Remote Work auf Mallorca – Traum oder steuerliches Risiko?

Immer mehr Menschen träumen davon, ihren Arbeitsplatz auf die schönste Insel der Welt zu verlegen: nach Mallorca. Doch was auf den ersten Blick nach Freiheit und Flexibilität aussieht, birgt komplexe rechtliche und steuerliche Herausforderungen. In dieser Podcast-Folge sprechen Willi Plattes, CEO der PlattesGroup, Prof. Dr. Günther Strunk, Spezialist für internationales Steuerrecht mit Kanzleien in Hamburg und Köln, und Dr. Thomas Winkemann, Rechtsanwalt und Notar bei der Sozietät GÖRG in Berlin, über die arbeitsrechtlichen, steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Folgen des dauerhaften Arbeitens aus dem Ausland – konkret aus Spanien.
Wie wirkt sich der neue Arbeitsort auf den deutschen Arbeitsvertrag aus? Muss der Arbeitgeber für einen ergonomischen Arbeitsplatz in Spanien sorgen? Entsteht durch das Homeoffice möglicherweise eine Betriebsstätte mit steuerlichen Konsequenzen für den Arbeitgeber? Und was bedeutet das Ganze im Kontext von Doppelbesteuerungsabkommen und Verrechnungspreisen?
Die Experten beleuchten anschaulich, welche Stolperfallen auf Arbeitgeber wie Arbeitnehmer zukommen können, und warum das Thema nicht "mal eben" nebenbei geklärt werden sollte. Dabei wird deutlich: Die Rechtslage ist komplex, die Praxis voller Grauzonen – und der deutsche Gesetzgeber hat hier noch großen Nachholbedarf.
Ein Muss für alle, die dauerhaft remote aus dem Ausland arbeiten oder dies ihren Mitarbeitenden ermöglichen möchten.
Timothea Imionidou
Immer mehr Menschen träumen davon, ihren Arbeitsplatz an die Sonne zu verlegen – zum Beispiel nach Mallorca. Remote Work klingt verlockend – bringt aber zahlreiche bürokratische, arbeitsrechtliche und steuerliche Herausforderungen mit sich, die häufig unterschätzt werden. In dieser Folge nehmen wir genau das unter die Lupe. Dafür begrüßen wir drei herausragende Experten: Willi Plattes, CEO der PlattesGroup und Experte für internationale Steuerfragen, Prof. Dr. Günther Strunk, Spezialist für internationales Steuerrecht mit Kanzleien in Hamburg und Köln, und Dr. Thomas Winkemann, Rechtsanwalt und Notar bei der Sozietät GÖRG in Berlin.
Willi Plattes
Sehr verehrte Zuhörer, heute haben wir ein weiteres hochinteressantes Thema: Remote-Arbeiten. Viele Menschen kommen nach Mallorca und fragen: „Kann ich nicht auch ganzjährig von hier aus arbeiten?“ Und welche Auswirkungen hat das eigentlich? Worauf muss ich achten, wenn ich auf der – aus meiner Sicht – schönsten Insel der Welt dauerhaft und ganzjährig arbeiten möchte? Der deutsche Gesetzgeber stellt dafür allerdings einige bürokratische Hürden auf – sei es im Arbeitsrecht, im Sozialversicherungsrecht oder im Steuerrecht. Es gibt eine ganze Palette an Begleitregelungen, die man berücksichtigen muss. Das ist ein Thema, das man keinesfalls einfach abtun sollte. Es können ernste und nachhaltige Probleme entstehen. Thomas, wir fangen mit dir an. Was bedeutet das arbeitsrechtlich, wenn ich als Arbeitnehmer meinem deutschen Arbeitgeber vorschlage, dass ich ganzjährig aus Spanien remote arbeiten möchte? Wie funktioniert das und worauf muss man achten?
Dr. Thomas Winkemann
Wir sprechen hier über Arbeitnehmer, nicht über Selbständige. Zunächst einmal gilt: Wer einen deutschen Arbeitsvertrag hat und in Deutschland arbeitet, bleibt auch nach einem Umzug nach Spanien grundsätzlich im deutschen Arbeitsrecht. Es gibt zwar ein europäisches Wahlrecht, aber wenn keine Änderungen vorgenommen werden, bleibt es beim deutschen Arbeitsvertrag. Es wäre möglich, durch einen Änderungsvertrag festzulegen, dass spanisches Recht gilt – das ist aber in der Praxis selten der Fall. In der Regel bleibt es also beim deutschen Arbeitsvertrag und damit auch beim deutschen Arbeitsrecht, selbst wenn der Arbeitsort sich ändert.
Willi Plattes
Das heißt, im Vertrag steht dann: Der Arbeitgeber erlaubt seinem Mitarbeiter, ganzjährig remote aus Spanien zu arbeiten – und das war’s? Was ist mit den Flugkosten? Wenn der Arbeitgeber sagt: „Ich brauche dich zwei- oder dreimal im Jahr vor Ort“, wer zahlt dann die Flüge? Das müsste doch ebenfalls vertraglich geregelt werden.
Dr. Thomas Winkemann
Genau. In so einem Fall müsste man einen Nachtrag zum Arbeitsvertrag machen. Es hängt auch davon ab, auf wessen Initiative das Ganze zurückgeht. Möchte der Arbeitnehmer von sich aus nach Spanien und der Arbeitgeber erlaubt es? Oder schickt der Arbeitgeber ihn gezielt in eine spanische Betriebsstätte? Das muss im Vertrag klar geregelt sein.
Willi Plattes
Stichwort Betriebsstätte. Günther, ich schau zu dir. Wenn der Arbeitnehmer von Spanien aus arbeitet – muss der Arbeitgeber dann ein Büro einrichten? Wie muss der Arbeitsplatz ausgestattet sein? All das fällt unter deutsches Arbeitsrecht, das zum Beispiel auch Vorgaben zur ergonomischen Ausstattung macht. Aber wie sieht es steuerlich aus?
Prof. Dr. Günther Strunk
Wenn ein deutscher Arbeitgeber in Spanien ein Büro anmietet und sagt: „Von dort musst du arbeiten“, ist die Lage relativ eindeutig. Aber das ist nicht der Regelfall. Die meisten Menschen wollen von zu Hause aus arbeiten – sie richten sich also einen Arbeitsbereich in ihrem privaten Wohnraum ein. Die Frage ist dann: Begründet dieser private Arbeitsbereich eine Betriebsstätte für den Arbeitgeber? Und wenn ja, mit welchen Konsequenzen? Dazu gehören nicht nur Buchhaltungspflichten und steuerliche Meldungen – es kann auch bedeuten, dass ein Teil des vom Mitarbeiter erwirtschafteten Gewinns in Spanien zu versteuern ist. In Deutschland geht man derzeit meist davon aus, dass es in privaten Wohnräumen keine Betriebsstätte gibt, weil der Arbeitgeber keine Verfügungsmacht darüber hat. Andere Länder wie Österreich sehen das anders. Wenn der Arbeitnehmer gleichzeitig Gesellschafter-Geschäftsführer ist, wird es noch einmal komplexer. Das heißt: Auch wenn formal deutsches Arbeitsrecht gilt, muss der Arbeitgeber prüfen, ob er Lohnsteuer abführen muss. Oder ob die Tätigkeit ausschließlich in Spanien stattfindet und somit auch dort steuerlich zu erfassen ist. Das ist ein sensibles Thema.
Willi Plattes
Bei der Lohnsteuer ist es vergleichsweise einfach: Für die Tage in Deutschland gilt deutsches Recht, für die Tage in Spanien gilt spanisches Steuerrecht. Sozialversicherungstechnisch bleibt man meistens in Deutschland – aber viel wichtiger ist die Perspektive des Arbeitgebers. Wird durch die Remote-Tätigkeit eine Betriebsstätte begründet? Wenn das der Fall ist, will der spanische Staat unter Umständen eine Gewinnbeteiligung – oder einen Anteil an der Wertschöpfung. Dann geht es schnell in Richtung Verrechnungspreise, Buchhaltungspflichten und mehr. Und genau deshalb reagieren viele Arbeitgeber auf solche Remote-Wünsche eher zurückhaltend.
Prof. Dr. Günther Strunk
Ein zusätzlicher Hinweis: Die deutsche Finanzrechtsprechung zum Thema Remote Work ist veraltet – sie stammt im Wesentlichen aus den 1980er-Jahren. Damals gab es viele der heutigen technischen Möglichkeiten gar nicht. Es gibt also keine höchstrichterliche Rechtsprechung, die diese modernen Arbeitsmodelle abbildet. Wenn es kein Doppelbesteuerungsabkommen gibt, stellt sich zudem die Frage: Wann wird eine Tätigkeit im Ausland in Deutschland verwertet? Wo liegt der wirtschaftliche Mittelpunkt? Besonders spannend wird es, wenn jemand zum Beispiel in einem Callcenter arbeitet und ausschließlich deutsche Kunden betreut – aus Spanien.
Willi Plattes
Das bringt uns wieder zu einem bekannten Thema: Der deutsche Gesetzgeber hat es im März angekündigt – das Faxgerät soll abgeschafft werden. Vielleicht werden wir in ein paar Jahren auch eine modernisierte Steuerrechtsprechung erleben, die den Einfluss von KI und neuen Arbeitsmodellen besser berücksichtigt. Bis dahin gilt: Wenn Sie mit Ihrem Arbeitgeber über Remote-Arbeiten sprechen, sollten Sie sich bewusst sein, dass es sich um steuerliches Neuland handelt. Die Zurückhaltung ist nicht grundlos – es lauern viele Risiken. Seien Sie also gut vorbereitet und nicht zu optimistisch.
Autorin: Timothea Imionidou/Mitarbeit: C. Schittelkopp