Die spanischen Regionen und ihre steuerlichen Eigenheiten
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In Spanien kann man in Sachen Steuern und Fristen nicht alles über einen Kamm scheren. Denn je nachdem, wo man in Spanien lebt oder investiert, können sich steuerliche Regelungen erheblich unterscheiden. In dieser Folge sprechen Willi-pedia Podcast Creator Jörg Jung und Thomas Fitzner, Leiter der Residenten-Abteilung der PlattesGroup, über das Konzept der Fiskalgeografie – also die regionalen Unterschiede im spanischen Steuersystem.
Wie wirkt sich die Autonomie der Regionen auf Einkommen-, Vermögen- oder Erbschaftsteuer aus? Was hat es mit dem steuerlichen Sonderstatus des Baskenlandes auf sich? Warum gibt es in Spanien Steueroasen? Und was bedeuten diese Unterschiede für Residenten und Investoren?
Jörg Jung
Steuern in Spanien, das kommt aber auch immer drauf an, wo man innerhalb Spaniens so hinsteuert, möchte ich mal sagen. Wir reden darüber. Einmal mehr mit dem Leiter der Residenten-Abteilung der PlattesGroup und Steuerfachmann Thomas Fitzner. Ich grüße dich.
Thomas Fitzner
Hallo Jörg.
Jörg Jung
Ja, ich hoffe, ich habe das jetzt richtig gesagt. Wo man in Spanien so hinsteuert, da warten dann auch verschiedene Steuern. Also wir haben uns jetzt mal vorgenommen über die und ich fand den Begriff sehr schön von dir, die Fiskalgeografie in Spanien zu reden.
Ist das denn so dermaßen kompliziert in Spanien, dass man schon über Fiskalgeografie reden muss?
Thomas Fitzner
Ja doch ist es. Also wir müssen bei Beratungen oder zum Beispiel auch bei Vorträgen, die wir in Deutschland oder sonst wo halten, immer wieder darauf hinweisen, dass bestimmte Informationen, wenn wir da konkreter werden, wie zum Beispiel Steuersätze, Steuerbefreiungen etc. zum Teil regionale Besonderheiten aufweisen, dass es nicht egal ist, wo man hinzieht oder wo man hier eine Immobile kauft.
Ich gebe da nur ein Beispiel. Es gibt einen ganzen Winkel von Spanien, der sein komplett eigenes Steuersystem hat, bei dem die spanische Zentrale Steuerbehörde überhaupt nichts verloren hat. Das ist das Baskenland und Navarra. Die haben das sogenannte “Concierto Vasco”. Das ist eine steuerliche Vereinbarung mit dem Zentralstaat. Das heißt, die regeln das alles selber, die Einkommenssteuer, die Vermögensteuer, alles. Die machen alles selber und zahlen an den Staat für bestimmte gesamtstaatliche Aufgaben wie zum Beispiel Verteidigung, diplomatische Vertretungen etc. jedes Jahr eine jeweils neu ausgehandelte Summe. Das heißt, wenn wir hier über bestimmte steuerliche Themen sprechen und es kommt jemand an und sagt, er würde gerne, was weiß ich, nach Navarra ziehen, müsste man sich auf ein komplett neues fachliches Gebiet begeben. Das ist, als ob man, ja, beinahe als ob man dann in einem anderen Land wäre. Da gibt es zum Beispiel auch so etwas Ähnliches wie Steueroasen. Es hat ja vor circa zwölf Jahren mal so ein Skandälchen um den frischgebackenen Tennisrentner Rafa Nadal gegeben, als ans Licht gekommen ist, dass er eine Firma, die seine Werberechte vertrieben hat, dass die im Baskenland angesiedelt war und dort bestimmte Steuervorteile erzielt hat. Als das publik geworden ist, hat er, um sein Image zu bewahren, diese Firma sofort nach Mallorca verlegt, um hier in einem größeren Imageschaden vorzubeugen. Was ich damit nur sagen will, man muss, wenn man nach Steueroasen sucht, nicht unbedingt in die Karibik gehen oder sonst wo hin. Das heißt, wir haben hier tatsächlich fast, steuerlich gesehen, extraterritoriales Gebiet. Es gibt auch andere Besonderheiten. Die Kanarischen Insel zum Beispiel, die haben zwar eine Umsatzsteuer, aber das ist auch ein eigenes System. Die heißt auch nicht "Impuesto sobre valor añadido", also IVA. Die hatten ganz andere Namen dort, das heißt IGIC, also “Impuesto General Indirecto Canario”. Funktioniert, es ist eine Konsumsteuer, ist aber anders gestaltet, anders aufgestellt, wird anders genannt. Und auch die afrikanischen Enklaven Ceuta und Melilla haben ihre eigene Umsatzsteuer. Die heißt dort IPSI. ich glaube, die Abkürzung gefällt dir. Das ist der “Impuesto sobre la producción, los servicios y la importacion”. Also Steuer auf Produktion, Dienstleistungen und Importe.
Jörg Jung
Daher kommt ja die berühmte Band, “IPSI”-Kings. Kanntest du die auch schon?
Thomas Fitzner
Ja, das könnte sehr gut sein. Ich sehe die als sehr fiskal-affin an.
Jörg Jung
Natürlich. Eine Zwischenfrage ist, es erinnert mich jetzt an Deutschland, diese Bund-Länder-Geschichte, das handelt sich zwar weniger um Steuern, aber man sagt immer, das ist Sache des Bundes, das ist Sache der Länder. Also kann man da auch wirklich sagen, es gibt so eine Bund-Länder-Aufteilung, wer für was dann zuständig ist. Also das können dann einzelne Regionen tatsächlich in sich dann so handhaben. Habe ich das richtig verstanden?
Thomas Fitzner
Ja und das kommt immer darauf an, welche Steuer das ist. Also wenn wir jetzt die genannten Sonderfälle jetzt mal beiseite lassen, die übrigen Regionen Spaniens, teilen sich die steuerlichen Zuständigkeiten mit dem Zentralstaat je nach Steuer auf unterschiedliche Weise. Also nehmen wir mal die Einkommenssteuer als Beispiel. Die ist tatsächlich zweigeteilt. Es gibt also einen staatlichen Teil und es gibt einen regionalen Teil. Da hat sogar jeder seine eigene Steuertabelle. Beispielsweise auf den Balearen, da wurde jetzt eine Steuertabelle für den balearischen Teil beschlossen, die ganz anders aufgebaut ist als die staatliche. Das heißt, wenn wir, wir haben ja auf unserer Website plattes.net, haben wir ja in unserer Willipedia Enzyklopädie, wo man eine Menge Informationen über spanische Steuerthemen findet, haben wir eine konsolidierte Einkommenssteuertabelle, die aber nur Orientierungscharakter haben kann, weil aufgrund der unterschiedlichen Stufen das gar nicht genau hinzukriegen ist. Also wir haben die so aufgebaut, dass wir in eigenen Spalten den staatlichen und den balearischen Teil angeben und dann einen konsolidierten Teil. Und da sieht man schon, welche Probleme das mit sich bringt, dass man so ungefähr mal über den Daumen gepeilt eine Idee hat.
Es haben die Regionen dann auch ihre eigenen Bestimmungen über Absetzbeträge, über Steuerbegünstigungen und auch auf dem staatlichen Teil. Das heißt, man sich mal so eine spanische Steuererklärung anschaut, dann kommt nach der Auflistung dessen, was da alles verdient wurde und an Einkommen erzielt wurde, kommt dann die Steuerberechnung, in die ist unfassbar kompliziert. Die teilt sich dann eben auf zunächst mal in die zwei Kategorien allgemeines Einkommen und Kapitalerträge. Und dann gibt es noch mal eine zusätzliche Aufteilung in den Autonomen, also in den regionalen Teilen und in den staatlichen Teilen. Bei der Vermögensteuer ist es ein bisschen einfacher insofern als dort die Vermögensteuer zur Gänze der regionalen Kompetenz unterworfen ist. Bis vor kurzem konnte man die Vermögensteuer sogar abschaffen in einer Region. Madrid hatte über viele Jahre hinweg überhaupt keine Vermögensteuer mit 100 %-igen Gutschriften. Und diesen regionalen Besonderheiten wurde jetzt aber ein Rahmen aufgestülpt durch die seit Ende 2022 eingeführte sogenannte Reichensteuer bzw. temporäre Steuer auf große Vermögen. Auch bei der Erbschaft- und Schenkungssteuer haben die Regionen weitgehende Befugnisse. Da gibt es auch noch keinen Rahmen, wie der jetzt in der Vermögensteuer vorgegeben wurde. Das heißt, wenn ich hier die Region wechsle, wenn ich jetzt zum Beispiel auf den Balearen, wo für die Verwandtschaftsgruppen eins und zwei die Erbschaftssteuer abgeschafft wurde. Und ich gehe jetzt zum Beispiel nach Katalonien, nach Extremadura, nach Galicien. Da muss ich mich jedes Mal auf eine vollkommen andere erbschafts- und schenkungsteuerliche Situation einstellen.
Jörg Jung
Wir kennen natürlich alle so gewisse Steuern, die uns alle irgendwie betreffen. Einzelne Regionen können die auch dann handhaben, wie sie das für nötig oder richtig halten. Daraus habe ich das jetzt gehört. Aber gibt es zum Beispiel auch Steuern, die, wir haben ja gerade eben gesagt, es gibt auch Steueroasen, die Kanaren machen in Sachen Mehrwertsteuer was sie wollen, gibt es auch Steuern, die nur in bestimmten Regionen ansässig sind. Also wo man dann tatsächlich denkt, Moment, das habe ich ja noch nie gehört und welche wären das denn?
Thomas Fitzner
Das gibt es. Ich wollte nur kurz noch zu den erwähnten Steuern Einkommensteuer, Vermögensteuer, Erbschafts-/Schenkungsteuer sagen, dass es da eine grundsätzliche staatliche Zuständigkeit gibt für Nicht-Residenten. Das heißt also, wenn jetzt ein Nicht-Residenten hier was erbt oder hier ein größeres Haus hat, dafür Vermögensteuer bezahlen muss oder hier vermietet und Einkommensteuer bezahlen muss. Diese Erklärungen werden an das staatliche Finanzamt abgegeben. Aber in bestimmten steuerlichen Bereichen kann der steuerpflichtige Nicht-Resident eine regionale Regelung wählen. Er hat also ein Wahlrecht. Das heißt, er versteuert nach regionalem Recht, muss aber die Erklärung an die staatliche Finanzverwaltung einreichen. Und jetzt zu deinem Punkt. Die Regionen haben tatsächlich komplett eigene Steuern bzw. Steuern, für die sie kompletten Gestaltungsspielraum haben oder weitgehenden. Das ist zum Beispiel Spielsteuer oder Umweltsteuern. Und da gibt es auch so Exoten. In Andalusien haben Sie zum Beispiel eine Steuer auf potenzielles Einkommen untergenutzter Grundstücke, also “Impuesto sobre Tierras Infrautilizadas”. Und wenn wir noch weiter runtergehen in der Abstufung, kommen wir auf die Gemeinde und die Gemeinden legen zum Beispiel fest die Grundsteuer, das ist die berühmte IBI, die Gewerbesteuer (IAE), die Kfz-Steuer, die Bausteuer und die sogenannte Plusvalía, also die gemeindliche Wertzuwachssteuer auf den Wertzuwachs von Grundstücken und auch die Steuern auf private Jagd- und Fischreviere, das wird alles auch von der Gemeinde erhoben. Allerdings für das Eintreiben dieser Steuern nutzen manche Gemeinden das regionale Finanzamt. Das heißt nicht alle Steuerbescheide, die jetzt zum Beispiel auf dem Balearen von ATIB, also von der Agencia Tributaria de les Illes Baleares kommt, nicht automatisch eine regionale Steuer, sondern das sind vielfach Gemeindesteuern, die über diesen Organismus eingehoben werden.
Jörg Jung
Jetzt ist natürlich die Frage, wir reden auch schon seit Wochen über verschiedenste Steuern und Steuermodelle und reden dann auch immer über Fristen, über Deadlines. Hält es denn auch jede Region für sich selbst oder ist das dann wenigstens zentral gesteuert, wann was irgendwie angegeben oder bezahlt werden muss?
Thomas Fitzner
Also bei den bei den großen Steuern gibt es einen formalen Rahmen, der vom Staat vorgegeben ist. Also zum Beispiel diese berühmte Regelung der Erbschaftsteuer, dass der Wertzuwachs des geerbten Gutes zwischen Erwerb durch den Erblasser und Übertragung vom Erblasser an den Erben im Todesfall, dass dieser Wertzuwachs nicht besteuert wird. Das ist eine systematische Grundlage, die für alle Regionen gilt. Oder auch in der Vermögensteuer, die sogenannte Deckelung. Das heißt, dass wenn ich bei einem Missverhältnis zwischen Einkommen und Vermögen, dass da die Vermögensteuer runtergefahren ist. Es gibt bestimmte formale und systematische, einheitliche Grundlagen, die von allen zu befolgen sind. Aber dann darüber hinaus oder abseits davon haben die Regionen sehr weitreichende Befugnisse. Das ist auch ein bisschen ein Problem. Es gibt Bestrebungen in Spanien, die Steuer zu harmonisieren, damit es nicht zu allzu großen Diskrepanzen kommt, die ja auch als Ungerechtigkeit empfunden werden können. Also wenn ich auf der einen Seite der Ländergrenze für ein Erbe gar nichts bezahle und auf der anderen Seite einen Kilometer entfernt, werde ich da quasi gevierteilt vom Finanzamt, wird es als Ungerechtigkeit wahrgenommen. Aber auf der anderen Seite haben sich die Regionen an ein sehr hohes Maß an Kompetenzen gewöhnt. Sehen das auch als ihr Recht an und alle Versuche der Zentralpolitik dort einzugreifen oder das zu beschränken werden sehr defensiv und werden mit nicht allzu großer Freude betrachtet.
Jörg Jung
Gibt es denn auch irgendwie dann, sagen wir mal, eine Konkurrenz zwischen den Regionen, dass der eine sagt, komm lieber zu uns, da bezahlst du weniger Steuern und die anderen ärgern sich?
Thomas Fitzner
Das ist genau eines der Argumente für jene, die sagen, wir müssen die Steuern zwischen den Regionen harmonisieren. Das war ja genau der Punkt, als Nadal da im Baskenland seine Firma aufgemacht hat, beziehungsweise den Sitz dorthin verlegt hat. Da wurden eben steuerliche Möglichkeiten geboten, die es auf den Balearen nicht gab. Und es führt tatsächlich so, dass man da eine gewisse Steuerkonkurrenz hat. Es gibt allerdings, das muss man dazu sagen, eine Regelung gegen Steuertourismus. Das heißt, den Wohnsitz zu verlegen, jetzt nur mal zum Beispiel für einen Schenkungsvorgang, weil man in der anderen Region einen günstigen Steuersatz hat, ist nicht so einfach. Es gibt also eine Regelung, die diese Möglichkeiten doch ziemlich einschränkt.
Jörg Jung
Das zum Thema, wunderbarer Begriff, Fiskalgeografie. Hört sich fast an wie ein Schulfach, mein lieber Thomas. Zu den Themen Fiskal-Biologie, -Physik und -Chemie kommen wir nach der großen Pause. Wir hören uns aber definitiv wieder in einer der nächsten Podcastfolgen, bis zum nächsten Mal und tschüss.
Autor: Jörg Jung / Mitarbeit: C. Schittelkopp