschland und Europa kilometerweit von entfernt. Also da werden auch Zukunftstechnologien entwickelt, die man in Europa einfach aus den Preisgefügen her nicht mehr entwickeln kann.
Dr. Holger Bingmann
Und es passiert nicht immer nur auf dem Rücken von Öl. Im Hinterland von Dubai steht die weltgrößte Solaranlage. Die hat 150 Quadratkilometer! Die habe ich mir gerade angeschaut. Diese Energie ist notwendig, um grünen Wasserstoff zu erzeugen und um die Energiewende auch zu machen. Natürlich noch nicht vollständig und noch nicht richtig. Aber es wird zumindest gemacht und versucht.
Willi Plattes
Ja, und das ist ein großer Unterschied zu Deutschland und das treibt natürlich auch viele Unternehmer dahin. Und jetzt dürfen wir eins dabei auch nicht vergessen: Nach dem Ende des Kalten Krieges haben wir ja alle gedacht, wir sind wunderbar aufgestellt. Der demokratische Kapitalismus erobert jetzt die ganze Welt. Die Transatlantikbrücke war gesichert und jetzt haben wir festgestellt, dass sich die Märkte in den indo-pazifischen Raum bewegen. Und jetzt muss Europa und insbesondere Deutschland als Exportnation natürlich hingehen, Märkte im indo-pazifischen Raum zu erobern. Und da bieten sich natürlich die Golfstaaten als Drehscheibe an. Wir in unserem Mandantenkreis haben sehr stark Nachfragen, dass man wirklich dann in Saudi Arabien oder Katar sich ansiedelt, um die Vernetzung zum indo-pazifischen Raum zu nutzen. Also das ist wenigstens unsere Wahrnehmung.
Dr. Holger Bingmann
Die Region, inklusive auch Länder wie Ägypten hat mehr Freihandelsabkommen mit dem indo-pazifischen Raum und mit Afrika als das die Europäische Union hat. Also im Prinzip ist das Modell, zu sagen, ich habe meine Middle East Zentrale im arabischen Raum und gehe von dort aus in den indo-pazifischen oder auch, ich plädiere echt auch für den afrikanischen Raum. In Afrika haben wir 54 Länder und die Diversität ist extrem. Aber es gibt 20 Länder, die wirklich stark und auch nach vorne wollen, die auch in den Wettbewerb um Direktinvestitionen und um Handelsinvestitionen einsteigen.
Jörg Jung
Ich möchte nochmal politisch werden an dieser Stelle, weil Willy Plattes von der Sowjetunion geredet hat, vom Zusammenbruch der Sowjetunion. Danach entwickelte sich auch ein relativ starker Markt, ein gutes Netz Richtung Osten, das innerhalb von wenigen Stunden zerschlagen wurde. Mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine. Das ist weggebrochen. Wir reden vom indo-pazifischen Raum und wir reden von der Drehscheibe Golfstaaten. Inwiefern können wir hervorheben, dass es in Sachen Golfstaaten politisch stabil ist, auf die Dauer gesehen langfristig.
Dr. Holger Bingmann
Also ich glaube, diese Frage kann man nicht mit Sicherheit beantworten. Ich glaube, nach Ukraine und Ukraine hat für uns ja eigentlich bedeutet, Wegfall des Geschäftes mit Russland und Russland war unser Energieträger und unsere Wirtschaftsentwicklung für die Zukunft. Nachdem haben wir Unternehmer uns ja auf die Suche nach resilienten Märkten gemacht und ich glaube, wir können festhalten, die gibt es so eigentlich nicht. Selbst innerhalb Europas würde ich nicht unbedingt sagen, dass alle Länder verlässlich resilient sind. Aber Länder beispielsweise wie Polen und bei der Umfrage, die du angeführt hast von den Familienunternehmen, ist ja interessanterweise Polen als Platz zwei, wo die deutschen Unternehmer hinwollen. Und gerade Polen hat es einfach gut gemacht zu sagen, den Wiederaufbau der Lieferketten nutzen wir als große Chance. Polen hat die Chance, davon zu profitieren. Wir sind aufgeschlossen für Investoren, auch da natürlich ein gewisser Wettbewerb um Direktinvestitionen. Also wir erleben das wirklich über die ganze Welt hinweg, dass um Investitionen gekämpft wird, mit Anreizen, über die wir gerne nachher noch mal im Detail reden sollten.
Jörg Jung
Ich glaube, das Bauchgefühl bleibt jetzt mal einheitlich. Es ist und bleibt für Investitionen da unten aber vorerst stabil.
Dr. Holger Bingmann
Unbedingt. Auch wenn ich vorhin gesagt habe, es ist keine Demokratie, dann kann sich das System eine Unsicherheit ja gar nicht erlauben. Also in sich ist das System ein ganz solider Tanker in die Zukunft. Und es ist natürlich und das bemerken Willy und ich, die gemeinsam ja auch Unternehmen begleiten auf dem Weg dort runter und beraten. Es ist der Megatrend momentan dorthin zu gehen. Und dafür gibt es Gründe.
Willi Plattes
Ja, wir hatten ja nach dem Kalten Krieg haben alle gedacht, dass der demokratische Kapitalismus, habe ich eben auch schon erwähnt, dass das das Modell für die Zukunft ist. Aber wir haben ja jetzt mittlerweile festgestellt, dass auch autokratische Systeme nachhaltiges Wirtschaftswachstum produzieren können. Da brauchen wir nur nach China zu gucken. Und das ist ja auch ähnlich in den Golfstaaten. Und es funktioniert ja. Ja, es ist richtig, über Menschenrechte an der einen oder anderen Stelle, da können wir noch separat drüber diskutieren. Da ist nicht alles auf europäischem Niveau, aber die Handelsbeziehungen funktionieren, die Investitionsanreize sind da, die Investitionsmöglichkeiten sind da und dadurch natürlich auch die Zukunftsfähigkeit für die deutsche Wirtschaft. Und wir dürfen eins nicht vergessen: Die deutsche Wirtschaft ist eine Exportnation.
Dr. Holger Bingmann
Interessant ist nur ein kultureller Aspekt, dass wir jetzt lernen müssen, dass wir nicht - erlaubt mir den Ausdruck - als deutscher Oberlehrer dort hingehen können. Also wir haben das bei der Fußball WM gesehen. Wir müssen die Kultur der Länder akzeptieren und wir müssen deren Eigenarten akzeptieren. Wir müssen uns dort anpassen, dann sind wir dort herzlich Willkommen. Aber wir können nicht mit unseren Maßstäben einer überholten Entwicklungspolitik, wie wir sie immer noch nach Afrika tragen, in diese Länder gehen. Und auch die die starken afrikanischen Staatspräsidenten sagen unserem Bundeskanzler aktuell, wir wollen nicht 100 Millionen Entwicklungshilfe, wir wollen 100 Arbeitsplätze mit euch.
Willi Plattes
Ja, also das ist ja ein Riesenthema, das merken wir hier auch auf Mallorca. Also wie viele Unternehmer kommen hier auf Mallorca an mit dem Satz: "Wir in Deutschland machen das aber so und so". Ja, also ich sage mal deutsches Moralin ist weder auf Mallorca noch in den Golfstaaten zu verkaufen.
Jörg Jung
Ist es denn am Ende so, um noch mal nach Deutschland zu gehen, auf lange Frist gesehen, dass wenn ein Drehkreuz Golfstaaten entsteht, und zwar in den indo-pazifischen Raum, für Deutschland fast schon eher hilfreich ist? Oder der Untergang? Um es ganz verschärft zu sagen. Es könnte doch, wenn man es richtig angeht, sogar für Deutschland sehr interessant und hilfreich werden.
Dr. Holger Bingmann
Wichtig ist, glaube ich, dass die Politik dieser Region auch die entsprechende Wichtigkeit oder Wertigkeit zollt. Da haben wir lange Zeit ein bisschen den Franzosen beispielsweise hinterhergehinkt, die in der arabischen Region sehr viel stärker präsent sind. Ich glaube, das haben wir gesehen und zwar nicht nur wegen Energie, sondern auch wegen insgesamt einer wirtschaftlichen Verflechtung. Also ich glaube, dass eine engere Anbindung in verschiedene Regionen, auch natürlich insbesondere in der arabischen Region mit der Türöffnungsfunktion, die du anführst, eine ganz wesentliche ist.
Willi Plattes
Ja, das sehe ich genauso. Also ich glaube, die Politik muss es noch verstehen. Ich habe das Gefühl, dass die Unternehmer es verstanden haben, dass an sich das Heimische in Deutschland, die Kraft, die ja auch in Deutschland ist, das Ingenieurswesen ist. Hier ist ja unheimlich viel entstanden, dass das die Basis ist. Aber das müssen wir verkaufen. Wir haben keine Rohstoffe so wie die arabische Welt es hat. Wir haben Brain und dieser Brain in diesen Bereichen, der wird hier weiter hoffentlich leben und damit müssen wir unseren Export füttern. Ansonsten ist unser System, unser Sozialsystem in Deutschland nicht mehr tragfähig.
Dr. Holger Bingmann
Ich finde, Willi, es zeigt sich ja auch ganz deutlich an unserer täglichen Arbeit, also in deinem Unternehmen auf Mallorca. In meinem Unternehmen in Berlin ruft eigentlich jede Woche mittlerweile ein deutscher Mittelständler an, der sich Gedanken macht, in den Arabischen Emiraten oder in Saudi Arabien zu investieren. Er fragt dich, wie gestalte ich das? Er fragt uns, wie komme ich da politisch an? Wie positioniere ich mich, wie organisiere ich mein Unternehmen da unten? Also da merken wir doch wirklich diesen ganz pragmatischen Zug da runter, dass die Unternehmen ankommen wollen dort unten.
Willi Plattes
Ja, die Politik hat es, wie eben schon gesagt, meiner Meinung nach noch nicht ganz verstanden. Aber die Unternehmer haben es verstanden, was notwendig ist, um den Sozialstaat und auch um in Deutschland weiter zu bleiben, notwendig, es zu tun. Und in der Tat, Holger, wir erleben es ja, ich sage mal fast tagtäglich, dass diese Anfragen kommen, so wie von dir geschildert. Und es ist ja immer ein Gesamtpaket. Es geht einerseits darum, wie komme ich von Deutschland weg. Und das zweite ist, wie passiert das Onboarding Und durch deine herausragenden Kontakte, die du hast zur Politik, zu Unternehmern kann ich einfach nur sagen, dass dieses Paket auch der Wissensvermittlung, die wir jetzt hier durch diesen Podcast haben, exzellent ist. Also da auch noch mal vielen Dank, dass du hier bist.
Dr. Holger Bingmann
Mein Vergnügen.
Jörg Jung
Es ist ein unfassbar komplexes Thema. Meine Herren, ich würde vorschlagen, wir fassen das alles noch mal auf und zwar in einem zweiten Podcast, um das jetzt hier alles erst mal sacken zu lassen und werden dann unter anderem weiter über die Golfstaaten als Drehkreuz reden, über die Zukunft Deutschlands und welche Rolle mittendrin dann auch noch Mallorca spielt. Ich würde sagen, hören wir uns nächste Woche zu einer Fortsetzung dieses Podcasts wieder. Sind wir einverstanden?
Dr. Holger Bingmann
Mit dem größten Vergnügen
Willi Plattes
Ja, gerne.
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